Bischof Kapellari: Bin mit Leuten, die aufbegehren, ziemlich geduldig

22. Februar 2011 in Österreich


Grazer Bischof in "Frontal"-Interview über Umgang mit Ungehorsam in der Kirche: Verteidige aber mit "Vernunft, Intuition, Empathie" Werte und Grenzen, ohne die keine Großgemeinschaft auskommt


Graz (kath.net/KAP) "Ich bin mit Leuten, die aufbegehren, ziemlich geduldig": So kommentierte der Grazer Bischof Egon Kapellari seinen Umgang mit Ungehorsam und Grenzüberschreitungen in der Kirche. Er "versuche Emotionen zu verstehen, die Menschen, auch Priester dazu bringen, sich gegen die bestehende Ordnungen in der Kirche aufzulehnen", erklärte er in einem Interview mit dem steirischen Nachrichtenmagazin "Frontal".

Zugleich betonte der Bischof die Wichtigkeit von Werten und Grenzen, die die bestehende Ordnung der Kirche setze. "Die Ordnung ist wichtig, und es gibt in der Kirche wie in jeder großen Gemeinschaft Vorgaben, die nicht zur Disposition stehen", betonte Kapellari. "Aber der Wunsch danach, diese Ordnung zu erhalten, muss von Liebe beseelt sein."

Auf die Frage, ob etwa manche Priester zittern müssten, von ihm "zum Rapport bestellt zu werden", antwortete der Grazer Bischof, er handle im Umgang mit Menschen, die innerkirchliche Ordnungen angreifen, "mit einer Synthese von Vernunft, Intuition, Empathie". Dies geschehe im Bewusstsein, "dass Druck Gegendruck erzeugt" und auch von der Sache her gerechtfertigter Druck "das Gegenteil des Gewollten bewirken kann".

Kapellari äußerte sich zu steirischen Priestern, die wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zulassen und dazu auch öffentlich stehen: "In einer Zeit, in der Verbindlichkeiten generell in Frage stehen, macht diese Entwicklung auch vor der Kirche nicht halt." Wer ein Versprechen wie jenes zur unauflöslichen Ehe gegeben habe "und es nicht einhalten kann, den soll man nicht verurteilen, sondern nach Kräften helfen auf seinem weiteren Weg voranzukommen". Zugleich vertrat Kapellari die Auffassung, dass der Betreffende aus dem gebrochenen Versprechen "nicht ohne Selbstbehalt aussteigen" könne.

Dies gelte auch für den Zölibat. "Wenn sich jemand so weit von seinen Verbindlichkeiten entfernt, dass er in einer psychologisch verständlichen Reaktion die Verantwortung nur anderen auflädt, dann ist das ungerecht", sagte Kapellari. Viel zu rasch werde die Schuld vermeintlich "unmenschlichen Strukturen der Kirche" zugeschrieben. "Aber", so der Bischof, "niemand muss Priester, Mönch oder Nonne werden, es muss auch niemand heiraten. Wenn er aber diese Möglichkeit ergreift, dann muss er die damit verbundenen Verbindlichkeiten auch auf sich nehmen. Das versuche ich in Gesprächen zu vermitteln, nie verurteilend, das ist nicht meine Art, aber deutlich und um Verständnis werbend." Wenn sich jemand dagegen auflehne, "muss ich das aushalten", so Kapellari. "Das gibt es auch in Familien."

Gegen Stellungnahmen auf Zuruf

In deutlicher Form distanzierte dich der Diözesanbischof in dem äußerst konfrontativen Interview von "bestellten" Äußerungen zu gesellschaftspolitischen Aktualitäten. Wenn z.B. der überteuerte Dienstwagenkauf eines steirischen Wirtschaftskammerfunktionärs zum medialen Aufreger werde, sehe er keine Notwendigkeit, dem Chor der Kritiker noch eine weitere Stimme hinzuzufügen. Die Haltung der Kirche zur Gier sei eindeutig und werde täglich von Zehntausenden Katholiken, die einen "Gegenentwurf" dazu lebten, beantwortet.

Jenseits derartiger Anlässe wollten Medien aber nichts hören über Dinge, die ihm als Bischof wichtiger seien: Kapellari nannte als Beispiel Fragen zum Schutz des ungeborenen Kindes und der Euthanasie. "Bei diesen Themen wünsche ich mir dringend, dass man die Stimme der Kirche stärker hört und dass sie von den Medien nicht zensuriert wird", unterstrich Kapellari.

Auf den Vorwurf an die Kirche, gesellschaftspolitisch zu wenig offensiv zu sein, meinte der Bischof, die Öffentlichkeit könne "uns nicht vorschreiben, was sie von uns hören möchte". Die Kirche spreche mit vielen Stimmen, es sei auch "nicht nötig, dass der Bischof zu jedem bekannten und relevanten ethischen Thema eine Aussage von sich gibt". Deshalb halte er sich z.B. auch zu Weihnachten mit einer "Konsumschelte" zurück, "weil mir das zu billig ist". Die Botschaft der Kirche, auch ihre sozialpolitische Botschaft, sei "für den, der sie hören will, sehr gut hörbar".

Kapellari erinnerte an ein Wort von Bert Brecht: "Was sind das für Zeiten, wo ein Gespräch über Bäume fast ein Verbrechen ist, weil es ein Schweigen über so viele Untaten einschließt." Dies passe auch für die heutige Zeit, so Kapellari: "Ich will aber trotzdem auch über Bäume reden, und noch viel mehr über Gott."

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