7. Juli 2002 in Weltkirche
Auf den Bauernhöfen der Hoffnung in Brasilien gehen Drogensüchtige in eine neue Zukunft. Die Wiener KirchenZeitung berichtete über ein Projekt, das auf dem "Kirche in Not"-Kongress vorgestellt wurde.
Zuckende, verkrümmte Körper. Fahles Licht. Ist der Schmerz drinnen oderdraußen? Luciene hat mit 13 begonnen, Christoph mit 17. Die Droge gab ihnen alles, bis sie ihnenalles nahm. In Brasilien gibt es für sie Orte der Hoffnung: "Fazenda da Esperança" -"Bauernhof der Hoffnung" - heißt ein Projekt, das vom deutschen Franziskanerpater Hans Stapelgegründet wurde. Frei Hans - das portugiesische Wort "Frei" heißt auf Deutsch "Bruder" imkirchlichen Sinn - ist mittlerweile 30 Jahre in Brasilien. Alles begann, als er 1979 mit derSeelsorge in Guaratingueta betraut wurde, einer 40.000-Menschen-Gemeinde, die zwischen Sao Paolo undRio de Janeiro liegt. "Wir wollen heraus aus der Droge, helfen Sie uns!", lautete die Bittevon einer wachsenden Zahl von Jugendlichen. P. Hans mietete ein Haus und begann. Mit strengen Spielregeln: täglich acht Stunden Arbeit, Gebet, Leben mit Menschen, die man sich nicht aussucht,eine Zeit lang kein Kontakt zu Freunden und Familie, ein Jahr Aufenthalt. Der Erfolg ist bisheute phänomenal: 87 Prozent der ehemaligen Drogensüchtigen sind fünf Jahre nach dem Aufenthaltauf den "Bauernhöfen der Hoffnung" noch immer "clean".
Arbeit, Gebet und Gemeinschaft
Welches Geheimnis steckt dahinter? "Die Gegenwart Jesu mitten unter uns -auch wenn viele es zunächst nicht merken", stellt P. Hans fest. Nicht ein medikamentöserGewalt-Entzug schafft Hilfe, sondern eine wohldosierte Mischung aus Arbeit, Gebet undGemeinschaft, erklärt der Franziskaner. "Wir nehmen die Jugendlichen nicht als ,Kranke' auf, sondern alsliebesbedürftige Menschen", hebt P. Hans einen Zugang hervor, der bei herkömmlichen Drogenprogrammen oftfehlt. "Die meisten wissen nicht, wofür sie leben." Wie etwa Edson, der sagt: "Ichmusste die Drogen nehmen, um etwas zu spüren ..." Wichtig sei, dass "Werte" in ihr Lebenhineinkommen, betont P. Hans. "Sobald dies geschieht, erledigt sich das Drogenproblem vonselbst."
"Was du nicht willst, das man dir tu ..."
Täglich gibt es "Worte", die den Tag begleiten. In der ersten Woche auf der"Fazenda" leben die Jugendlichen nach dem Wort "Was du nicht willst, das man dir tu, das fügauch keinem andern zu". Später lernen sie, aktive Schritte in der Nächstenliebe zu setzen. Wasnicht immer leicht ist, wie der 33-jährige Physiotherapeut Christoph erzählt, der 15 Jahre Drogenhinter sich hat und mehrere fehlgeschlagene Versuche, davon wegzukommen: "Es war schwierig, denEgoismus abzulegen.""Kein Rauchen, kein Fernsehen, keine Besuche", seien die ersten Eindrückegewesen, schildert Thomas. Er lebt seit einem Jahr auf der ersten deutschen "Fazenda" in GutNeuhof bei Berlin. Nach der Erfolgsstory der "Bauernhöfe der Hoffnung" in Brasilien - 18"Fazendas", in denen zwischen 800 bis 900 junge Frauen und Männer aus allen Ländern der Erdeleben - gibt es seit kurzem die erste Niederlassung in Deutschland.
Die Droge sei für ihn der Versuch einer "Selbstverwirklichung" gewesen,erzählt Thomas. Ausschlaggebend für die Heilung seien das Leben nach dem Wort, dasZusammenleben und die Arbeit gewesen.Die Arbeit ist nicht nur als Therapie zu verstehen, sondern "eine Form derIntegration in den Alltag", beschreibt P. Hans Stapel: "Die meisten kommen durch das normaleLeben und durch die acht Stunden Arbeit am Tag aus der Droge raus." Die "Bauernhöfe derHoffnung" befähigen die Männer und Frauen, wieder in der Gesellschaft zu leben. "Wenn sie weggehenvon uns, haben sie die Sicherheit: Ich habe jetzt ein ganzes Jahr gearbeitet - ich kanndas!"
Am Anfang verrichten die Jugendlichen landwirtschaftliche Tätigkeiten amAcker und auf dem Feld, berichtet der Franziskanerpater. In einem zweiten Schritt arbeiten siemit Tieren, wodurch wieder eine "Verantwortung für das Leben" geweckt werden soll. Schließlichsind die Mädchen und Burschen in Fabriken und größeren Betrieben tätig. Mädchen stellen Pizzaund Lasagne her und verkaufen sie an kleine Läden; Burschen arbeiten in einerRecycling-Fabrik für Plastikflaschen. Ziel sei, dass sie lernen, nach einem vorgegebenen Rhythmuszu arbeiten, erklärt P. Hans. "Es ist wie eine neue Familie", erzählt ein junger Schweizer, der in einerbrasilianischen "Fazenda" lebte: "Zuerst wird man getragen, später trägt man selbst dieneuen Leute." Wer länger auf einem "Bauernhof der Hoffnung" lebt, bekommt Verantwortungübertragen und kümmert sich um die Neuankömmlinge.
"Am Anfang wohnten die jungen Leute in relativ großen Häusern zusammen",berichtet der Franziskanerpater. Die Erfahrung habe aber gezeigt, dass Einzelne sichverstecken, sobald so etwas wie "Masse" entstehe. Heute leben maximal 12 bis 14 Leute miteinander.Sie werden von Priestern, Ordensleuten und gottgeweihten Menschen rund um die Uhr betreut.Parallel dazu gibt es auch eine Begleitung für die Eltern. Es sei keine guteAusgangsbasis, "wenn die Jugendlichen sich verändern, die Eltern aber gleich bleiben", weiß P. Hans.Ihm ist es ein wichtiges Anliegen, dass das Drogenproblem nicht unentwegt als "schwierig"oder "unlösbar" dargestellt wird. "Wir wollen Hoffnung geben und sagen: Es ist möglich, darauszukommen!"
Petra Biermeier
Infos zum "Kirche in Not"-Projekt
Die Arbeit von P. Hans Stapel OFM wird unterstützt vom katholischenHilfswerk "Kirche in Not/Ostpriesterhilfe". Spenden sind auf das PSK-Konto 7631.087 (Empfänger:Kirche in Not/Ostpriesterhilfe, P.S.K. BLZ 60000) erbeten. Im 39-minütigen Videofilm"Ein Stückchen Himmel" wird das Projekt dokumentiert. Es kann bei "Kirche in Not" gegeneine Spende bestellt werden. Das Hilfswerk vermittelt auch genauere Informationen über dasProjekt von P. Hans.Adresse. Kirche in Not/ Ostpriesterhilfe, Hernalser Hauptstraße 55, 1172Wien
Tel. 01 / 405 25 53.
Fax: 01 / 405 54 62 - 75.
Internet:www.kircheinnot.at
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