Was nun, CDU?

14. Juli 2010 in Interview


Ich trete sehr dafür ein, dass wir als Christen hier nicht zurückweichen - Interview mit dem hessischen CDU-Politiker und Christen Christean Wagner


München (kath.net/idea)
Keine Partei außer der FDP wird derzeit so sehr kritisiert wie die CDU. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens: Es ist unklar, wofür die Partei heute steht. Generalsekretär Hermann Gröhe gibt die traditionelle Sichtweise wieder: Die CDU verbinde konservative, liberale und christlich-soziale Vorstellungen. Gleichzeitig erklärt der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, Thomas Rachel: „Das C in der CDU steht für christlich, nicht für konservativ.“ Zu dieser Verunsicherung kommt zweitens die Verärgerung über Maßnahmen und das Erscheinungsbild der Bundesregierung, so dass die Union bei einer Umfrage vom 7. Juli nur noch auf 31 Prozent gekommen ist.

Dazu ein Gespräch mit einem engagierten evangelischen Christen und konservativen Politiker, Christean Wagner (Wiesbaden), Vorsitzender der CDU-Fraktion im hessischen Landtag, zuvor auch Kultus- und Justizminister. Mit dem gebürtigen Königsberger und Vater von vier Kindern sprach Helmut Matthies.

idea: Spitzenpolitiker, die sowohl als Christen als auch als konservativ bekannt sind, sind in der CDU nicht mehr im Amt – obwohl sie noch relativ jung sind wie Friedrich Merz (54) oder der demnächst ausscheidende Roland Koch (52). Sie, Herr Wagner, gehören zusammen mit dem CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder noch zu den Ausnahmen im Amt. Stirbt dieser Flügel bald aus?

Wagner: Ich kämpfe mit allen meinen Möglichkeiten dafür, dass die Konservativen und besonders auch die Christen in der CDU/CSU wieder stärker werden. Ich möchte, dass die Union hier ein wesentlich eindeutigeres Profil gewinnt. Auf beiden Seiten hat sie in sträflicher Weise ihre treuesten der treuen Anhänger vernachlässigt, und entsprechend schlecht ist die Stimmung bei den Stammwählern.

idea: Es wird zwar immer behauptet, der konservativ-christliche Flügel sei auch wichtig, aber ein Repräsentant wie der langjährige brandenburgische CDU-Vorsitzende Jörg Schönbohm soll auf Betreiben der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel zugunsten von Andersdenkenden aus dem CDU-Präsidium abgewählt worden sein ...

Wagner: Ich bin vorwärtsgewandt, stehe für christliche und mit ihnen vereinbare konservative Werte und denke, dass genau dann, wenn wir sie wieder betonen, die CDU auch nicht nur Profil, sondern auch wieder mehr Wähler gewinnt.

idea: Was ist für Sie konservativ und was christlich?

Wagner: Es gibt Konservative, die keine Christen sind, und Christen, die sich nie als konservativ bezeichnen würden, weil sie den Begriff mit „verstaubt“ und „veraltet“ gleichsetzen, was er für mich eben ausdrücklich nicht bedeutet. Zum Konservativsein gehören im Übrigen auch Tugenden wie Zuverlässigkeit, Opferbereitschaft und Vaterlandsliebe. Auch sie gilt es zu fördern. Ich bewundere an den USA, wie sich dort beim Nationalen Gebetsfrühstück in Washington zu Beginn jedes Jahres - an denen ich bereits teilnehmen konnte - ganz selbstverständlich Spitzenpolitiker zu ihrem christlichen Glauben bekennen. Davon wünsche ich mir mehr in Deutschland.

idea: Sie haben ja als Protestant immer wieder Vorstöße unternommen, das Christliche in unserer Gesellschaft zu betonen, und haben dann ausgerechnet bei der evangelischen Kirche – der hessen-nassauischen – Probleme bekommen. So schlugen Sie vor, mehr Kreuze aufzuhängen. Und ausgerechnet kirchliche Schulen waren dagegen.

Wagner: Aber ich habe Hoffnung, dass der seit eineinhalb Jahren amtierende neue hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung eine andere Linie fährt.

idea: Islamische Repräsentanten fordern einen eigenen Feiertag in Deutschland. In kirchlichen Kindertagesstätten nimmt man immer mehr Rücksicht auf muslimische Kinder, verzichtet beispielsweise auf Schweinefleisch und ein bewusst christliches Zeugnis. Biedern wir uns dem Islam immer mehr an?

Wagner: Ich trete sehr dafür ein, dass wir als Christen hier nicht zurückweichen. Jeder darf selbstverständlich seinen Glauben ausüben, aber wer hier dauerhaft leben will, muss respektieren, dass unsere Gesellschaft mehrheitlich christlich geprägt ist. Und es ist mir unbegreiflich, dass Kindertagesstätten auf christliche Weihnachtslieder verzichten – nur aus Rücksicht auf muslimische Kinder. Die Muslime haben in Deutschland völlige Freiheit – ganz im Gegensatz zu den Christen in den Ländern, aus denen sie herkommen. Da wünschte ich mir im Übrigen von den Islam-Verbänden in Deutschland, dass sie sich einmal in ihren Herkunftsländern für Toleranz gegenüber Christen einsetzen.

idea: Was sollten Muslime in Deutschland respektieren?

Wagner: Sie müssen sich klar zu den Werten bekennen, die das Grundgesetz festgeschrieben hat, und dazu gehört vor allem die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und das Beherrschen der deutschen Sprache. Darauf sollten wir bei jedem bestehen, der in unserem Land bleiben will.

idea: In vielen Staaten ist es ganz selbstverständlich, dass man sagt: „Ich bin stolz darauf“, Amerikaner, Türke oder Franzose zu sein. Wann darf man sagen: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“?

Wagner: Das darf man längst ohne Probleme! Und es wird ja auch zunehmend getan, wenn ich an den fröhlichen Patriotismus nach den gewonnenen Spielen der deutschen Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft denke.

idea: Das sieht man allerdings in kirchlichen Kreisen anders, wo es nur eine Bundesarbeitsgemeinschaft „Kirche für Demokratie – gegen Rechtsextremismus“ gibt – nicht aber auch gegen Linksextremismus.

Wagner: Das ist in der Tat einseitig. Ein Demokrat sollte weder mit Rechts- noch mit Linksradikalen zusammenarbeiten. In Hessen haben wir in der CDU-Landtagsfraktion unter meiner Führung klar jede Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen, deren Vertreter sich ja zum größten Teil auch als Kommunisten bezeichnen. Es darf in Deutschland keine Gemeinsamkeiten mit Feinden unserer Demokratie geben, heißen sie nun Linkspartei oder beispielsweise NPD.

idea: Auch die CDU sorgt für einen starken Ausbau von Kinderkrippen und fördert damit die volle Erwerbstätigkeit beider Eltern. Hat die Union die bürgerliche Familie zugunsten einer staatlich kollektiven Kinderversorgung abgeschrieben?

Wagner: Ausdrücklich nicht! Eine Frau, die sich aus Gründen des Wohles ihrer Kinder entscheidet, ganz für sie da zu sein, ihnen Nestwärme zu vermitteln, hat unseren hohen Respekt.

idea: Dann hätte man ja nun eigentlich in einer von der CDU/CSU geführten Bundesregierung nicht das Elterngeld kürzen dürfen ...

Wagner: Von allen notwendigen Kürzungen tut mir das in besonderer Weise weh. Und das sollte, wenn es uns wieder besser geht, als Erstes rückgängig gemacht werden. Ebenso halte ich es für hoch gefährlich, die Bundeswehr so massiv zu reduzieren wie geplant. Zur Politikfähigkeit eines Staates gehört eben auch seine Verteidigungsfähigkeit. Auch das zählt zur Sorge für die Zukunft.

idea: Danke für das Gespräch.

Foto: (c) www.christean-wagner.de


© 2010 www.kath.net