Streitbarer Hirte

21. Juli 2010 in Deutschland


Vor zehn Jahren starb in Fulda Erzbischof Johannes Dyba - Von Helmut S. Ruppert (KNA)


Fulda (kath.net/KNA)
Der riesige Raum des Gotteshauses war bis zum Rand gefüllt; selbst draußen auf dem Domplatz drängten sich noch Tausende. So mancher der Trauergäste wischte sich vor zehn Jahren verstohlen eine Träne aus den Augen, als der Sarkophag des Fuldaer Erzbischofs Johannes Dyba in der Johanneskapelle des Doms beigesetzt wurde. Kirche, Staat und Vatikandiplomatie nahmen Abschied von einer der prägnantesten Persönlichkeiten des deutschen Katholizismus. Bei der Nachricht vom völlig unerwarteten Herztod des Oberhirten am 23. Juli 2000 fühlten auch viele, die dem Konservativen kritisch gegenübergestanden hatten, dass mit dem 70-Jährigen eine wichtige Stimme des deutschen Katholizismus verstummt war.

Johannes Dyba - ein Lebenslauf, bewegt wie die deutsche Geschichte. Geboren 1929 im Berliner Wedding, Kindheit auf dem Kiez, Hitler-Diktatur, Abitur im Eichsfeld, der katholischen Insel des Luther-Landes Thüringen, Nachkriegserfahrungen mit den «rotlackierten Nazis», den Kommunisten, Flucht in den Westen, Jurastudium in Bamberg. Dort Verbindungsstudent, Wahlkämpfer für die CSU, Gaststudent in den USA und nach Rückkehr Staatsexamen und Jura-Promotion in Heidelberg: eine Musterkarriere, ohne Frage. Doch es sollte ganz anders kommen.

Im Sommer 1953 bat Dyba um Aufnahme im Priesterseminar des Erzbistums Köln, in dessen Dom ihm sechs Jahre später Kardinal Frings die Weihe erteilte. Nur kurz war allerdings sein Einsatz als Priester vor Ort: Frings stellte den hoch qualifizierten Juristen wie Theologen frei für den Dienst in der Kirchenleitung in Rom.

Doch auch dort blieb Dyba nur kurz. Papst Paul VI. wies dem Prälaten aus Deutschland neue Aufgaben im diplomatischen Auslandsdienst des Heiligen Stuhls zu: Argentinien, Niederlande, Kongo, Ägypten, Guinea und Sierra Leone waren die Stationen Dybas, dem sein «Dienstvorgesetzter», Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli, inzwischen die Bischofsweihe erteilt und den für Nuntien üblichen persönlichen Titel «Erzbischof» verliehen hatte.

Gerade in Afrika waren die 1960er und -70er Jahre eine wilde Zeit, in der sich Dyba einmal Rebellen als Austauschgeisel anbot und dadurch Menschenleben rettete. Es überraschte ihn dann sehr, dass auch die diplomatische Karriere nicht lange währte. Das Domkapitel von Fulda wählte ihn zum Nachfolger von Bischof Eduard Schick - ein Amt, das er ebenso wie das zusätzlich übernommene des Militärbischofs der Bundeswehr bis zu seinem Tod bekleidete.

In Deutschland stieß Dyba nach seiner Abwesenheit auf eine Kirche und Gesellschaft, die unter dem Dauerfeuer des Säkularuismus standen. In dieser Situation stellte er sich sogar gegen die Amtsbrüder in der Bischofskonferenz, wenn sie Kompromisse eingingen, die sich seiner Überzeugung verboten.

Besonders deutlich wurde das, als er als zunächst einziger Oberhirte im Land aus dem staatlichen System der Schwangerenkonfliktberatung austrat, dessen Bestätigungsscheine für Konfliktberatung - trotz des damit verbundenen Plädoyers für das Lebensrecht des Kindes - für Dyba «Lizenzen zum Töten» waren. Seine Position siegte, als Papst Johannes Paul II. den Ausstieg anordnete. Immer wieder wandte sich der Erzbischof auch mit teils markigen Worten gegen eine Gleichbehandlung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe - und provozierte damit wiederholt scharfe Kritik.

Seinen Traum von einer fröhlichen aber standfesten Gemeinschaft im Glauben hat er in den jungen Kirchen der Welt ansatzweise erlebt. Wenn er in Liberia in der Soutane die Straße überquerte, seien oft junge Leute auf ihn zugekommen, hätten seine Hand geschüttelt und mit Stolz und Freude gesagt: «Father, ich bin auch katholisch!»- «Und hier?», setzte er hinzu: «Hier wechseln sie die Straßenseite, um dir nur ja nicht ins Gesicht sehen zu müssen.»

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