5. Februar 2011 in Aktuelles
Johannes Paul II. jeden Samstag auf kath.net: Durch die Aufgaben, zu denen der Priester persönlich berufen ist, das heißt durch die Predigt und die Leitung der Gläubigen, ist Christus in der Pfarrgemeinde gegenwärtig
Vatikan (kath.net) "Es wird deshalb notwendig sein, jede Form zu vermeiden, die de facto dahin tendiert, die Leitung des Pfarrers und Priesters zu untergraben, weil sonst die Physiognomie der Pfarrgemeinde entstellt wird", sagte Papst Johannes Paul II. am 23. November 2001 in seiner Ansprache bei der Audienz für die Teilnehmer an der Vollversammlung der Kongregation für den Klerus. Kath.net dokumentiert die Ansprache im Wortlaut (die kursiven Überschriften sind redaktionelle Einschübe).
1. Die Funktion des Priesters in der Pfarrgemeinde rückt die zentrale Stellung Christi ins Licht
Ich begrüße die Herren Kardinäle, die hochwürdigsten Brüder im Bischofsamt und die übrigen Teilnehmer eurer Vollversammlung, die ein für das Leben der Kirche sehr wichtiges Thema behandelt hat: »Der Priester, Hirte und Leiter der Pfarrgemeinde.« Wenn der Akzent auf der Funktion des Priesters in der Pfarrgemeinde liegt, wird die zentrale Stellung Christi ins Licht gerückt, die in der Sendung der Kirche immer hervortreten muss.
Christus ist in seiner Kirche im Allerheiligsten Altarsakrament in erhabenster Weise gegenwärtig. Das II. Vatikanische Konzil lehrt in der dogmatischen Konstitution Lumen gentium, dass der Priester »in persona Christi« das Messopfer feiert und die Sakramente spendet (vgl. 10).
Wie mein ehrwürdiger Vorgänger Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei hervorhob, ist Christus auch durch die Aufgaben, zu denen der Priester persönlich berufen ist, das heißt durch die Predigt und die Leitung der Gläubigen, gegenwärtig.
2. Die kirchliche Gemeinschaft benötigt unbedingt das Priesteramt, damit in ihr Christus, Haupt und Hirte, gegenwärtig ist
Christi Gegenwart, die sich im allgemeinen und täglich auf diese Weise verwirklicht, macht die Pfarrei zu einer wahren Gemeinschaft von Gläubigen. Es ist deshalb für die Pfarrei von grundlegender Bedeutung, einen Priester als eigenen Hirten zu haben. Und die Bezeichnung Hirte ist dem Priester vorbehalten.
Die Priesterweihe ist für ihn die unerlässliche und unumgängliche Voraussetzung, dass er gültig zum Pfarrer bestellt wird (vgl. Codex des kanonischen Rechts, can. 521, § 1). Gewiss können ihm andere Gläubige als Mitarbeiter auch ganztägig zur Seite stehen, aber sie können ihn als Hirten nicht ersetzen, weil sie das Weiheamt nicht empfangen haben.
Bestimmt wird diese besondere kirchliche Physiognomie des Priesters durch die grundlegende Beziehung, die er zu Christus, dem Haupt und Hirten, als seine sakramentale Vergegenwärtigung hat. Im Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis betonte ich: »Die Beziehung zur Kirche gehört eben zu der einzigartigen Beziehung des Priesters zu Christus, und zwar in dem Sinn, dass die sakramentale Vergegenwärtigung Christi die Beziehung des Priesters zur Kirche begründet und beseelt« (16).
Die kirchliche Dimension gehört zum Wesen des Weihepriestertums. Es steht ganz im Dienst der Kirche, so dass die kirchliche Gemeinschaft unbedingt das Priesteramt benötigt, damit in ihr Christus, Haupt und Hirte, gegenwärtig ist. Während das allgemeine Priestertum sich aus der Tatsache ergibt, dass das christliche Volk von Gott als Brücke zur Menschheitsfamilie gewählt wird und jeden Gläubigen betrifft, insofern er in dieses Volk eingegliedert ist, ist das Priesteramt hingegen Frucht einer Erwählung, einer besonderen Berufung: »Jesus rief seine Jünger zu sich und wählte aus ihnen zwölf aus« (vgl. Lk 6, 13 16).
Dank dem Priesteramt sind sich die Gläubigen ihres allgemeinen Priestertums bewusst und üben es aus (vgl. Eph 4, 11 12); denn der Priester erinnert sie daran, dass sie Volk Gottes sind, und er befähigt sie, jene »geistigen Opfer darzubringen« (vgl. 1 Petr 2, 5), durch die Christus selbst uns zu einem ewigen Geschenk an den Vater macht (vgl. 1 Petr 3, 18).
Ohne Christi Gegenwart, die vom Pfarrer, der sakramentalen Leitung der Gemeinschaft, vertreten wird, wäre diese keine vollständige kirchliche Gemeinschaft.
3. Ohne die Verehrung der Eucharistie als eigenes pulsierendes Herz verhärtet sich die Pfarrei
Zuvor sagte ich, dass Christus in der Kirche in einzigartiger Weise gegenwärtig ist: in der Eucharistie, der Quelle und dem Höhepunkt des kirchlichen Lebens. Er ist in der Feier des heiligen Messopfers wirklich gegenwärtig und ebenso, wenn das geweihte Brot im Tabernakel aufbewahrt wird »als geistiges Herz der religiösen und pfarrlichen Gemeinschaft« (Paul VI., Enzyklika Mysterium fidei). Aus diesem Grund empfiehlt das II. Vatikanische Konzil: »Die Pfarrer sollen dafür sorgen, dass die Feier des eucharistischen Opfers Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde ist« (Christus Dominus, 30).
Ohne die Verehrung der Eucharistie als eigenes pulsierendes Herz verhärtet sich die Pfarrei. Nützlich ist es, hier auf das zu verweisen, was ich im Apostolischen Schreiben Dies Domini sagte: »Unter den zahlreichen Aktivitäten, die eine Pfarrei ausübt, ist keine so lebensnotwendig oder gemeinschaftsbildend wie die sonntägliche Feier des Tages des Herrn und seiner Eucharistie« (35). Nichts wird sie je ersetzen können. Wenn es absolut keine Möglichkeit gibt, die sonntägliche Anwesenheit des Priesters sicherzustellen, ist auch der Wortgottesdienst allein lobenswert, damit der Glaube lebendig bleibt, aber als Ziel muss immer die regelmäßige Eucharistiefeier angestrebt werden.
Wo der Priester fehlt, muss man Gott beharrlich und gläubig bitten, er möge viele und heilige Arbeiter in seinen Weinberg senden. In dem genannten Apostolischen Schreiben Pastores dabo vobis betonte ich, dass »heute aus dem betenden Warten auf neue Berufe zunehmend eine ständige Haltung werden muss, die in der ganzen christlichen Gemeinschaft und in jedem kirchlichen Umfeld weithin geteilt wird« (Nr. 38).
Der Glanz priesterlicher Identität, die ganzheitliche Ausübung des damit verbundenen Hirtendienstes, vereint mit dem Bemühen der ganzen Gemeinschaft in Gebet und persönlicher Buße, sind die unumgänglichen Grundlagen für eine notwendige und unaufschiebbare Berufungspastoral.
Es wäre ein gefährlicher Irrtum, den heutigen Schwierigkeiten nachzugeben und so zu tun, als müsse man sich auf eine Kirche von morgen einstellen, die ohne Priester ist. Auf diese Weise wären die Maßnahmen, die getroffen wurden, um den derzeitigen Mangel zu beheben, für die kirchliche Gemeinschaft trotz allem guten Willen tatsächlich ernsthaft gefährdet.
4. darum ist die Homilie dem Priester vorbehalten
Die Pfarrei ist auch bevorzugter Ort der Verkündigung des Wortes Gottes. Diese gliedert sich in verschiedene Formen, und jeder Gläubige ist gerufen, sich aktiv daran zu beteiligen, besonders durch das Zeugnis des christlichen Lebens und die ausdrückliche Verkündigung des Evangeliums sowohl an die Nichtglaubenden, um sie zum Glauben zu führen, als auch an die schon Glaubenden, um sie zu unterweisen, zu stärken und zu einem eifrigeren Glaubensleben anzuspornen.
Was den Priester betrifft, »verkündet er das Wort in seiner Eigenschaft als Diener, der an der prophetischen Vollmacht Christi und der Kirche teilhat« (Pastores dabo vobis 26). Um dieses Amt getreu auszuüben und dem empfangenen Geschenk zu entsprechen, muss »der Priester zuallererst selber eine große persönliche Vertrautheit mit dem Wort Gottes entwickeln« (ebd.).
Auch wenn er von anderen nichtgeweihten Gläubigen in der Redegewandheit übertroffen werden sollte, würde dies seine Aufgabe, sakramentale Darstellung Christi, des Hauptes und Hirten, zu sein, nicht auslöschen, denn aus ihr erwächst vor allem die Wirksamkeit seiner Predigt.
Die Pfarrgemeinde braucht diese Wirksamkeit, besonders im Augenblick der Verkündigung des Wortes Gottes durch die geweihten Amtsträger: Gerade darum sind die liturgische Verkündigung des Evangeliums und die danach folgende Homilie dem Priester vorbehalten.
5. jede Form vermeiden, die de facto dahin tendiert, die Leitung des Pfarrers und Priesters zu untergraben
Auch die Aufgabe, als Hirte die Gemeinschaft zu leiten, die besondere Aufgabe des Pfarrers, erwächst aus seiner besonderen Beziehung zu Christus, dem Haupt und Hirten. Es ist eine Aufgabe, die sakramentalen Charakter hat. Sie ist dem Priester nicht von der Gemeinschaft anvertraut, sondern sie wird ihm vom Herrn übertragen durch den Bischof. Dies klar zu bekräftigen und diese Aufgabe mit schlichter Bewährtheit auszuüben ist ein unerlässlicher Dienst an der Wahrheit und der kirchlichen Gemeinschaft.
Die Mitarbeit anderer, die diese sakramentale Ähnlichkeit mit Christus nicht empfangen haben, ist wünschenswert und oft notwendig. Dennoch dürfen sie in keiner Weise die Hirtenaufgabe, die dem Pfarrer eigen ist, ersetzen.
Die äußersten Fälle des Priestermangels, die bei der Wahrnehmung der Seelsorgsaufgaben einer Pfarrei eine verstärkte und weiterreichende Mitarbeit von Gläubigen erfordern, die nicht mit dem Weihepriestertum bekleidet sind, stellen keine Ausnahme dieses wesentlichen Merkmals der Seelsorge dar, wie es eindeutig von der kanonischen Regelung festgelegt ist (vgl. Codex des Kanonischen Rechts, can. 517, §2).
In diesem heute sehr aktuellen Bereich ist das interdikasteriale Schreiben Ecclesiae de mysterio, das ich in besonderer Weise approbiert habe, die sichere Leitlinie, die zu befolgen ist.
In der Erfüllung der eigenen Leitungspflicht und persönlichen Verantwortung wird der Pfarrer aus den vom kanonischen Recht vorgesehenen Beratungsorganen gewiss Nutzen ziehen (vgl. Codex des kanonischen Rechts, cann. 536 537); aber letztere müssen ihrer beratenden Zielsetzung treu bleiben.
Es wird deshalb notwendig sein, jede Form zu vermeiden, die de facto dahin tendiert, die Leitung des Pfarrers und Priesters zu untergraben, weil sonst die Physiognomie der Pfarrgemeinde entstellt wird.
6. Ad Jesum per Mariam
Ich denke jetzt voll Liebe und Dankbarkeit an die Pfarrer in aller Welt, besonders an diejenigen, die an den Vorposten der Evangelisierung wirken. Ich ermutige sie, in ihrer mühevollen Aufgabe fortzufahren, die wirklich für die ganze Kirche wertvoll ist. Ich empfehle jedem einzelnen, bei der Ausübung des täglichen pastoralen »munus« die mütterliche Hilfe der allerseligsten Jungfrau Maria in Anspruch zu nehmen und in tiefer Gemeinschaft mit ihr zu leben.
»Im Priesteramt«, so schrieb ich in dem Brief an die Priester zum Gründonnerstag 1979, »gibt es die wunderbare und durchdringende Dimension der Nähe zur Mutter Christi« (Nr. 11). Wenn wir die heilige Messe feiern, liebe Brüder im Priesteramt, steht neben uns die Mutter des Erlösers, die uns in das Geheimnis des Erlösungsopfers ihres göttlichen Sohnes einführt. »Ad Jesum per Mariam«: Das sei unser tägliches geistliches und pastorales Lebensprogramm!
Mit diesen Gefühlen versichere ich euch meines Gebets und erteile jedem meinen besonderen Apostolischen Segen, in den auch alle Priester der Welt eingeschlossen sind.
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