Heftige Expertenkritik am Management des Vatikans

22. November 2010 in Weltkirche


George Weigel, Biograph von Papst Johannes Paul II.: Der Vatikan hangelt sich von Zugunglück zu Zugunglück weiter – Es fehlen Einsatzzentrale und Medienstrategie – John Allen: Führungsfiasko könnte das Erbe eines großen Papst beschädigen


Washington (kath.net) Die bekannten katholischen US-Journalisten John Allen und George Weigel äußern sich in Washington während eines Medienseminars kritisch zum Vatikanmanagement, berichtet „USA Today“. „Wer vom Vatikan klare, schnelle und transparente Antworten zur weiterschwelenden Missbrauchskrise erwartet, der sollte besser den Atem anhalten“, lautet das Resümee der beiden Vatikanexperten des National Catholic Reporter, das sie vor den Seminarteilnehmern – Reportern und Kolumnisten – zogen.

Beide Top-Reporter stimmten darin überein, dass es im Vatikan keine klare Medienstrategie gibt, keine Einsatzzentrale, niemanden, der eine Reform der Kommunikationsstrukturen auf die Reihe bekommt, oder, was noch schmerzlicher ist, niemand, der die Regierungsstruktur reformieren könnte.

John Allen, der verschiedene Bücher über die Vatikanpolitik veröffentlich hat, führt aus: Dieses Führungsfiasko könnte zur Ursache dafür werden, dass das Erbe eines großen Theologenpapstes – brillante Reden, Briefe, Bücher – verloren geht, während das brennende Schulgebäude gelöscht wird. Das Papsttum treibt schon lange planlos vor sich hin, es hangelt sich von Zugunglück zu Zugunglück. Allen zitierte die Schlagzeile einer italienischen Zeitung, als es 19 Tage dauerte, bis der Vatikan ein falsches Gerücht widerlegte: „Der Vatikan streitet alles ab. Niemand glaubt es“.

George Weigel, Biograph von Papst Johannes Paul II. und vielfacher Buchautor, erläutert: Offizielle des Vatikans „mögen heuchlerisch oder uninteressiert erscheinen, doch da ist kein ausgeprägter Wille, zu betrügen, sondern sie wissen einfach nicht, was läuft“. Und ihre Standardeinstellung – "Nur keine Story ist eine gute Story" – „ist völlig dumm“. Das interne vatikanische Informationssystem ist derart veraltet, führt Weigel aus, dass Papst Benedikt XVI. wie aus heiterem Himmel von den Informationen über den Piusbruderbischof Williamson getroffen worden sei, einem „Verrückten von Weltformat“. Seine Mitarbeiter hätten es versäumt, dieses im Internet frei zugängliche Wissen aufzugreifen, als der Papst der Piusbruderschaft wieder einen Weg zurück in die katholische Kirche öffnen wollte.


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