6. Jänner 2011 in Deutschland
Dreikönigspredigt von Kardinal Meisner: Bethlehem ist nicht Idylle, sondern der Beginn christlicher Universalität und Katholizität Die Tarnkappe, das Fähnlein im Wind und das Chamäleon sind keine christlichen Symbole
Köln (kath.net)
Kath.Net dokumentiert die Predigt von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zum Hochfest der Erscheinung des Herrn im Hohen Dom zu Köln:
Liebe Schwestern, liebe Brüder!
1. Gott, der Vater, unseres Herrn Jesus Christus, ist ein Gott für alle. Bethlehem ist daher keine Privatidylle, Religion ist keine Privatsache, Jahwe ist kein palästinensischer Privatgott, sondern er ist der Herr der Welt. Zum Kind von Bethlehem gesellen sich zu den palästinensischen Hirten die Magier aus dem Morgenland. Die Grenzen der Nationalität werden hin zur Universalität durchbrochen, indem die Vertreter der Welt zu dem neugeborenen König der Juden nach Bethlehem kommen. Der Evangelist Matthäus, dem wir das heutige Evangelium zu verdanken haben, stellt ganz bewusst an den Anfang seines Evangeliums das neugeborene Kind, zu dem die Vertreter der Welt kommen. Und am Ende seines Evangeliums steht der gekreuzigte und auferstandene Herr, der seine Jünger nun seinerseits zu allen Völkern der Welt sendet, indem er ihnen sagt: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern (Mt 28,18-19). Christus ist kein kirchlicher Grundstücksverwalter, Christus ist der Herr der Welt.
Wenn es dann bei Matthäi am Letzten heißt: Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden, dann ist das Gleiche auch bei Matthäi am Ersten zeichenhaft ausgesagt, wenn die Weisen aus dem Morgenland das Kind mit Gold, Weihrauch und Myrrhe beschenken. Es sind die Herrschaftsattribute des neugeborenen Königs. Seine Sendung ist nicht national, sondern universal. Seine Kirche ist katholisch-universal. Sie ist nicht eine Körperschaft privaten Rechts, sondern öffentlichen Rechts. Sie ist keine Kirche des Ghettos, sondern eine Kirche der Welt. Sie hat ihr Haupt zu erheben und sein Wort zu verkünden, sei es gelegen oder ungelegen. Sie ist die Verwandlung der Welt auf das Reich Gottes hin. Alles, was sie hat, hat sie von einem anderen: von Christus. Und alles, was sie hat, hat sie für andere: nämlich für die Welt. Sagen wir es nochmals: Dieser neugeborene König Christus ist Herr der Welt und nicht ein Privatgott zur Befriedigung privater religiöser Bedürfnisse. Die Weltsendung des Christentums hat ihre Geburtsstunde am heutigen Fest Epiphanie.
2. Die drei Magier machen sich auf den Weg und suchen den neugeborenen König der Juden. Gott hilft ihnen, ihn durch den Stern zu suchen, und er lässt sich von ihnen finden. Sie würden ihn gar nicht suchen können, wenn er sie nicht schon vorher gefunden hätte. Das Suchen gehört zum Lebensstil Gottes. Der Vater sucht nicht sein eigenes Zeugnis, sondern er gibt seinem Sohn das Zeugnis, indem sich bei der Taufe Jesu am Jordan der Himmel öffnet und der Vater seinen Sohn bekennt: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe (Mt 3,17). Und der Sohn sucht nun nicht seine Ehre, er sucht immer die Ehre des Vaters, indem er sagt: Der Vater ist größer als ich (Joh 14,28). Und der Heilige Geist wiederum sucht nicht, sich selbst ins Licht zu setzen oder sich selbst in Szene zu bringen, sondern er sucht, den Vater und den Sohn den Menschen zu zeigen. Die Menschheit ist im Grunde genommen nichts anderes als dieser erweiterte Lebensstil Gottes in den Dimensionen unserer Schöpfung.
Darum kann es auch gar nicht anders sein, als dass Gott uns Menschen gegenüber immer ein suchender Gott ist. Begonnen hat es am Schöpfungsmorgen im Paradies, als er den sich versteckenden Adam suchen geht: Adam, wo bist du? (Gen 3,9). Durch die Jahrtausende geht Gott wie ein suchender Pilger in Patriarchen, Richtern und Propheten, um das Verlorene zu suchen, bis er schließlich in Christus selbst gekommen ist, der seine Sendung mit den Worten definiert: Der Menschensohn ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist (Lk 19,10). Im Gleichnis vom verlorenen Sohn stellt er sich vor als der suchende Vater; im Gleichnis von der verlorenen Drachme als die suchende Frau; und im Gleichnis vom verlorenen Schaf als der suchende Hirt. Unser Gott ist auf der Suche nach dem Menschen. Der Stern am Himmel von Bethlehem ist das Signal der suchenden Liebe Gottes. Und diese Sterne gibt es auch heute noch am Weltenhimmel.
Wir brauchen Sterndeuter, die den Menschen diese Zeichen als Ausdruck der suchenden Sorge Gottes deuten können. Was ist die Unruhe des Menschen, die sich mit dieser Welt einfach nicht zufrieden geben kann, anders als ein Zeichen, als ein Signal, dass Gott auf der Suche nach dem Menschen ist? Was ist die unstillbare Sehnsucht des Menschen, geliebt zu werden trotz tausend Enttäuschungen, anderes als das leise Signal der suchenden Sorge Gottes nach dem Menschen? Was ist der Drang des Menschen, sein Leben zu verewigen, indem er sich Mausoleen und Denkmäler setzt, anderes als der Stern am Himmel, ein Signal für die suchende Sorge Gottes? Unsere Mitmenschen sehen und fühlen alle diese Signale, aber sie haben niemanden, der sie ihnen deutet. Und dann fehlen ihnen die Schrittmacher, die auf dem Weg sind, dem Stern zu folgen, um Gott zu finden. Hier sind wir dran. Unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir, sagt Augustinus. Sie haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, das Kind anzubeten (vgl. Mt 2,2).
3. Die Kirche nennt den heutigen Tag Erscheinung des Herrn, die Sichtbarwerdung Gottes vor aller Welt. Die Verborgenheit der Nacht von Bethlehem wird abgelöst durch das helle Tageslicht des heutigen Tages, indem Gott seinen Sohn den Völkern der Welt offeriert. Religion ist nie nur etwas rein Innerliches. Wenn Religion echt und gesund ist, muss sich ihr Inneres nach außen verleiblichen, muss es Gestalt annehmen. Glaube muss immer sichtbar sein. Unsere ganze menschliche Natur ist sakramental angelegt, das heißt, sie hat die Innenseite, die sich aber nach außen verleiblichen muss, sodass man sie berühren und sehen kann. Die innere Zuneigung, zum Beispiel eines jungen Mannes zu seiner jungen Frau, bliebe wirkungslos, wenn sie nicht in Signalen und Zeichen der Liebe und Zuneigung sichtbar wird. Auch unser Glaube bleibt wirkungslos, wenn er nur rein innerlich bleibt und sich nicht nach außen in Zeichen und Gesten zeigt.
Der Apostel Paulus sagt uns ausdrücklich: Mit dem Herzen glaubt man, aber mit dem Munde bekennt man (vgl. Röm 10,10). Wer sich in Sachen Religion einen Maulkorb vorbinden lässt, der zerstört seinen eigenen Glauben. Wer am Montag mit Beginn der Werkwoche über seinen Glauben eine Tarnkappe zieht, zerstört die Substanz seines eigenen Glaubens. Wer seinen Mantel nach dem Winde hängt, verdirbt seine Glaubensüberzeugung im Kern. Wer sich wie ein Chamäleon den gängigen Meinungen anpasst, verliert seine Glaubensüberzeugung. Die Tarnkappe und die Wetterfahne stammen nicht aus dem Arsenal des Neuen Testamentes, und das Chamäleon ist kein christliches Wappentier. Die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes ist sichtbar in Jesus Christus erschienen, zu dem die Völker wallfahren. Darum ist auch uns ins Stammbuch geschrieben: Farbe bekennen! Flagge zeigen! Die Stirn bieten! Die innere Glaubenshaltung muss sich nach außen verleiblichen können. Nur so bleibt unser Glaube gesund und vital, und ist er imstande, die Welt positiv zu verändern.
Bethlehem ist keine Idylle, Bethlehem ist der Beginn christlicher Universalität und Katholizität. Bethlehem macht aus dem palästinensischen Privatgott den Herrn der Welt. Und Bethlehem lässt die Religion nach innen zu einem Aufbruch nach außen werden. Heute kommen die Magier aus aller Welt zum Kind von Bethlehem.
Am Schluss dieser heiligen Messe werden wir wie bei Matthäi am Letzten vom Kind gesandt in alle Welt, allen Menschen die Frohe Botschaft zu verkünden. Denn er ist und bleibt bei uns alle Tage, bis zur Vollendung der Welt. Das ist die hoffnungsvolle Garantie für die Fruchtbarkeit unserer Sendung von Epiphanie. Amen.
+ Joachim Kardinal Meisner
Erzbischof von Köln
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