20. Jänner 2010 in Deutschland
Zwei junge Lebensrechtler über das wachsende Interesse ihrer Generation am Lebensschutz, ihre Ziele und Pläne Interview von Oliver Maksan und Stefan Rehder / Die Tagespost.
Würzburg (kath.net/DT) Zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung veranstalteten die Jugendorganisationen der Christdemokraten für das Leben (CDL) und der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) eine Akademie zum Lebensschutz. Über ihre Ziele und Erwartungen sprachen mit Sophia Kuby, Bundesjugendbeauftragte der CDL, und Matthias Lochner, Vorsitzender der Jugend für das Leben, Oliver Maksan und Stefan Rehder.
Sie repräsentieren die Jugendorganisationen zweier Lebensschutzvereinigungen. Stellen Sie in Ihrer Generation eine neue Sensibilität für den Lebensschutz fest?
Kuby: Ja, das tue ich. Ich sehe, dass ein wachsendes Interesse an diesem Politikfeld gibt und zwar bei Menschen mit unterschiedlichen Biographien. Fast jeder der Referenten hat angemerkt, dass eine solche Akademie noch vor zehn Jahren nicht möglich gewesen wäre. Insofern glaube ich tatsächlich, dass das Interesse am Lebensschutz wächst und Jugendliche spüren, dass es eine größere Notwendigkeit gibt, Stellung zu beziehen, wo es um den Schutz beziehungsweise die Bedrohung menschlichen Lebens geht.
Können Sie sich erklären, woher diese neue Sensibilität kommt?
Kuby: Ich denke, hier sind vor allem zwei Punkte ursächlich. Zum einem fällt besonders jungen Menschen auf, dass es etwa auf der Ebene der Gesetzgebung enorme Widersprüche gibt. Wenn ich etwa die ersten beiden Artikel unserer Verfassung lese und dann die gesetzlichen Bestimmungen zur Abtreibung, dann existiert da ein so eklatanter Widerspruch, dass er einem interessierten jungen Menschen einfach auffallen muss.
Oder nehmen Sie das Beispiel Stammzellgesetz: Der Beschluss zur Verschiebung hat deutlich gemacht, dass der Gesetzgeber bereit ist, den absoluten Imperativ unseres Grundgesetzes zur Achtung der Menschenwürde einer Interessenabwägung zu opfern.
Zweitens denke ich, dass unsere Generation auch besonders die Folgen zu spüren bekommt, die manche Regelungen gebracht haben. Beispiel Abtreibung: Abgesehen von den persönlichen Folgen für die betroffene Frau verändert die massenhafte Abtreibung generell unsere Einstellung zum Leben, die Beziehungsfähigkeit von Menschen, das Bild, das wir von Familie haben. Diese Folgen treten heute immer deutlicher zutage.
Lochner: Ich denke, dass die Schlachten, die früher um den Schutz des Lebens gefochten wurden, oft sehr ideologisch aufgeladen waren. Das ist heute anders. Schon deshalb weil heute immer weniger Jugendliche durch bestimmte Milieus geprägt werden. Daher gehen viele Mitglieder unserer Generation recht unbefangen auf das Thema zu und lassen das, was sie vorfinden, auf den gesunden Menschenverstand wirken. Ich finde es schon bemerkenswert, dass es heute Menschen gibt, die eindeutig Agnostiker sind, aber aufgrund des gesunden Menschenverstands dennoch zum selben Ergebnis kommen wie wir.
Aber kommt das nicht eher selten vor?
Kuby: Es sind immer noch mehr Christen, die da sensibel reagieren. Und dann engagieren sich bei uns auch noch mehr Katholiken als Protestanten. Ich würde mir wünschen, dass sich noch mehr evangelische und freikirchliche Christen engagieren. Da gibt es noch ein erhebliches Potenzial. Unsere Organisationen sind überkonfessionell, aber natürlich gehen die Allianzen im Lebensschutz weit über das christliche Umfeld hinaus. Wenn man die politischen Debatten ansieht, dann sind zum Beispiel die Grünen oft unsere besten Verbündeten. Und auch wenn es faktisch noch nicht so ist, dass noch Agnostiker und Atheisten dasselbe Interesse am Lebensschutz haben wie Christen, so bleibt es doch möglich, denn die den Lebensschutz betreffenden Fragen gehen nun einmal weit über die christliche Weltanschauung hinaus, und betreffen alle existenziell.
Welche konkreten Ziele haben Sie sich gesetzt?
Kuby: Zunächst geht es uns auch um die Ausbildung der jungen Menschen. Ich sehe ein großes Potenzial, aber mitunter auch einen Mangel an Input. Auch die nicht ausreichende Vernetzung ist ein Problem. Junge Menschen, die sich engagieren möchten, müssen sich untereinander kennen. Nur dann kann man bei Bedarf schnell reagieren. Außerdem brauchen wir auch eine bessere Integration in bestehende politischen Strukturen. Wir müssen uns auch in der JU oder in der CDU/CSU engagieren, weil ich glaube, dass wir uns nicht beschweren dürfen, dass wir dort nicht oder nur begrenzt gehört werden, wenn wir da nicht auch reingehen und die guten Potenziale nutzen, die da sind, ohne Kritik zu unterlassen, wo sie angebracht ist.
Lochner: Unser erstes Ziel ist natürlich, Leben zu schützen und wo möglich auch zu retten. An zweiter Stelle wollen wir vor allem junge Menschen für den Lebensschutz sensibilisieren und davon überzeugen, dass es ein wichtiges Anliegen ist, für das sich zu streiten lohnt. Das Dritte ist dann, vor allem Aufklärungsarbeit zu leisten.
So macht die Jugend für das Leben zum Beispiel Standarbeit auf Publikumsmessen und Kirchentagen oder geht in Schulklassen. Wir verteilen Infomaterial und klären auf, worum es bei einer Abtreibung geht, welche Folgen sie für die Frau, aber auch für den Vater des Kindes haben kann sowie für die Gesellschaft insgesamt.
Fühlen Sie sich von den Kirchen ausreichend unterstützt in Ihren Anliegen?
Lochner: Meines Erachtens ließe sich hier noch einiges verbessern. Es gibt durchaus explizit besonders in der katholischen Kirche viele Bischöfe, Priester und engagierte Laien, die unser Anliegen absolut teilen und den Lebensschutz als sehr wichtiges Anliegen betrachten. Man würde sich jedoch manchmal wünschen, dass man in Öffentlichkeit auf eine etwas größere Unterstützung trifft und dass es nicht immer nur die gleichen Bischöfe sind, die sich öffentlich zu Wort melden, sondern dass vielleicht auch mal die gesamte deutsche Bischofskonferenz ein deutliches Signal setzt.
In der evangelischen Kirche gibt es einzelne Landesbischöfe, die sich auch stark für den Lebensschutz engagieren. Allerdings hat man, gerade als es um die Verschiebung des Stichtags bei der Stammzellgesetzgebung ging, gesehen, dass auch in der evangelischen Kirche viele nicht unsere Position vertreten, sondern einen Kompromiss eingegangen sind, der vielfach in den eigenen Reihen nicht verstanden wurde. In der katholischen Kirche haben dagegen in dieser Frage fast alle Bischöfe für einen konsequenten Lebensschutz geworben. Daran könnte man in Zukunft anknüpfen.
Vielleicht könnten wir uns ein Beispiel an den USA nehmen, wo Monsignore Reilly damals den Marsch für das Leben ins Leben gerufen hat, an dem mittlerweile auch Bischöfe und andere hochrangige Kirchenvertreter teilnehmen. Es wäre ein tolles Zeichen, wenn auch in Deutschland beim Marsch für das Leben im September in Berlin nicht nur Grußworte von Bischöfen kämen, sondern wenn auch Bischöfe mit uns für das Leben marschierten.
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