22. Dezember 2009 in Interview
"Ich halte den Islamismus für den größten Feind des Islam" - Interview mit CSU-Landesgruppenchef Friedrich zu Werten und Symbolen - Von Christoph Strack (KNA)
München (kath.net/KNA)
Die CSU-Landesgruppe im Bundestag hat die Bundesregierung aufgefordert, gegen das Kruzifix-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit vorzugehen. In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) warnte der Landesgruppen-Chef Hans-Peter Friedrich am Montag in Berlin vor
einer Gefährdung der kulturellen Grundlagen.
KNA: Herr Friedrich, was soll es bringen, wenn sich Berlin der Revision Italiens gegen das Straßburger Urteil anschließt?
Friedrich: Bisher hat in der Sache ein Fünfergremium entschieden, die kleine Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Berufung macht es möglich, falsche Entscheidungen zu revidieren. Deshalb hoffen wir, dass Italien das Rechtsmittel nutzt, die große Beschwerdekammer anzurufen. Dann sollte auch Deutschland Flagge zeigen. Denn es beugt Fehlentwicklungen vor, wenn sich Deutschland als Mitgliedsstaat der Konvention positioniert.
KNA: Was wollen Sie mit dem Schritt erreichen?
Friedrich: Viele Christen haben dieses Urteil mit Bestürzung aufgenommen. Es ist inakzeptabel, dass man das Kreuz und damit den christlichen Glauben als störend für die Menschenrechte empfindet. Aus dem Urteil darf kein Generalangriff auf das Kreuz im öffentlichen Raum werden. Diesen Anfängen muss man wehren. Man darf nicht zulassen, dass die Grundlage unserer Identität und Kultur gefährdet wird. Darauf fußen doch auch jene Menschenrechte, auf die sich das Gericht selbst beruft.
KNA: Der Staatskirchenrechtler Wolfgang Rüfner hat von einem Trend der Straßburger Richter zu Säkularismus gesprochen. Prägt das nun die gesellschaftliche Wirklichkeit?
Friedrich: Wir können mitunter einen gegenseitigen Prozess von gesellschaftlicher Entwicklung und Rechtsprechung feststellen. Weniger Menschen bekennen sich offen zum christlichen Glauben und zur christlich-abendländischen Kultur. Das führt dann bedauerlicherweise dazu, dass sich auch bei den Richtern eine
Relativierung dieser Werte und den dafür stehenden Symbolen festsetzt. Dieser Prozess gibt Anlass zur Sorge. Deshalb wird es Zeit, dass sich Christen wieder stärker zu ihren gemeinsamen Werten, zu ihren gemeinsamen Fundamenten und zu den Symbolen bekennen, die unsere christlich-abendländische Kultur prägen.
KNA: Wie soll das konkret aussehen?
Friedrich: Wir müssen diese Diskussion offener führen. Sonst gehen irgendwann unsere Traditionen ganz über Bord, und wir stecken in einem Nichts, in dem nur Unheil droht. Zuletzt gab es ja mehrere Entscheidungen, die Grundfragen tangierten: Die Straßburger Entscheidung zum Schulkreuz, der Karlsruher Spruch zum Sonntagsschutz, auch der Schweizer Volksentscheid zum Minarettbau. Dabei ging es immer um den Rang von Glaube und Kultur in unserer Gesellschaft.
KNA: Fürchten Sie bei dieser Bewusstseinsbildung eine Abgrenzung gegenüber dem Islam, die neue Konflikte bringt?
Friedrich: Wir als Christen müssen keine Angst haben. Deshalb können wir andere Religionen akzeptieren. Das Bewusstwerden der eigenen geistigen Fundamente und Werte bedeutet nicht automatisch Abgrenzung im Sinne von Polarisieren. Es geht auch um die Entdeckung der eigenen Werte und der Gemeinsamkeiten mit anderen Religionen. Um das Verbindende, nicht das Trennende - zwischen den Religionen und Überzeugungsgemeinschaften. Dazu muss man aber doch die eigene
Identität kennen.
KNA: Sind Sie eigentlich gelassen, dass die Bayern mit einer Entscheidung zum Minarettbau anders umgehen würden als die Schweizer?
Friedrich: Als Symbol der Religionsausübung wird man das Minarett akzeptieren, nicht als Symbol eines Machtanspruchs. Die Trennung findet sich im Baurecht, das Gebot des Einfügens ist ein gutes Instrument für die Abgrenzung.
KNA: Und emotional?
Friedrich: Man darf sich da keine Illusionen machen, auch in Deutschland wäre eine solche Volksentscheidung nicht unproblematisch und vielleicht nicht so weit weg vom Schweizer Votum. Das sollte uns beunruhigen. Wir haben in den letzten Jahren ein ganzes Stück Integrationskraft nicht entwickelt, die wir hätten entwickeln müssen.
KNA: Wo sehen Sie nun die größte Notwendigkeit?
Friedrich: Wenn man da früher angesetzt hätte, wäre vielleicht auch so etwas wie ein europäischer Islam entstanden, der sich auch gar nicht so an baulichen Fragen fest gemacht hätte. Darum geht es. Das könnte auch ein Weg für die Zukunft sein: Ein Islam mit einem europäischen Gesicht, der dann nichts mehr mit Islamismus zu tun hätte. Ich halte den Islamismus für den größten Feind des Islam.
KNA: Zur CSU-Programmatik: Wie lebendig sind die Abgeordneten in kirchlicher Soziallehre verankert? Ein Beispiel: Zu Beginn Ihrer Kreuther Klausurtagung am 6. Januar empfangen Sie zwar die Sternsinger. Danach laden sie trotz aller dramatischen Finanz- und Bankenkrisen in Deutschland und Bayern als Referenten nur Politiker und Wirtschaftsexperten - keinen Sozialethiker, keinen anderen Kirchenvertreter.
Friedrich: Es ist ja eine Klausurtagung. Nach außen sieht man nur die offiziellen Gäste. Hinter verschlossenen Türen geht es aber um die politischen Grundlagen, um die Rückbesinnung auf die Soziale Marktwirtschaft und deren ethischen Grundlagen. Intern laufen die Diskussionen darüber, was Staat und Gesellschaft zusammenhält.
KNA: Da liegt die Frage nach dem neuen «Arbeitskreis Engagierter Katholiken» nahe. Herr Goppel sagt, außer ihm zählten in der CSU-Landtagsfraktion noch fünf Abgeordnete dazu. Wie bewerten Sie die Gründung?
Friedrich: Jede Gemeinschaft, die sich zum Ziel setzt, den christlichen Glauben zu bekennen, ist grundsätzlich etwas Positives. Wenn es um das Gemeinsame der Christen geht, spricht nichts dagegen, unabhängig davon, ob eine solche Organisation wirklich auch notwendig ist. Der Katholizismus ist ohnehin eines der konstitutiven Elemente und in der Programmatik verankert. 1952 hat man mit der Gründung des Evangelischen Arbeitskreises den Gedanken der «Union» stärken betonen wollen.
KNA: Sie sind einer der wenigen Protestanten in der Landesgruppe. Welche Rolle spielt es für Sie, dass der Papst aus Bayern kommt?
Friedrich: Mich persönlich haben die beiden letzten Päpste immer schon beeindruckt. Gerade auch der Vorgänger von Benedikt XVI., Johannes Paul II. hat die Verknüpfung von politischer Verantwortung und christlicher Botschaft in herausragender Weise vorgelebt. Die Berufung des bayerischen Papstes war für mich ein sehr glücklicher Tag. Jenseits aller Konfessionen ist der Papst ein Fels in der Brandung in einer Welt, die sich auch mal in Gottlosigkeit verheddert. An dieser Stelle wird das gemeinsame Anliegen von katholischen und protestantischen Christen deutlich, ohne dass man die theologischen Unterschiede leugnen oder verwischen muss.
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