Vada boum suo tempore transibunt in Hiberniam

29. Mai 2010 in Buchtipp


Jeden Samstag im Mai auf kath.net: Exklusive Leseproben von "Apologia pro vita sua" von John Henry Kardinal Newman.


Flums (www.kath.net)
Anerkennungsschreiben vom Bischof der Diözese Birmingham, Dr. Ullathor„Bischöfliche Residenz, den 2. Juni 1864.

Mein lieber Dr. Newman!

Mit großer Freude habe ich gestern nach Schluss der Synode die vom Klerus der Diözese an Sie gerichtete Adresse und ebenso Ihre eindrucksvolle Erwiderung angehört. Doch hätte ich mich mit der Rolle des schweigenden Zuhörers nicht leicht abgefunden, wenn ich dies nicht so aufgefasst hätte, dass ich Ihnen auch nachher noch meine eigenen Gefühle auf meine Art ausdrücken könnte.

Wir kennen uns nun seit neunzehn Jahren persönlich und dies ist weit mehr als eine persönliche Bekanntschaft. Seit mehr als sechzehn Jahren stehen wir in einem besonderen gegenseitigen Pflichtverhältnis zueinander. Das war eine der außerordentlichen Gnaden, die mir Gott für die Betreuung meines bischöflichen Amtes verlieh. Meine Gefühle der Hochschätzung, des Vertrauens und der Liebe, die ich Ihnen entgegenbringe, sind Ihnen wohlbekannt, ich könnte sie auch nicht in Worten ausdrücken. Eines aber ist mir in diesen Tagen der Aussprache klar geworden, was Sie weder tun könnten noch möchten und was niemand in so geeigneter und authentischer Weise tun könnte wie ich. Es scheint mir beinahe eine Pflicht zu sein, dass jede Spur eines falschen Eindrucks, den manche Personen aufgrund einer bloße Mutmaßung ohne jeden Beweis bekommen haben, beseitigt werden soll.

Es ist schwer zu verstehen, wie angesichts der Tatsachen die Ansicht je aufkommen konnte, Sie hätten sich als Katholik mehr mit Ihren eigenen Gedanken als mit dem religiösen Dienst und dem Wirken für die Kirche beschäftigt. Wenn wir nichts anderes berücksichtigen als die schriftlichen Werke, die Ihre katholische Feder der Welt geschenkt hat, so sind diese schon genug für das Lebenswerk eines Menschen. Es sind die Lectures on Catholicism in England („Vorlesungen über den Katholizismus in England“), das große Werk On the Scope and End of University Education („Über Zweck und Ziel der Universitätserziehung“),das Werk On the Office and Work of Universities („Über die Bestimmung und Aufgabe der Universitäten“), Lectures and Essays on University Subjects („Die Vorlesungen und Untersuchungen über Universitätsfragen“) und zwei Bände Predigten, ganz zu schweigen von Ihren Beiträgen für den Atlantis, den Sie gegründet haben, und andere Zeitschriften.

Zu erwähnen sind jene schönen Bereicherungen der katholischen Literatur, Lectures on the Turcs, Loss and Gain and Callista („Vorlesungen über die Türken“, „Verlust und Gewinn“ und „Kallista“) und zu guter Letzt die Apologia, die dazu bestimmt ist, viele müßige Gerüchte und viele nutzlose Vermutungen zum Erliegen zu bringen. Und doch stellen alle diese Werke nur einen Teil Ihrer Arbeit dar und alles dies in der zweiten Hälfte Ihres öffentlichen Lebens.

Diese Werke wurden geschrieben neben anderen Arbeiten und Aufgaben, von denen die Welt sehr wenig weiß. Ich werde auf vier dieser Unternehmungen eingehen. Jede hat ihren bestimmten Charakter und jede einzelne hätte genügt, Ihnen den Ruhm unermüdlicher Tätigkeit auf praktischem Gebiet zu sichern.

Die erste Unternehmung war die Gründung der Kongregation der Oratorianer des hl. Philipp Neri – diese große Zierde und Errungenschaft für den Einfluss des englischen Katholizismus. Das Oratorium in London und das in Birmingham schauen auf Sie als Stifter und Begründer, dem sie ihre charakteristischen Vorzüge verdanken. Das Oratorium in Birmingham hatte überhaupt nie eine andere Leitung.

Kaum war dieses Werk im Entstehen, da wurden Sie von der höchsten Autorität schon dazu berufen, ein anderes in Angriff zu nehmen, und zwar eines von noch größerer Bedeutung und Schwierigkeit, die Gründung einer Universität in Irland. Nachdem die Universitäten für die Katholiken dieser Königreiche vor dreihundert Jahren verloren gegangen waren, musste alles neu begonnen werden. Man musste das Konzept für eine solche Einrichtung aufstellen, den Plan, den man zur Ausführung bringen wollte, ausarbeiten, die Geldmittel beschaffen und den Stab von Rektoren und Professoren zusammenbringen. Ihr Name war die Hauptanziehungskraft, welche diese Grundbedingungen sicherstellte. Sie allein wissen, welche Schwierigkeiten Sie auszugleichen und zu überwinden hatten, ehe das Werk den Stand an Festigkeit und Entwicklungsmöglichkeit erreichte, der es möglich machte, dass Sie sich wieder den Aufgaben in England zuwandten, die Sie nie niedergelegt oder aufgegeben hatten. Entschuldigen Sie, wenn ich hier eine Vorstellung, die mir durch den Sinn ging, ausspreche.

Vor Kurzem las ich ein Gedicht, das aus den Handschriften De Rerum Natura von Neckham, dem Pflegebruder von Richard Löwenherz, veröffentlicht wurde. Er zitiert eine alte Weissagung, die Merlin (Zauberer in den altenglischen Sagen, Anm. d. d. Übers.) zugeschrieben wurde, und erinnert gleichsam mit Verwunderung daran, dass England einen großen Teil seiner literarischen Gelehrsamkeit Irland verdanke. Nach dieser Weissagung wird Oxford nach langen Jahren nach Irland übergehen. ‚Vada boum suo tempore transibunt in Hiberniam.’ Als ich dies las, überließ ich mich der angenehmen Vorstellung, dass vielleicht einmal, wenn die Universität von Dublin in irdischem Glanz erstehen wird, ein Hinweis auf diese Weissagung das poetische Motiv für die Sockelinschrift an einer Statue sein würde, erstellt zum Gedenken an den ersten Rektor.

Der ursprüngliche Plan eines Oratoriums sah keine Seelsorgetätigkeit voraus, aber Sie konnten die große Anzahl der Seelen, welche einen Hirten benötigten, nicht betrachten, ohne dem Wink der Autorität unverzüglich und bereitwillig zu folgen und alle Ihre Kräfte zur Hilfe aufzubieten. Dies führt mich zu der dritten und andauerndsten Art der Unternehmungen, auf die ich hinwies, die Mission in der Alcester Street. Deren Kirche und Schulen waren das erste Werk des Oratoriums von Birmingham.

Nach mehreren Jahren stiller und harter Arbeit und einer beträchtlichen Inanspruchnahme der Privatmittel der Patres, welche diese Gemeinde gegründet hatten, wurde sie anderen überlassen, und die Patres siedelten in den Bezirk von Edgbaston über, wo bis zu dieser Zeit nichts Katholisches bekannt war. Hier erstand unter ihrer Leitung das große Oratorianerkloster. Die Kirche wurde allmählich zu ihrer jetzigen Größe ausgebaut und eine große Gemeinde sammelte sich um sie und wuchs heran. Armenschulen und andere fromme Stiftungen wurden in Verbindung mit dieser Kirche gegründet. Überdies unterstützte das Oratorium auf Ihre eigenen und Ihrer Brüder Kosten und, wie ich Grund habe anzunehmen, mit vielen Opfern die ganze Zeit hindurch den anderen Klerus von Birmingham durch beständige Seelsorgetätigkeit im Armenhaus und im Gefängnis von Birmingham.

Aus neuerer Zeit ist die Mission und Armenschule in Smethwick zu erwähnen, die ihr Entstehen dem Oratorium verdanken. Zudem hat sich der Gründer und Vater dieser religiösen Werke neben seinen anderen Obliegenheiten noch sehr oft bereitwillig zum Predigen, zur Aushilfe im Beichtstuhl und anderen Seelsorgepflichten zur Verfügung gestellt.

Ich habe heute den eben veröffentlichten siebten (fünften) Teil der Apologia gelesen. Die in ihm enthaltene berührende Erwähnung der Hingabe des katholischen Klerus an die Armen in Zeiten ansteckender Krankheiten erinnert mich an eine Tatsache, als in Bilston die Cholera so furchtbar wütete und die beiden Priester der Stadt der Zahl der Kranken, zu denen sie Tag und Nacht gerufen wurden, nicht mehr gewachsen waren. Damals bat ich Sie, mir zwei Patres zu überlassen als Ersatz für andere Priester, die ich zur Unterstützung senden wollte. Aber Sie und Pater St. John zogen es vor, den gefährlichen Posten, für den ich andere ausersehen hatte, selbst zu übernehmen, und Sie blieben in Bilston, bis das Schlimmste vorbei war.

Die vierte Unternehmung, die ich erwähnen möchte, ist weitgehend bekannt. Ich meine die bildende Schule für höhere Stände, die Sie auf Wunsch vieler Freunde gegründet und dem Oratorium angegliedert haben. Sicher wird niemand mehr zu sagen wagen, nachdem er diese knappe Aufzählung der vollbrachten Werke gelesen hat, Dr. Newman führe ein verhältnismäßig untätiges Leben im Dienst der Kirche.

Mein lieber Dr. Newman, um die Gefühle zu schonen, für deren Ausdruck ich mir ohnehin schon eine sehr große Freiheit nahm, möchte ich nur noch ein Wort zu meiner eigenen Genugtuung beifügen. Während unseres langen Umgangs gab es nur einen Punkt, bei dem ich aufgrund der ersten Erfahrung meine Worte vorsichtig abwägen musste, und das war der Fall bei aufkommenden Fragen mit dem Bezug auf kirchliche Pflichten. Ich fand, dass etwas Vorsicht notwendig war, weil Sie jederzeit so rasch und bereitwillig meine nur im Geringsten angedeuteten Wünsche oder Bitten erfüllten und übertrafen.

Möge Gott Sie mit Gesundheit, langem Leben und allen geistlichen Gütern, die Sie wünschen, segnen, Sie und Ihre Brüder des Oratoriums, dies, mein lieber Dr. Newman, ist jetzt und immer mein inständiges Gebet.

Ihr ergebener Freund und treuer Diener in Christus
† W. B. Ullathorne”


APOLOGIA PRO VITA SUA
Geschichte meiner religiösen Überzeugungen
John Henry Kardinal Newman
13,5 x 20,5 cm, gebunden, 448 Seiten
Euro 25,60
Mit einem Beitrag von Joseph Kardinal Ratzinger, Papst Benedikt XVI


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