22. Oktober 2010 in Weltkirche
Religionssoziologe Joas: Migration belebt Christentum in Europa
Berlin (kath.net/KAP) Die Migration nach Europa hat nach Überzeugung des Erfurter Religionssoziologen Hans Joas auch "belebende Wirkungen" für das Christentum. Es gebe derzeit "erstaunlich wenig Sensibilität für die Bedeutung christlicher Migration nach Europa", sagte Joas am Dienstag in Berlin. Sie könne dazu beitragen, dass die Säkularisierung in Europa wieder an Kraft verliere. Der Leiter des Max-Weber-Kollegs für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien der Universität Erfurt äußerte sich bei der 55. Gesamtkonferenz der katholischen Militärgeistlichen und Pastoralreferenten.
Nach Meinung des Religionssoziologen wird die Zuwanderung aus christlichen Teilen Afrikas ansteigen. Der Wissenschaftler verwies darauf, dass es beispielsweise in Großbritannien und Belgien einen hohen Anteil von Christen unter den Migranten gebe. In den Vorstädten von Paris seien in den vergangenen Jahren rund 250 neue protestantische Kirchenbauten entstanden. In London sei heutzutage die Mehrheit der Kirchgänger schwarz, führte Joas als Beispiele an.
Dieses intensive protestantische Christentum habe durchaus Rückwirkungen auf die katholische Kirche. So bemühe sich diese bewusst um eine "Re-Charismatisierung".
Joas betonte, die europäische Säkularisierung sei "nicht unumkehrbar". So zeige sich eine Revitalisierung des Glaubens in Teilen des postkommunistischen Europas sowie eine Wiederentdeckung religiös durchsetzter kultureller Wurzeln gerade in gebildeten Schichten. Heute redeten zwar alle über das Schrumpfen der konfessionellen Milieus in Europa, zugleich gebe es aber Anzeichen "für die Herausbildung eines überkonfessionellen christlichen Milieus". So sei nachweisbar, dass Christen nach wie vor überwiegend Christen heirateten, dabei dominiere aber nicht mehr die Orientierung an der Konfession, so Joas.
"Koran bedroht deutschen Rechtsstaat nicht"
Der Menschenrechtsexperte Heiner Bielefeldt warnte davor, in der Zuwanderungsdebatte den Akzent zu sehr auf den Islam zu legen; dieser sei nicht das Schlüsselthema. Neben Kultur und Religion seien auch andere Faktoren wie Bildung und wirtschaftliche Lage maßgeblich für die Integration. Vorschläge wie ein Burka-Verbot gingen in die falsche Richtung. Man sollte nicht mit strafrechtlicher Symbolpolitik Ghettos aufbauen, erklärte der Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrates für Religions- und Glaubensfreiheit. Von verpflichtenden Integrationskursen sei der größte Erfolg zu erwarten..
Im Koran sieht der Erlanger Menschenrechtsforscher keine Bedrohung für den deutschen Rechtsstaat: "Das ist natürlich kein Buch, das die Prinzipien des Grundgesetzes widerspiegelt", räumte er ein. "Einige Stellen widersprechen ihm sogar". Islamisches Recht gebiete es den Gläubigen aber, sich in einem fremden Land anzupassen und das dort geltende Recht zu achten. Wesentlich sei, wie muslimische Einwanderer den Koran interpretierten.
Bielefeldt wies daraufhin, dass der westliche Alltag das religiöse Bewusstsein von Muslimen verändern könne. Seiner Beobachtung nach hätten sich viele Migranten an die deutsche Gesellschaft "gewöhnt". Dies sei besonders deutlich bei denjenigen zu erkennen, die hierzulande aufgewachsen seien, deren Familien jedoch aus islamischen Ländern stammten, so Bielefeldt.
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