16. Juni 2010 in Interview
Alle, die sich an der Rufmordkampagne beteiligt haben, sollten anfangen, sich zu schämen - Kath.Net-Interview mit dem katholische Publizisten Martin Lohmann zu den jüngsten Entwicklungen rund um Walter Mixa.
Bonn (kath.net)
Kath.Net: Herr Lohmann, Sie gelten als jemand, der gerne katholisch ist. Wie kommt der Streit unter Bischöfen bei Ihnen an? Haben Sie Verständnis dafür, dass der Fall Mixa immer weitere Kreise zieht?
Lohmann: Mir scheint, die Akte Mixa ist nicht nur eine Akte Mixa. Gerade wenn man gerne katholisch ist, schmerzt es, wenn jetzt öffentlich dreckige Wäsche gewaschen wird. Was da unter Mitrenträgern abgeht, ist zum Teil abenteuerlich und bisweilen unterirdisch. Dagegen wirken manche Geschichten aus dem angeblich so finsteren Mittelalter ja fast schon wie nettes Geplänkel. Man reibt sich die Augen und kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es da um Macht, Eitelkeiten und Animositäten ging und geht.
Besteht unter dem Eindruck der aktuellen Missbrauchsdebatte die Gefahr, dass die Kirche in Verdachtsfällen überreagiert oder Verdachtsfälle sogar instrumentalisiert?
Lohmann: In der Kirche - und hoffentlich nicht nur dort - hat man in den vergangenen Monaten aufgrund schmerzlicher Erfahrungen viel lernen müssen und viel gelernt. Es darf nichts verharmlost oder vertuscht werden. Es geht um Aufklärung und Prävention. Krankes muss auch krank genannt werden, Sünde muss als Sünde gesehen werden.
Zusammenhänge zwischen Pädophilie, Päderastentum, Homosexualität und Schamlosigkeit dürfen nicht länger verschwiegen werden. Wir müssen unterscheiden zwischen Missbrauch und Missbrauch. Ohrfeigen sind etwas anderes als sexueller Missbrauch, was der Papst zurecht ein abscheuliches Verbrechen nennt. Und wir sollten nicht so tun, als betreffe die Missbrauchsdebatte allein die Kirche. Denn wir wissen längst, dass hier ein gesamtgesellschaftliches Phänomen vorliegt. Es fehlt eine Kultur der Scham, des Respekt und der Ehrfurcht. Überall.
Zugleich darf es keine hysterische Überreaktion geben und alleine ein Verdacht zur Verurteilung führen. Mir scheint, manche lenken von eigenen Problemen ab, wenn es zu Überreaktionen gegenüber Dritten kommt. Und dann werden sogar Bischöfe einfach mal so auf dem medialen Scheiterhaufen geopfert.
War Letzteres bei Bischof Mixa der Fall? Hat man die Debatte um sexuellen Missbrauch instrumentalisiert, um Bischof Mixa zu diskreditieren?
Lohmann: Es sieht wohl danach aus. Jedenfalls kann man es wohl nicht mehr ausschließen. Der gegen ihn zu einem Zeitpunkt, als er schon öffentlich angeschlagen war, gerichtete Vorwurf des sexuellen Missbrauchs erwies sich als null und nichtig. Aber er schien ja so wunderbar zu passen. Warum? Weil Bischof Walter Mixa allein schon wegen seiner klaren Haltung zum Lebensschutz und seinem Widerstand gegen die Gender-Ideologie auch in der Bischofskonferenz nicht nur Freunde hat. Mixa war und ist unbequem. Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs war wohl nichts als eine böse Verleumdung. Jetzt wird offenbar, dass da jemand richtig zerstört werden sollte. Man nennt das Rufmord, oder?
Kath.Net: Jetzt geht es ja weiter. Erzbischof Marx lässt durch seinen Sprecher als Reaktion auf ein Interview von Bischof Mixa, in dem dieser sich auch kritisch gegenüber seinen bischöflichen Mitbrüdern äußert, verbreiten, Mixa habe sich in einer psychiatrischen Klinik aufgehalten. Wie finden Sie das?
Lohmann: Nicht nur ich bin entsetzt. Solche Genesungswünsche sind echt unterirdisch. Man kann nur hoffen, dass das ein unbedachter und sehr unqualifizierter Ausrutscher war. Oder soll der ohnehin schon sehr Beschädigte nun völlig desavouiert werden? Diese Schlammschlachten sind weder christlich noch entsprechen sie dem Niveau, das man von Bischöfen wohl erwarten darf. Cui bono? Wem nützt das alles? Der Satan wird sich ins Fäustchen lachen, wenn er sieht, wie er alles zum Schaden der Kirche durcheinanderbringt. Eines ist sicher: Diese Eitelkeiten nützen niemandem. Sie schaden der Kirche und ihrer Glaubwürdigkeit - und damit der Frohen Botschaft von Frieden, Erlösung, Liebe und Verzeihung, die ihr von Gott anvertraut ist. Das, was jetzt abgeht, ist nicht gut.
Kath.Net: Wer hat denn alles Fehler gemacht?
Lohmann: Alle, die sich an der Rufmordkampagne beteiligt haben. Sie sollten anfangen, sich zu schämen. Manche, die den Rücktritt des Bischofs sofort im Sinne einer ach so notwendigen Gerechtigkeit gegenüber den Medien sofort begrüßt haben, haben wohl auch einiges neu zu bedenken. Mixa hat sich wohl - so sieht es heute aus - von manchen Würdenträgern verrückt machen lassen. Auch das wird ein Fehler gewesen sein. Falsch war, dass er selbst nicht von Anfang an zu seinen vor einigen Jahrzehnten leider noch in der Erziehung üblichen Watschen gestanden hat, den Eindruck der Lüge zuließ und sich nicht sofort in aller Form für sein Fehlverhalten entschuldigte. Aber der richtige Skandal könnte erst noch kommen, wenn sich jene Befürchtungen bewahrheiten sollten, die von einem bösen Vorführen des Augsburger Bischofs ausgehen. Hoffentlich bleibt uns dieser Skandal erspart. Aber: Hier muss alles auf den Tisch, ungeachtet der Amtswürde jener, die möglicherweise schwere Fehler gemacht haben. Dem Diabolos, dem Durcheinanderwerfer, sollten keine weiteren Treffer erlaubt werden.
Kath.Net: Müsste sich jemand bei Bischof Mixa für den Umgang mit ihm entschuldigen, etwa dafür, dass der schlimme Verdacht des sexuellen Missbrauchs geradezu ungeprüft vorschnell in der Öffentlichkeit landete? Wer?
Lohmann: Die betreffenden Personen werden es sicher wissen. Und sie sollten gegebenenfalls rasch um Verzeihung bitten, was man als Christ können muss. Schließlich wissen wir, dass es Sünden gibt, also auch Sünder - und die Vergebung. Übrigens: Als Christ muss man auch verzeihen können, selbst wenn das schwer fallen sollte.
Kath.Net: Und im Blick auf das Opfer? Muss sich jemand beim angeblichen Opfer entschuldigen, das erst nach Veröffentlichung der Anschuldigungen überhaupt von der Geschichte erfuhr? Wer?
Lohmann: Vielleicht jene, die das vermeintliche Opfer durch ihre Falschmeldung in die Öffentlichkeit gezerrt haben und zum Opfer machten.
Kath.Net: Sollte Walter Mixa ein neues Amt in der Kirche erhalten?
Lohmann: Walter Mixa ist nach wie vor geweihter Bischof der römisch-katholischen Kirche. Wenn sich herausstellt, dass man Bischof Walter Mixa böses Unrecht getan hat und er zu Unrecht unter Druck gesetzt wurde, seinen Rücktritt beim Papst einzureichen, dann gäbe es nur eine verständliche und richtige Reaktion: Der Papst ernennt ihn wieder zum Bischof von Augsburg. Wenn das wirklich nicht gehen sollte, weil dort - von wem auch immer - zu viel Erde verbrannt wurde, dann gibt es sicher eine gute Aufgabe in Rom.
Wichtig ist: Es muss Gerechtigkeit geben und Umkehr. Und es muss weiterer Schaden von der Kirche abgewendet werden. Das wünschen sich viele!
Kath.Net: Wir sehen, auch Bischöfe sind nur Menschen. Fehlerhafte Menschen. Das ist doch auch tröstlich, oder?
Lohmann: Ja, gewiss. Aber es gehört nicht zu den bischöflichen Pflichten, dies auf diese Weise zu zeigen. Sie sollen die Herde einen, nicht aber spalten. Viele wünschen sich und erwarten, dass Bischöfe Vorbilder sind im Anstand, im Realismus, im Bekenntnis und in der Vergebung, aber auch im Umgang mit Fehlern und Schuld, vor allem aber im Umgang miteinander. Bischöfe sind nicht dazu da, der Kirche Jesu Christi zu schaden. Im Moment würde wohl kaum jemand auf die Idee kommen und bei Marx, Mixa und Losinger ausrufen: Seht, wie sie einander lieben.
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