Kommentar: Der Süden: christlicher und leistunsfähiger?

in Deutschland


Zu den Hauptursachen für höhere schulische Leistungen in Bayern und Baden-Württemberg. Ein Kommentar von Christa Meves


Nun liegt es auf dem Tisch: Die Achtklässler in Bayern und Baden Württemberg bringen in Deutsch und Mathematik ein höheres Leistungsniveau zustande als die Nordlichter. Die Bildungsstudie “Pisa” bringt es also einmal mehr an den Tag: Südlich des Mains ist die Welt zwar nicht heil, aber doch heiler als im Norden. Auf vielen Sektoren hat sich dieses Süd-Nord-Gefälle bereits gezeigt – nun also auch bei der Überprüfung der schulischen Qualität. Ist es zu schaffen, dieser allzu häufig unliebsamen Wahrheit ins Auge zu schauen und die Ursachen zur Kenntnis zu nehmen, die diese Qualitätsunterschiede hervorrufen, um daraus zu lernen? Die CDU/CSU weiß natürlich selbstsicher, woran das liegt: Seit der Konstituierung der Bundesrepublik – seit 53 Jahren also – werden Bayern und Baden Württemberg von den Parteien der Union regiert. Das bedeutet: Kontinuierlich stimmte die Mehrheit der Bevölkerung in diesen Ländern deren Politik zu. Aber CDU und CSU sollten sich nicht damit zur Ruhe setzen, denn ihrer gewiß besseren Schulpolitik darf dieser Erfolg allein nicht zugeschrieben werden. Es darf vielmehr vermutet werden: Viele der Bürger in diesen Ländern stimmen den Unionsparteien zu, weil sie sich vorab dem “hohen C” verbunden fühlen, die Württemberger gerade auch auf dem Boden des Pietismus, die Bayern vor allem auf dem der katholischen Tradition. Und trotz aller öffentlichen Versuche zur Demontage des christlichen Glaubens: Dieses Faktum – der Bestand einer Bevölkerung, die sich mehr als im Norden noch dem christlichen Glauben verpflichtet weiß und danach zu leben sucht, – sollte als eine wesentliche Hauptursache für den besseren Leistungsstand dieser Länder angesehen werden.

Geringer Bedarf an Kinderverwahranstalten

“Wie das?” mag vielleicht mancher Skeptiker fragen. Nun, Leben in christlichem Geist bedeutet in der Praxis vor allem, sich als Eltern persönlich in die Verantwortung für die Kinder gerufen zu fühlen, bedeutet die Bereitschaft auch einmal ein einschneidendes Opfer eigener Bedürfnisse zu bringen, bedeutet eher Bereitschaft zur Bildung von Familie und ihr Zusammenhalten. Daß das südlich des Mains immerhin noch häufiger vorkommt als in den nördlichen Ländern, ist auch daran zu erkennen, daß der Bedarf an Kinderbewahranstalten dort bisher immer noch am geringsten ist. Das war jüngst das Ergebnis einer Untersuchung des Instituts für Wirtschaftsforschung in der Vorbereitung für den Plan der Regierung, in allen Bundesländern flächendeckend Säuglingskrippen, Kindertagesstätten und Horte einzurichten, damit die Eltern sich nicht mehr hauptamtlich um die Kinder zu kümmern brauchen. Höhnisch kommentierte das die “Süddeutsche Zeitung”, indem sie die in dieser Hinsicht fortschrittlichen Länder der ehemaligen DDR einschließlich Hamburg und Bremen dem “veralteten” deutschen Süden gegenüberstellte. Bayern und Baden Württemberg hätten tief in ihre Tasche zu greifen, um den modernen Zustand durch Kollektiverziehung wie in den nördlichen Bundesländern zu erreichen.

Wie Freude am Lesen entsteht

Ja, merkt den keiner, daß gerade dies das schlechte Abschneiden der Nordlichter mit zur Folge gehabt hat? Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Eine entscheidende Ursache für den besseren Schulerfolg der Schüler in Bayern und Baden Württemberg liegt gerade darin, daß dort mehrheitlich noch “privat” erzogen wird. Die Betreuung der Kleinkinder findet in diesen Ländern häufiger durch Angehörige der Kinder und noch in den Familien statt. Nestwärme hat sich längst als bessere Voraussetzung nicht nur zu körperlicher, sondern auch zu seelischer Gesundheit, erwiesen. Psychisch gesunde Kinder – so kann jetzt sogar die amerikanische Hirnforschung bestätigen – sind lernfähiger. Ihre innere Ausgeglichenheit bewirkt eher Konzentrationsfähigkeit und Ausdauer als eine der wesentlichen Voraussetzungen für schulischen Erfolg. In Familien liebevoll angeregte Kinder sind im Alter von zehn Jahren abgeschobenen und vernachlässigten in ihrem intellektuellem Status um zwei Jahre voraus. Auch wird durch solche Untersuchungsergebnisse ein kleines interessantes Spezifikum bedeutsam: Die Freude am Lesen – eine wesentliche Voraussetzung für die Entwicklung einer sicheren Orthographie – wird am ehesten durch den Kindern vorlesende Erwachsene im Kleinkindalter erreicht. Das Buch erhält dann für das Kind eine positive Bedeutung dadurch, daß man auf Großmutters, Vaters und Mutters Schoß - bzw. ganz in ihrer Nähe - sich auf die spannenden Geschichten und schönen Bilder konzentriert. So entwickelt das Kind Freude an diesem Gegenstand. Das Buch prägt sich als etwas grundsätzlich Positives in das Gehirn des Kindes ein.

Keine Geborgenheit in Kollektivbetreuungen

Diese Vorbereitung kann allein wegen des Lärmpegels in den kollektiven Erziehungsformen nicht geleistet werden. Erst recht läßt sich das Gefühl der Geborgenheit als eine wesentliche Voraussetzung zu schulischer Konzentrationsfähigkeit durch Kollektivbetreuung vom Säuglingsalter ab nicht erreichen. Aber die Familie leistet mehr noch als eine Vorbereitung für ein ansehnliches schulisches Gesamtniveau in den Ländern, in denen sie Vorrang hat: Liebevolle Angehörige sind eher in der Lage, den Kindern gerecht zu werden. Erfahrung lehrt: Sozialisation hat ihre Voraussetzung in der Beachtung der Individualität des Kindes durch nahe konstante Angehörige. Diese Gegebenheit ist Fakt und längst pädagogisch wie auch psychotherapeutisch erhärtet. Daß man diese Ausgangslage für schulischen Erfolg in den letzten 30 Jahren nicht mehr akzeptieren mochte, liegt an der Gleichheitsideologie, die unser Leben beherrscht. Um jeden Preis sollen alle Frauen so leben wie die Männer. Aber wünschen sie das wirklich? Es war außerordentlich klärend, daß in jüngster Zeit zwei Meinungsforschungsinstitute bewiesen haben, daß in Wahrheit das Gegenteil der Fall ist: Junge Eltern möchten mehrheitlich ihre kleinen Kinder selbst erziehen – wenn sie nur könnten! Wer also – wie die Frau Bildungsministerin Bulmahn im Fernsehen als Programm verkündigte – bessere schulische Ergebnisse im internationalen Vergleich erzielen möchte, sollte gar nicht erst damit anfangen, allein an den Symptomen zu kurieren und den unzureichenden Versuch machen, sich an Finnland, Japan und Korea zu orientieren. Gewiß, das könnten wir dort abgucken: Eine kindgemäße Grundschulpädagogik mit kleinen Klassen, einen sie durchgängig begleitenden Klassenlehrer, eine Pädagogik, die von der Liebe zum Kind ausgeht, – das ist gewiß erfolgversprechend.

Vorbild Finnland?

Aber selbst die finnische Lebensform ist nicht der Weißheit letzter Schluß. Die dort häufigen frühen Kollektivierungen schlagen im jungen Erwachsenenalter dann doch als ein hoher Pegel im Alkoholkonsum und in einer bedenklichen Selbstmordrate durch. Zwar kann eine sehr gute Grundschulpädagogik den Risikofaktor Kollektivierung im Kleinkindalter ein wenig abbremsen, aber eine sichere Gewähr für Arbeitsfähigkeit im Erwachsenenalter ist das nicht. Wir bedürfen also einer wesentlich tieferen Erneuerung, denn die deutschen Länder, in denen die Schüler am schlechtesten in der Pisa-Studie abschneiden, sind gleichzeitig auch die, in denen das christliche Abendland zugunsten der atheistischen Gleichheitsideologie ausverkauft worden ist. Da Frühkollektivierung auf der Basis der Gleichheitsideologie ein herkömmliches unrealistisches Konzept ist, wird schulischer und schließlich auch allgemeiner Niedergang erzeugt. Diese Ideologie richtet dort die größten Schäden an, wo sie am umfassendsten umgesetzt wird. Bremen und die meisten der neuen Bundesländer stehen da gewiß an der Spitze. Es ist dringend an der Zeit, diese falsche Vorstellung vom Wesen der Menschen endlich als unbrauchbar auf den Müll zu kippen und Konzepte zu entwickeln, die auf den Entfaltungsbedingungen der Spezies Mensch aufbauen.
(Die Autorin, Christa Meves (Uelzen), ist Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin)

Foto: (c) www.christa-meves.de


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