10. Dezember 2009 in Interview
"Jeder Bischof wird klar dafür eintreten, dass der Schutz des Strafrechts besonders auch den ungeborenen Kindern gelten muss" Kath.net-Exklusiv-Interview mit dem Bischof Egon Kapellari über Fristenregelung, Kirchenaustritte, Priesterjahr und Islam
Graz (kath.net)
Kath.Net: In einem Oktober-Artikel des Nachrichtenmagazins Profil gab es einen Bericht über "Kirche, Fristenregelung und Strafe". Sie meinten damals in einer Aussendung: "Abtreibung ist rechtlich und moralisch ein schweres Unrecht, eine Rückkehr zur Bestrafung ist aber keine Lösung, es geht vielmehr um verstärkte Hilfe." Sind Sie grundsätzlich dagegen, dass bei Abtreibung, dh. Tötung ungeborener Kinder, es einen rechtlichen Schutz (dh. auch die Möglichkeit zur Strafandrohung) gibt?
Bischof Kapellari: Selbstverständlich muss und wird jeder Bischof klar dafür eintreten, dass der Schutz des Strafrechts besonders auch den ungeborenen Kindern gelten muss. Das österreichische Strafgesetz erklärt ja auch generell die Abtreibung als rechtswidrig, nimmt aber durch die sogenannte Fristenregelung die Ungeborenen in den ersten drei Lebensmonaten von diesem Schutz aus. Das ist ein schweres Unrecht und wurde gegen den Widerstand der Katholischen Kirche und z.B. auch des evangelischen Bischofs Sakrausky vor 40 Jahren politisch durchgesetzt. Seither bemühen wir uns in Allianz mit anderen Freunden der Ungeborenen, wenn auch immer noch vergeblich, um wenigstens flankierende Maßnahmen zur Verminderung der Zahl der Abtreibungen. Papst Benedikt XVI. hat in der Wiener Hofburg klar gesagt, dass es kein Menschenrecht auf Abtreibung gibt. Wir werden uns als Kirche nie mit Abtreibung abfinden dürfen und wir müssen um das Leben eines jeden ungeborenen Menschen kämpfen. Dafür geschieht nie genug, aber es geschieht in Österreich viel, sowohl als Hilfe für schwangere Frauen wie für Mütter mit Kindern, unabhängig vom geltenden Strafrecht, für dessen Verschärfung ein politischer Konsens nicht gegeben ist.
kath.Net: In Österreich gibt es laut einer im August veröffentlichen Statistik derzeit auf dem Papier noch 5,58 Millionen Katholiken. Im Vergleich zwischen 2008 und 2007 ging diese Zahl erneut überall zurück, nur nicht in der Steiermark. Dort stieg die Zahl von 892.703 auf 893.476. Wie ist das möglich?
Bischof Kapellari: Die kleine Steigerung der Gesamtzahl von Katholiken in der Steiermark hat sich durch die Nacherfassung von bisher nicht karteimäßig bekannten Angehörigen der Kirche ergeben. Die Gesamtsituation der Steiermark betreffend Kirchenstatistik unterscheidet sich aber nicht erheblich von den Trends in anderen Diözesen.
Kath.Net: In der Praxis zeigt sich aber, dass im Gegensatz zu den 67 Prozent, die am Papier katholisch sind, es nur 13 % der Bevölkerung sind, die auch regelmäßig einen Gottesdienst besuchen. Die Gottesdienstbesucher gingen 2008 ja österreichweit noch weit deutlicher zurück als die offizielle Katholikenzahl. Warum ist hier so eine große Diskrepanz?
Bischof Kapellari: Es ist eine traurige Tatsache, dass die regelmäßige Teilnahme am Gottesdienst in fast allen Ländern Europas drastisch gesunken ist. Ein Priesterkandidat aus Korea hat mir kürzlich von einer solchen Tendenz auch in seiner Heimat erzählt. 67 % der Bevölkerung Österreichs sind aber jedenfalls insofern katholisch, als Christus bei der Taufe auf jeden von ihnen die Hand gelegt hat und sie nicht von sich aus zurückzieht. Die unterschiedlich intensive religiöse Praxis dieser Katholiken sollte aber nicht zu rasch zur Diagnose führen, dass die meisten nur am Papier katholisch seien. Bei aller gebotenen Selbstkritik sollten wir das Kleinreden der Kirche eher ihren laizistischen Gegnern überlassen.
Kath.Net: In nicht wenigen Pfarren in Österreich hat man oft das Gefühl, dass sehr viele gemeinschaftsfördernde Aktivititäten stattfinden, gleichzeitig aber das Heiligste in den Hintergrund gedrängt wird, dh. es gibt oft kaum mehr Anbetung und kaum mehr Beichtangebote. Warum ist das so? Ist die Beichte für die Moderne ein aussterbendes Sakrament?
Bischof Kapellari: Es gibt einen solchen Trend, aber man kann Verflachungen am besten überwinden, wenn man die Dimension Tiefe einladend gestaltet, indem man die Türen dazu in pastoraler Liebe offen hält. Generalisierende Anklagen zementieren oft nur den Status quo. Die Beichte kommt, wenn auch leider nur langsam, wieder, dies auch bei jugendlichen Eliten.
Kath.Net Wir stehen derzeit im Priesterjahr, die Kirche gedenkt an den großen Heiligen Pfarrer von Ars? Was kann ein Priester in der heutigen Zeit von Johannes-Maria Vianney mitnehmen und lernen?
Bischof Kapellari: Das Jahr der Priester ist ein prophetischer Impuls des Papstes zur Belebung priesterlicher Spiritualität. Es gibt viele heilige Vorbilder für die Priester. Der Pfarrer von Ars ist ein herausragendes Beispiel für Seelsorge unter schwierigsten Bedingungen, weil er ein heroischer Christ war, ein großer Beter und Anbeter, ein Patron des Bußsakraments und zugleich ein Priester, der auch leibliche Nöte der Menschen mit großem Elan gelindert hat.
Kath.net: In der Schweiz wurde üb er Minarette abgestimmt, eine Mehrheit hat sich für ein Bauverbot ausgesprochen. Von kirchlicher Seite gab es an dieser Abstimmung reichlich Kritik. Warum eigentlich?
Bischof Kapellari: Die Schweizer Abstimmung über Minarette hat ebenso wie das Straßburger Urteil zur Verdrängung von Schulkreuzen eine breite und fällige Diskussion in der ganzen Gesellschaft und auch innerhalb der Kirche ausgelöst. Diese Diskussion ist noch nicht zu Ende. Islamische Mitbürger haben im Rahmen unserer Rechtsordnung ein Recht auf öffentliche Präsenz auch durch Bauwerke. Hinter dem Widerstand gegen Minarette verbirgt sich aber oft die begründete Angst vor einem massiven Kulturbruch auf Grund des raschen Anwachsens der Zahl von nicht integrierten Muslimen in Europa. Über diese Angst sollte man ohne Tabus allseits reden dürfen, weil sonst eine Radikalisierung nicht vermeidbar ist. Selbstverständlich sollten Christen dabei gut argumentieren können und auf alle Polemik verzichten. Das Erstarken des Islam in Europa ist besonders auch eine Frage an die Glaubenskraft der Christen, deren Schwäche ein bedrohliches Vakuum erzeugt.
Kath.Net: Noch einmal zurück zum Thema Abtreibung. In der PRESSE meint der NEO-Generalsekretär der Grünen, Stefan Wallner, jetzt in einem Interview, dass viele kirchlich Engagierte schon jetzt mit den Grünen mitgehen, weil hier die Frage der Menschenrechte das erste Zuhause hat. Gleichzeitig sprechen sich die Grünen für Abtreibung auf Krankenschein und ähnliche lebensfeindliche Einstellungen aus. Wallner behauptet auch, dass sogar die Bischöfe die Fristenregelung nicht in Frage stellen. Was sagen Sie dazu?
Bischof Kapellari: Für die Kirche sind die Menschenrechte nicht teilbar. Sie umfassen ebenso die Rechte der Ungeborenen wie die Rechte der Geborenen und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Daran entscheidet sich auch die Frage, in welchen politischen Parteien die Menschenrechte wirklich aufgehoben sind. Was die sogenannte Fristenregelung betrifft, verweise ich auf meine Antwort zur ersten Frage dieses Interviews.
Kath.Net: Herzlichen Dank für das Interview
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