‚Ihr Schmerz ist auch unser Schmerz’

9. Jänner 2011 in Aktuelles


Der Paderborner Weihbischof Berenbrinker betont bei der bundesweiten Trauerfeier die tiefe Verbindung zwischen orthodoxen Kopten und Katholiken, am Samstag sprach der Limburger Bischof in der koptisch-orthodoxen Kirche – beide Ansprachen im Wortlaut


Höxter-Brenkhausen (kath.net/dbk) Der Paderborner Weihbischof Hubert Berenbrinker hat heute bei der bundesweiten Trauerfeier für die Opfer des Anschlags in Ägypten das gute Verhältnis zwischen der katholischen und der koptisch-orthodoxen Kirche betont. „Die Deutsche Bischofskonferenz ist dankbar, dass auch in Deutschland die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der koptisch-orthodoxen Kirche durch Verlässlichkeit und wechselseitiges Vertrauen geprägt sind“, sagte der Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz am Sonntag bei der Veranstaltung im koptisch-orthodoxen Kloster der Jungfrau Maria und des heiligen Mauritius in Höxter-Brenkhausen in seinem Geistlichen Wort.

Weihbischof Berenbrinker erinnerte an die Begegnung zwischen Papst Paul VI. und Papst Shenouda II. im Jahre 1973 und an die Gemeinsame Christologische Erklärung, die sie damals unterzeichneten. Sie bringe die „tiefe Gemeinsamkeit im Glauben an Jesus Christus zum Ausdruck“. Die Gewalt gegen die koptisch-orthodoxe Kirche treffe daher auch die Katholiken, „ihr Schmerz ist auch unser Schmerz“, unterstrich Berenbrinker. Er versicherte den Kopten die Anteilnahme und Solidarität der deutschen Bischöfe und rief zum Gebet für alle verfolgten Christen weltweit auf.

Bereits am Samstag hatte der Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst bei der ökumenischen Trauerfeier für die Opfer in der koptisch-orthodoxen Kirche St. Markus in Frankfurt den Toten in einem Geistlichen Wort gedacht, kath.net hat berichtet..

Die Ansprache von Bischof Tebartz-van Elst am Samstag im Rahmen des Totengedenkens der koptisch-orthodoxen Gemeinde St. Markus Frankfurt am Main im Wortlaut:

Eminenz Anba Damian,
Vater Pigol Bassili,
Ihnen und den Priestern, Diakonen und Gläubigen der Koptischen Kirche, die heute hier in Frankfurt am Main versammelt sind, spreche ich die tief empfundene Anteilnahme an dem schweren Schicksalsschlag aus, der viele Ihrer Brüder und Schwestern im Glauben und damit die ganze Koptische Kirche getroffen hat.

Ein Attentäter hat durch seine verantwortungslose Tat mehr als 20 Gläubige in den Tod gerissen und mehr als 80 verletzt, als sie nach dem Gottesdienst die Kirche Al Qadissin, die Kirche der Heiligen, in Alexandria verlassen wollten.

Als Bischof von Limburg bin ich mit unserem ganzen Bistum in diesen Tagen Seiner Heiligkeit Papst Shenouda, Papst von Alexandrien und Patriarch des Stuhles vom heiligen Markus, sowie den Gläubigen der Koptischen Kirche in Ägypten und in der ganzen Welt eng verbunden. Ich erinnere mich an eine persönliche Begegnung mit dem Oberhaupt Ihrer Kirche vor vier Jahren in Kairo, bei der ich das starke Zeugnis des Glaubens und die reiche Tradition Ihrer Kirche erleben konnte.

In diesem Geist und in unseren Gebeten haben wir gerade in diesen Tagen am Hochfest der Epiphanie, Ihrem Weihnachtfest, auch in der Kathedrale in Limburg den gütigen Gott angefleht, dass er den Toten des Bombenanschlags sein Erbarmen schenke, den vielen Verletzten Linderung ihrer Schmerzen und den Angehörigen Trost in ihrer Trauer.

Der Name der Stadt Alexandria, der seit den Anfängen des Christentums durch das Zeugnis vieler Heiliger und Märtyrer, großer Theologen und Kirchenväter geadelt ist, wurde überschattet durch die Erinnerung an das grausame Massaker, durch die grenzenlose Trauer und den Schmerz.

Das Zeugnis für die Botschaft der Liebe

Wir Christen begehen in diesen Tagen den Weihnachtsfestkreis und feiern voll Dankbarkeit gegenüber dem himmlischen Vater, dass er seinen einzigen Sohn in die Welt gesandt hat. Das ewige göttliche Wort hat unsere Menschennatur angenommen, damit wir Menschen als eine neue Schöpfung teilhaben an seiner göttlichen Herrlichkeit.

Als Zeugen der Epiphanie Gottes in unserer Welt sind wir Christen daher Boten der Liebe Gottes auf einer Erde, die immer wieder von Hass und Gewalt bedroht ist und durch Krieg und Terror das Leiden unzähliger Menschen erlebt.

Die Boten der göttlichen Liebe aber stehen in der Bewährung bis zur Endzeit, in der sich der Heilswille Gottes endgültig erfüllt.

Daher heißt es im letzten Buch der Heiligen Schrift, der Offenbarung des Johannes, im siebten Kapitel: „Danach sah ich: Eine große Schar aus allen Nationen und Stämmen, Völkern und Sprachen; niemand konnte sie zählen, sie standen in weißen Gewändern vor dem Thron und vor dem Lamm und trugen Palmzweige in den Händen. … Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen? ... Und er sagte zu mir: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht“ (Offenbarung 7,9.13-14).

Und ein Kapitel zuvor heißt es: „Als das Lamm das fünfte Siegel öffnete, sah ich unter dem Altar die Seelen aller, die getötet worden waren wegen des Wortes Gottes und wegen des Zeugnisses, das sie abgelegt hatten“ (Offenbarung 6,9).

Der Anschlag auf eine Kirche, aus der viele Menschen strömen, ist zugleich ein Angriff auf den Glauben, den sie in der Liturgie gefeiert und in ihrem Leben bezeugt haben.

Die Verbundenheit der Kirchen

Im gemeinsamen Zeugnis sind wir als Christen miteinander verbunden. Voller Anerkennung stehen wir katholische Christen vor der altehrwürdigen Tradition der Kirche Ägyptens und in besonderer Weise des erwürdigen Patriarchats von Alexandrien.

In der heutigen Zeit findet die Koptische Kirche in der Gesellschaft ihres Landes hohe Anerkennung durch ihr Bildungswesen und ihre soziale und caritative Arbeit, vor allem aber durch das lebendige geistliche Zeugnis des Mönchtums wie auch der Gemeinden in ihrem alltäglichen Leben, namentlich der Liturgie und der Katechese.

In fruchtbaren Gesprächen zwischen der Koptischen Kirche und der Römisch-Katholischen Kirche ist die Gemeinsamkeit des Zeugnisses gefestigt worden. Gerade in der wichtigsten Frage, die zentrale Bedeutung für unseren Glauben hat, nämlich der Heilsbedeutung Jesu Christi und seines Wesens als Gott und Mensch, brachten schon 1973 Papst Paul VI. und Papst Shenouda III. für die Römisch-Katholische Kirche und die Koptisch-Orthodoxe Kirche ihre Glaubensübereinstimmung zum Ausdruck. Unter Papst Johannes Paul II. wurde sie in offiziellen Dokumenten besiegelt.

So wissen wir uns als Bistum Limburg und als Katholische Kirche in Deutschland mit der Koptisch-Orthodoxen Kirche in gleicher Weise in diesem Christus-Zeugnis verbunden wie mit den christlichen Konfessionen, mit denen wir in unserem Land seit Jahrhunderten zusammenleben.

Das Zeugnis für den Frieden

Vereint in der Betroffenheit über die Gewalttat, wissen wir uns ebenso verbunden im Engagement für Frieden und Versöhnung. Noch in seiner Neujahrsansprache zum Welttag des Friedens hat der Heilige Vater Papst Benedikt eindringlich dazu aufgerufen, religiöse Traditionen niemals zur Begründung für Gewalt werden zu lassen.

Vielmehr stehen die Menschen mit ihren unterschiedlichen religiösen Überlieferungen eng vereint, wenn sie auf ihre je eigene Weise zu Gott beten und den Frieden für diese Welt erflehen. War dies nicht die erste Botschaft von Weihnachten, die sich an die Hirten in Bethlehem richtete? „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade!“

Gott die Ehre geben ist untrennbar verbunden mit dem Gebet für den Frieden und dem mutigen Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit. Gerade auf Grund der jahrhundertelangen kriegerischen Auseinandersetzungen auf unserem Kontinent und in unserem Land stehen wir heute unverrückbar und ohne Einschränkung für gegenseitige Achtung und Respekt ein.

Gewissensfreiheit und Religionsfreiheit müssen jedem einzelnen Menschen gewährt und dürfen durch nichts in Frage gestellt werden. Dies gilt für die Ausübung der eigenen Religion ebenso wie für den Fall, dass jemand in eine andere Religionsgemeinschaft wechseln will, so schmerzlich dies für die Glaubensbrüder und -schwestern auch immer ist.

In gleicher Weise muss der Respekt auch den Gemeinden und Kirchen gelten. Sie verdienen den Schutz durch unsere Gesellschaft, wie ihn die staatlichen Institutionen auch jetzt wieder zugesichert haben und wie er auch durch das Bewusstsein in unserer Gesellschaft immer neu gestärkt werden muss. Wir alle haben Verantwortung, für ein Klima der Offenheit, der gegenseitigen Achtung und der Toleranz zu sorgen und denen Einhalt zu gebieten, die diese missachten und verletzen.

Nicht zum ersten Mal wurden die koptischen Christen in ihrem Heimatland Opfer eines Anschlags. Immer wieder erfahren sie überdies Diskriminierung und Missachtung ihrer Menschenwürde. Deshalb müssen sich auch die verantwortlichen Lenker des Staates mit größerer Ernsthaftigkeit für ihre Verteidigung einsetzen.

Gemeinsames Engagement der Religionen

Der Heilige Vater Papst Benedikt hat die Menschen aller religiösen Traditionen aufgefordert, sich wiederum zum Gebet für den Frieden zu vereinen. Im Jahr 2011 dürfen wir auf 25 Jahre zurück blicken, seit Papst Johannes Paul II. zum ersten Mal in Assisi zum Gebet eingeladen und es zusammen mit den vielen Vertretern aus dem Christentum, dem uns besonders verbundenen Judentum, dem Islam, dem Buddhismus und den vielen anderen Religionsgemeinschaften zum Fundament unseres Engagements für den Frieden gemacht hat.

Dankbar dürfen wir in diesen Tagen feststellen, dass die Empörung und der Abscheu von allen Religionen und gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen öffentlich geäußert werden. Damit ist Terroristen, die sich fälschlich auf den Islam berufen, der Boden entzogen. Auch hier in Deutschland und in dieser Stadt Frankfurt ist dies unmissverständlich von den muslimischen Institutionen zum Ausdruck gebracht worden.

Schutz der Gottesmutter Maria

Die Kirche Ägyptens weiß sich durch die wunderbaren Erscheinungen der Gottesmutter Maria in Zeitun, einem Stadtteil von Kairo, vor gut 40 Jahren in ihrer Überzeugung bestärkt, dass sie in besonderer Weise unter dem Schutz der Jungfrau steht. Sie hat uns den Erlöser geboren. Sie thront an seiner Seite im Himmel und ist ihm verbunden wie kein anderes menschliches Wesen. Ihr vertrauen wir in unseren Gebeten die koptische Kirche an, der der allmächtige Gott auch in diesen schweren Tagen seinen Segen schenken möge.


Ansprache von Weihbischof Berenbrinker im Wortlaut

Wir sind in dieser Stunde zusammengekommen, um als Christen gemeinsam der koptischen Brüder und Schwestern zu gedenken, die in der Neujahrsnacht Opfer eines hinterhältigen Anschlages wurden. Bestürzt und fassungslos stehen wir vor diesem Anschlag extremistischer Gewalttäter. Mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz kann ich ihn nur in aller Deutlichkeit verurteilen. Er ist, wie Papst Benedikt XVI. nach dem Angelus-Gebet am vergangenen Sonntag gesagt hat, „eine Beleidigung gegenüber Gott und der ganzen Menschheit“.

Von frühester Zeit an war die Kirche in Ägypten vertreten. In Treue bewahrte sie das apostolische Erbe und brachte dafür große Opfer. Dies gilt, wie die jüngsten Ereignisse zeigen, bis auf den heutigen Tag.

Zwischen der katholischen Kirche und der koptisch-orthodoxen Kirche bestehen seit Jahrzehnten gute Beziehungen. Voll Dankbarkeit dürfen wir auf die Begegnung von 1973 zwischen Papst Paul VI. und Papst Shenouda III. zurückschauen. Die Gemeinsame Christologische Erklärung, die sie damals unterzeichneten, bringt unsere tiefe Gemeinsamkeit im Glauben an Jesus Christus zum Ausdruck.

In Jesus Christus sind wir miteinander verbunden. Papst Johannes Paul II. hat es in seiner Ansprache bei der ökumenischen Begegnung in der katholischen Kathedrale in Kairo im Jahr 2000 so formuliert: „Unsere Gemeinschaft in dem einen Herrn Jesus Christus … ist bereits eine tiefe und fundamentale Wirklichkeit“. Daher trifft die Gewalt gegen die koptisch-orthodoxe Kirche auch uns, ihr Schmerz ist auch unser Schmerz.

Die Deutsche Bischofskonferenz ist dankbar, dass auch in Deutschland die Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und der koptisch-orthodoxen Kirche durch Verlässlichkeit und wechselseitiges Vertrauen geprägt sind.

Sehr verehrter Bischof Damian, seien Sie gewiss, dass die deutschen Bischöfe Ihnen und allen koptisch-orthodoxen Geschwistern in diesen schweren Tagen nahe sind. Wir trauern mit Ihnen um die Opfer und schließen sie und ihre Angehörigen fest in unser Gebet ein.

Als der Engel des Herrn den Hirten auf dem Feld die Geburt des Messias verkündete, erschallte vom Himmel her die Botschaft: „Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade“ (Lk 2,14). Bitten wir angesichts der Friedlosigkeit dieser Welt den Herrn, dass er allen Christen, die unter Verfolgungen leiden, besonders nahe sein möge und dass er in den Herzen der Menschen die Bereitschaft zu Friede und Versöhnung stärke.



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