Hadrian VI., der letzte 'deutsche' Papst vor Benedikt

10. November 2010 in Chronik


Symposion in Rom: Kurz nach Beginn der Reformation leitete Hadrian (+ 1523) eine radikale Reform der Kurie ein und wollte Graben zu Protestanten überwinden: ‚Sünden des Volkes haben ihren Ursprung in den Sünden der Geistlichkeit’


Rom (kath.net/KAP/red) Zur bleibenden Bedeutung von Papst Hadrian VI. (Pontifikat 1522-1523), dem letzten "deutschen" Vorgänger von Benedikt XVI., veranstaltet das römische Päpstliche Institut Santa Maria dell'Anima in Rom am 17. November ein Symposion. Bis zur Wahl von Johannes Paul II. im Jahr 1978 war Hadrian der letzte Nicht-Italiener auf dem Papst-Thron.

Gedanken des nur kurz amtierenden Papstes spiegeln sich bis heute in prominenten kirchlichen Texten, hob der Rektor des Instituts und Initiator des Symposions, Msgr. Franz Xaver Brandmayr - er stammt aus der Erzdiözese Wien -, am Mittwoch hervor. Brandmayr erwähnte als Beispiele dafür die Vergebungsbitte von Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000, aber auch das Schreiben von Papst Benedikt XVI. an die irischen Bischöfe.

Das kurze Pontifikat des in der "Anima" beerdigten Papstes sei "von edlen Ansätzen, aber ebenso von Enttäuschungen durch die verweltlichte Kurie seiner Zeit" gekennzeichnet gewesen.

Erzieher Kaiser Karls V.

Adriaan Boeyens (als Papst Hadrian VI.) wurde als Sohn eines Schiffszimmermanns am 2. März 1459 in Utrecht geboren. Er studierte an der Universität Löwen Theologie und wurde Erzieher des späteren Kaisers Karl V. Die Kardinalswürde erhielt Boeyens 1517.

Nach dem Tod des Medici-Papstes Leo X. rivalisierten die gegnerischen Parteien im Konklave; schließlich wurde der am Hof in Spanien weilende Kardinal Boeyens am 9. Jänner 1522 zum Papst gewählt. Erst drei Wochen später erfuhr er von seiner Wahl, und erst Ende August kam er auf dem Seeweg nach Rom.

Pontifikat im Zeichen von Reform

Das Pontifikat Hadrians stand im Zeichen von Reform. Seine tiefe persönliche Frömmigkeit und sein bescheidener Lebensstil prägten den päpstlichen Hof, der zuvor im Prunk der Medici zu versinken drohte. Hadrian widmete sich ganz der radikalen Umgestaltung der Kurie in Funktion und Stil.

Hadrian VI. und die Reformation

Auch versuchte er, den aufgebrochenen Graben zum Reformator Martin Luther und den Protestanten zu überbrücken. Luther hatte 1517 seine „95 Thesen“ drucken lassen, die schnelle Verbreitung fanden; 1521 war er von Papst Leo X. exkommuniziert worden. Politisch sah Papst Hadrian sich mit dem Vordringen der Osmanen in Europa konfrontiert.

Am 3. Jänner 1523 ließ Hadrian durch seinen Legaten beim Reichstag von Nürnberg ein Breve verlesen, in dem er seine Hingabe und Entschlossenheit für eine innere Erneuerung der Kirche bekräftigte und ein großes Schuldbekenntnis aussprach.

In dem Schreiben verurteilte er einerseits den Irrtum und die Spaltung der Kirche durch die lutherische Bewegung, gestand aber die Schuld der Kurie ein. Der Papst bat auch um Geduld, da so tief eingewurzelte Missbräuche sich nicht mit einem Schlag abstellen lassen.

Das "Krebsübel" habe im Klerus von Rom begonnen, und hier müsse es auch ausgemerzt werden, schrieb Hadrian in aller Deutlichkeit. Den Propheten Micha zitierend meinte er auch, die Sünden der Priester seien zu den Sünden des Volkes geworden.

Wörtlich schrieb er in der Instruktion: "Du sollst auch sagen, dass wir es aufrichtig bekennen, dass Gott diese Verfolgung seiner Kirche geschehen lässt wegen der Sünden der Menschen, besonders der der Priester und der Prälaten. Die Heilige Schrift verkündet laut, dass die Sünden des Volkes in den Sünden der Geistlichkeit ihren Ursprung haben.

Wir wissen wohl, dass auch bei diesem Heiligen Stuhl schon seit manchem Jahr viel Verabscheuungswürdiges vorgekommen: Missbräuche in geistlichen Dingen, Übertretungen der Gebote, ja, dass alles sich zum Ärgeren verkehrt hat. So ist es nicht zu verwundern, dass die Krankheit sich vom Haupt auf die Glieder, von den Päpsten auf die Prälaten verpflanzt hat.

Wir alle, Prälaten und Geistliche, sind vom Weg des Rechtes abgewichen, und es gab schon lange keinen einzigen, der Gutes tat (Ps 13 [14],3). Deshalb müssen wir alle Gott die Ehre geben und uns vor ihm demütigen; ein jeder von uns soll betrachten, weshalb er gefallen, und sich lieber selbst richten, als dass er von Gott am Tage seines Zornes gerichtet werde."

Luther selbst nahm das aufrichtige Bemühen des niederländischen Papstes allerdings nicht ernst. Auch Philipp Melanchton verhielt sich reserviert, und Erasmus von Rotterdam - ein Schüler und Vertrauter Hadrians - folgte wegen angeblicher Magenprobleme der Einladung des Papstes, nach Rom zu kommen, um ihm bei der Reform der Kirche beizustehen, nicht. So blieb Hadrian in seinem Bemühen weitgehend allein.

Hadrian VI. starb am 14. September 1523. Er wurde zunächst im Petersdom bestattet, da die Kirche S. Maria dell'Anima noch im Bau war. 1533 wurde der Leichnam Hadrians in die neue Kirche überführt. Er wurde in dem Grabmal beigesetzt, das sein Vertrauter Willem van Enckvoirt - der einzige von ihm ernannte Kardinal und Rektor der Anima - gestiftet hatte. Es stellt auch heute noch einen Hauptanziehungspunkt dieser Kirche dar.

Über das historische Umfeld Hadrians VI. und sein kritisches Potenzial auch für unsere Zeit sprechen beim Symposion der Utrechter Erzbischof Willem Eijk, der niederländische Theologe und Kunsthistoriker Antoine Bodar, der Konservator in der Königlichen Bibliothek Belgiens Prof. Michiel Verwej, der Mainzer Historiker Prof. Eberhard J. Nikitsch, sowie P. Markus Graulich, Promotor Iustitiae der Apostolischen Signatur und Professor an der päpstlichen römischen "Salesiana"-Universität.

Das Päpstlichen Institut Santa Maria dell'Anima ist seit über 150 Jahren eine wichtige kirchliche Einrichtung für Priester aus dem deutschsprachigen Raum, die sich in Rom wissenschaftlich vertiefen wollen, viele davon im Bereich des Kirchenrechts.

Anlass für das Symposion ist die kürzlich abgeschlossene Renovierung der repräsentativen Sakristei des Instituts, die an diesem Tag als Veranstaltungsort des Symposions zugänglich sein wird.

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