22. Februar 2010 in Deutschland
Ein Kommentar des Kirchenrechtlers Dr. Alexander Pytlik zu den Behauptungen der deutschen Theologin Uta Ranke-Heinemann
Eichstätt (kath.net)
Die umstrittene deutsche Theologin Uta Ranke-Heinemann hat in einem aktuellen Interview mit dem "Focus" wieder einmal für Wirbel gesorgt und behauptet, dass Papst Benedikt eines von zwei Geheimschreiben verfasst habe, die jeder Bischof in seinem Tresor liegen habe. Das erste stamme laut Ranke-Heinemann von Kardinal Ottaviani, das zweite stamme von Kardinal Ratzinger aus dem Jahr 2001.
Ein Kommentar des Kirchenrechtler Dr. Alexander Pytlik zu den Behauptungen im Focus-Magazin:
1. Mit Sicherheit haben Seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. und die katholischen Bischöfe Irlands in Rom der Menschheit vor einigen Tagen keine "Komödie vorgespielt". Der Papst selbst hatte bereits 2008 bei seinen Pastoralbesuchen in den USA und in Australien seine höchste Sensibilität betreffend die Opfer innerkirchlichen klerikalen sexuellen Mißbrauchs gezeigt, historische Treffen mit Opfern wahrgenommen und die hohe Verantwortung der einzelnen katholischen Bischöfe herausgestellt. Beide Besuche hatten die Glaubwürdigkeit der Katholischen Kirche und des Nachfolgers des heiligen Petrus weltweit eindeutig gestärkt. Außerdem gab Papst Benedikt XVI. am 15. April 2008 auf dem Weg in die USA das klare Motto aus: "Es ist wichtiger, gute Priester zu haben als viele Priester."
2. So sehr die vertuschende Versetzungspolitik der letzten Jahrzehnte innerhalb von katholischen Bistümern und Ordensgemeinschaften zutiefst kritikwürdig ist, so sehr muß aber bei der Herausstellung angeblicher Ursachen auch Sachlichkeit eingefordert werden. Wenn Frau Dr. Ranke-Heinemann von "zwei Geheimschreiben" spricht, dürften diese römischen Schreiben ja gar nicht bekannt oder gar im Internet abrufbar sein. In Wirklichkeit ist das von Frau Heinemann dem jetzigen Papst in die Schuhe geschobene "Geheimschreiben" (2001) der Seite des Heiligen Stuhles abrufbar:www.vatican.va
Wenn sie dann in kirchenrechtlicher Unkenntnis mit diesem "Geheimschreiben" dem regierenden Papst eine "Mitschuld an diesen Skandalen" unterstellt, hat sie übersehen, daß der Diener Gottes Johannes Paul II. und der damalige Joseph Kardinal Ratzinger in Wirklichkeit durch die zentrale Meldepflicht (unter anderem für Sexualdelikte bei Unter-18-Jährigen) das kirchliche Recht konkret gegen eine diözesane Vertuschung verbesserten und auch die Verjährung erhöhten. Die von Ranke-Heinemann angesprochene "ausschließliche Kompetenz des Vatikans" ist daher in diesem kirchenrechtlichen Kontext zu verstehen und behindert die staatliche Justiz überhaupt nicht.
Diese bösartige Unterstellung kommt aus einer schweren Ebenenverwechslung, die auch übersieht, daß nicht etwaige Geheimgesetze oder das Kirchenrecht als solches an den bisher aufgeflogenen Vertuschungen schuld waren und sind - ganz im Gegenteil - sondern eine bestimmte Kultur des Wegschauens, die gar nicht (nur) durch neue Gesetze geheilt werden könnte. Zum dauernd wiederholten Märchen einer angeblich systematischen Vertuschungsanordnung durch das überholte Dokument "Crimen Sollicitationis" (zum Spezialfall der Verführung gegen das 6. Gebot im Rahmen der Beichte) aus dem Jahre 1962, auf das Ranke-Heinemann absurderweise auch noch hereingefallen ist, hat der Nachrichtendienst kath.net angesichts der damaligen US-Diskussionen bereits vor mehr als 6 Jahren sachlich richtig zusammengefaßt, wie unsinnig und falsch nämlich auf das Dokument selbst bezogene Vertuschungsvorwürfe gegen die Kirche waren und sind: www.kath.net
3. Die im Interview geäußerte persönliche Enttäuschung von Frau Prof. Dr. Ranke-Heinemann zu bewerten, steht mir nicht zu. Ich meine jedoch, daß sie die helfende Stellung des auf das Heil der Seelen und die Gerechtigkeit bezogenen katholischen Kirchenrechtes nicht erkannt hat oder nicht erkennen will.
Aus diesem Grunde empfehle ich ihr an erster Stelle die Lektüre des neu erschienenen Buches "Zerrbilder" (Rheine, 2010) von Markus Zedlitz, der als reales Opfer klerikalen sexuellen Mißbrauchs über die Katholische Kirche selbst in Deutschland zu einem Schadensersatz gelangt ist und der durch seine Geschichte auch aufzeigt, wie oft offenbar sexueller Mißbrauch Minderjähriger leider einen homosexuellen Hintergrund bei den klerikalen Tätern hat und somit nicht eine Liberalisierung, sondern vielmehr die vollständige Beachtung der römischen Instruktion über die Kriterien zur Berufungsklärung von Personen mit homosexuellen Tendenzen im Hinblick auf ihre (Nicht-)Zulassung für das Priesterseminar und zu den heiligen Weihen ( vom 4. November 2005 www.kath.net) mit von zukunftsweisender Bedeutung zur langfristig erfolgreichen Eindämmung weiterer Mißbrauchsfälle in der ganzen Kirche sein wird.
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