Freimaurer contra Kirche?

7. Juli 2010 in Aktuelles


Belgiens Sommerkrimi wird täglich um neue Kapitel bereichert. Die Missbrauchsopfer bleiben dabei allerdings auf der Strecke. Von Christoph Lennert (KNA)


Brüssel (Kath.net/KNA)
Der Name «Dutroux» genügt in Belgien noch immer, um die Emotionen zu schüren. Der Fall des Mörders und Kinderschänders Marc Dutroux, der 2004 zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hatte das Land Ende der 90er Jahre zutiefst erschüttert. Grund waren nicht nur die Grausamkeiten, die Dutroux und seine Mittäter begingen, sondern auch die Justizversäumnisse und -irrtümer während der Aufklärung. Noch immer glauben einige an ein Netzwerk von Kinderschändern, in das höchste Kreise verstrickt gewesen sein sollen - auch wenn eine parlamentarische Untersuchungskommission dafür keine Belege fand.

Nun wird der Name «Dutroux» auch mit der belgischen Kirche in Verbindung gebracht. Angeblich haben die Ermittler bei der umstrittenen Durchsuchung am Sitz des Erzbistums Mechelen-Brüssel Ende Juni vertrauliche Auszüge aus den Dutroux-Akten gefunden. Woher diese Information stammt, ließen die Medien offen. Der Sprecher der Bischofskonferenz, Eric de Beukelaer, rief denn auch zu großer Vorsicht ob ihres Wahrheitsgehaltes auf.

In der Tat: Wollte man in Belgien einer Person oder Institution gleich welcher Couleur schaden - eine Verbindung zum Dutroux-Dossier herzustellen wäre die einfachste Methode. Ob hier interessierte Kreise eine Falschinformation lancierten, wird sich herausstellen. Sollte es aber tatsächlich vertrauliche Dutroux-Dokumente der Justiz im Erzbischöflichen Palais gegeben haben, müssen die Verantwortlichen der Kirche klären, was sie dort zu suchen hatten. Wenn es sie gab, dürfte der ehemalige Hausherr, Kardinal Godfried Danneels (77), den Behörden dazu schon etwas gesagt haben.

Denn Danneels wurde am Dienstag von der Brüsseler Staatsanwaltschaft verhört. In den vergangenen Tagen waren gegen ihn, der in den Medien über Jahre als Repräsentant einer modernen Kirche bejubelt worden war, mehrfach Vorwürfe laut geworden. Immer häufiger werden Stimmen zitiert, die ihm vorwerfen, Missbrauchsvorwürfen gegen Geistliche nicht ausreichend gründlich nachgegangen zu sein. In der Zeitung «De Standaard» nahm der Rechtsanwalt und Friedensrichter Paul Quirynen Danneels und die Bischöfe am Dienstag in Schutz: Die Bischöfe würden an den Pranger gestellt für Sachverhalte, die schändlich blieben, aber juristisch gesprochen schon längst verjährt seien.

Ein Rätsel immerhin ist angeblich gelöst: Ebenfalls «De Standaard» glaubt zu wissen, warum Ende Juni auch die Gräber von Kardinälen in der Mechelner Kathedrale aufgebohrt wurden: Die frühere Vorsitzende der Missbrauchs-Untersuchungskommission habe gegenüber der Staatsanwaltschaft behauptet, Danneels habe in der Krypta geheime Dossiers versteckt. Gefunden worden sei aber nichts.

Immer größer wird für Beobachter der Verdacht, die Affäre um real existierende Missbrauchsfälle in der belgischen Kirche könne zu einem Streit zwischen weltanschaulichen Richtungen werden. Der Jurist Walter Van Steenbrugge: «Das sieht mehr und mehr nach einem Krieg zwischen der Loge und der Kirche aus.» Ein Indiz ist für ihn, dass die belgische Generalstaatsanwaltschaft - die der Kirche nahestehe - ungewöhnlich schnell Ermittlungen eingeleitet habe, um die Rechtmäßigkeit der Razzia der Brüsseler Staatsanwaltschaft zu untersuchen. Die nämlich stehe den Freimaurern nahe.

Die Ermittlungen der Brüsseler Staatsanwaltschaft können zwar vorläufig weitergehen. Doch gleichzeitig prüft die Generalstaatsanwaltschaft, ob die umstrittenen Durchsuchungen -
Codename: «Operation Kelch» - überhaupt rechtens waren. Wenn nicht, könnten die Beschlagnahmen für nichtig erklärt werden. Darüber werde ein Gericht womöglich noch in diesem Monat urteilen, heißt es in belgischen Medien.

Leidtragende sind in den Augen von Anwalt Quirynen und Jurist Van Steenbrugge angesichts solcher Querelen die Missbrauchsopfer. Sie gerieten nun erneut aus dem Blickfeld, warnt Quirynen. «Es geht schon lange nicht mehr um die Opfer», ist Van Steenbrugge sogar sicher.

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