Vatikan: Brief zu Missbrauchsverfahren wurde missverstanden

19. Jänner 2011 in Weltkirche


Papst-Sprecher Lombardi stellt Kontext des Briefs des Nuntius in Irland aus dem Jahr 1997 klar, der in einer TV-Dokumentation des öffentlich-rechtlichen irischen Fernsehens RTE vorgelegt wurde


Dublin (kath.net/KAP) Der Vatikan hat Behauptungen irischer Medien zurückgewiesen, die Kirche habe in Irland Strafen für pädophile Priester verhindern wollen. Das Schreiben aus dem Vatikan, das am Montag in einer TV-Dokumentation des öffentlich-rechtlichen irischen Fernsehens RTE vorgelegt wurde, sei missverstanden worden, betonte Sprecher P. Federico Lombardi am Mittwoch laut Radio Vatikan.

Der Vatikan habe in dem vom damaligen Nuntius in Dublin, Erzbischof Luciano Storero, verfassten Schreiben aus dem Jahr 1997 auf eine strikte Beachtung der kirchlichen Rechtsnormen bei Missbrauchsfällen gedrängt, um entsprechenden Geistlichen keine Handhabe zu bieten, sich kirchlichen Strafen zu entziehen, erläuterte Lombardi. Daher seien die Bischöfe aufgefordert worden, die entsprechenden kanonischen Vorschriften genau zu beachten.

Im übrigen seien die vatikanischen Normen und Zuständigkeiten seither grundlegend geändert worden, betonte Lombardi gegenüber Journalisten. Missbrauchsfälle fielen seit 2001 nicht mehr in die Kompetenz der Kleruskongregation, die zum Zeitpunkt des Briefs - 1997 - von Kardinal Dario Castrillon Hoyos geleitet wurde. Vor zehn Jahren sei die Zuständigkeit an die Glaubenskongregation übergeben worden. Seither seien auch die rechtlichen Maßnahmen "deutlich verschärft" worden, betonte Lombardi.

In der RTE-Dokumentation von Montagabend wurde unter anderen der Fall des Priesters Tony Walsh beleuchtet, der 1992 von einem Kirchentribunal wegen Kindesmissbrauchs verurteilt und aus dem Amt entfernt wurde. Walsh focht das Urteil jedoch beim Vatikan an. Und während man in Rom darüber beriet, habe er sein Priesteramt weiter ausgeübt und ein weiteres Kind missbraucht. Zwar bestätigte der Vatikan nach einigen Jahren das Urteil, änderte die Strafe jedoch in einen zehnjährigen Klosteraufenthalt - ein Affront gegen den damaligen Primas von Irland, Desmond Connell, auf dessen Initiative das Tribunal eingerichtet worden war, urteilten die Autoren.

Als Reaktion auf das Bekanntwerden der Übergriffe von Walsh und anderen Priestern stellte die Irische Bischofskonferenz 1996 neue Richtlinien zum Schutz von Kindern auf, nach denen jeder ernsthafte Missbrauchsverdacht gegen Priester automatisch der Polizei gemeldet werden sollte. Kurz nach der Veröffentlichung der neuen Bestimmungen, so hieß es im Bericht, hätten die Bischöfe jedoch über den Nuntius Gegenwind aus Rom zu spüren bekommen.

Später, bei einem Treffen der irischen Bischöfe in der vatikanischen Kleruskongregation, habe der damalige Präfekt der Kongregation, Kardinal Castrillon Hoyos angemahnt, dass die Bischöfe zu ihren Priestern wie "ein Vater und nicht wie ein Polizist" sein sollten. Der Bischof von Meath, Michael Smith, sagte in der Dokumentation dazu: "Man sah Missbrauch immer noch als moralische Angelegenheit, die nur den Priester und seinen Bischof anging und nicht als kriminelle Aktivität, die weitreichende Auswirkungen hatte nicht nur für das Kind, sondern auch dessen Familie. Das ist eine große Wunde im Leben der Kirche."

Die Sendung befasste sich auch eingehend mit dem Umgang des damaligen Kurienkardinals Joseph Ratzinger, als Präfekt der Glaubenskongregation und später als Papst, mit der Missbrauchskrise. Es wird dargestellt, dass er zwar schon früh - auch gegen den Widerstand anderer Kardinale wie Castrillon Hoyos - auf eine koordinierte Antwort auf die Missbrauchsfälle gedrängt habe. Die jüngeren Bemühungen des Papstes, das Missbrauchsproblem anzugehen, werden in der Sendung lobend erwähnt. Doch, so der Abschlusskommentar, bevor der Vatikan nicht eingestehe, "dass es gerade die Struktur dieser Institution ist, die zu diesem Problem beigetragen hat, wird eine Erneuerung der katholischen Kirche nur sehr schwer zu erreichen sein".

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