Anthroposophie: Die okkulten Lehren des Rudolf Steiner

8. März 2011 in Chronik


War Steiner Wissenschaftler oder Geisterseher? Ist die Anthroposophie harmlos oder bedenklich?


Karlsruhe (kath.net/idea) In vielen Medien wurde des 150. Geburtstags von Rudolf Steiner gedacht, der am 27. Februar 1861 als Sohn eines österreichischen Bahnwärters in Kroatien geboren wurde. Steiner prägt bis heute besonders viele Intellektuelle im deutschsprachigen Europa. Dazu ein Beitrag von Dr. Jan Badewien, Direktor an der Evangelischen Akademie Baden (Karlsruhe).

Wer war Rudolf Steiner? Ein Geistesforscher und Weltenlehrer, wie seine Anhänger sagen, oder ein Scharlatan, wie seine Gegner meinen? War er – aufgrund seiner Mithilfe bei der Gründung der „Freien Christengemeinde“ – ein Erneuerer des Christentums oder ein Esoteriker und Okkultist, der die Basis des christlichen Glaubens verlassen hat (auch wenn er zeitlebens Mitglied der katholischen Kirche blieb)? Ist er ein genialer Anreger für Pädagogen, Ärzte, Landwirte, Architekten und Künstler – oder ein Dilettant, der einfach alle lebensreformerischen Bewegungen seiner Zeit aufgesogen hat?

Rudolf Steiner: ein Wissenschaftler oder ein Geisterseher?

Rudolf Steiner wird so kontrovers diskutiert wie kaum eine andere Persönlichkeit vor 100 Jahren. Dass er deutliche Spuren hinterlassen hast, bestreitet niemand: Waldorfpädagogik, biologisch-dynamischer Landbau und anthroposophische Medizin gehören zum festen Bestand unserer Gesellschaft – und sie haben weithin einen guten Ruf. Weniger bekannt ist hingegen, dass alle diese lebensreformerischen Bemühungen auf der von Steiner geprägten Lehre – der „Anthroposophie“ – beruhen.
Für Christen sollte es nicht in erster Linie um die Frage nach der Qualität der verschiedenen praktischen Folgen gehen. Das mögen die Fachleute diskutieren. Für Christen muss die Auseinandersetzung mit der Anthroposophie selbst von erstrangiger Bedeutung sein, spricht sie doch von Jesus Christus, von der Bibel, von den vier, ja fünf (für Steiner) Evangelien, von Gott, vom Heilsweg des Menschen – und damit vom ureigensten Gebiet unseres christlichen Glaubens. Steiner studierte in Wien Naturwissenschaften. Er lernte Goethes naturwissenschaftliche Schriften kennen und wirkte an ihrer kritischen Herausgabe in Weimar mit. Seinen Doktortitel erwarb Steiner in Philosophie. Um 1900 kam es zu einem Bruch in seinem Leben: Er erhielt in Berlin Kontakt zu Mitgliedern der „Theosophischen Gesellschaft“ und schloss sich – für seine Freunde überraschend – dieser Bewegung an, die versucht, aus allen Elementen aller Religionen eine einzige Menschheitsreligion zu schaffen.

„Anthroposophie“: die „Weisheit vom Menschen“

Seit 1901 wirkte er als Generalsekretär ihrer deutschen Sektion. In zahlreichen Büchern, Aufsätzen und Vorträgen, die auch heute noch zum Grundbestand der Anthroposophie zählen, formulierte er auf der Basis theosophischer, christlicher, philosophisch-idealistischer Elemente seine Weltanschauung, die er nach der Trennung von den Theosophen 1913 „Anthroposophie“ (die „Weisheit vom Menschen“) nannte. Während des Ersten Weltkriegs erbaute er mit Schülern aus vielen europäischen Ländern in Dornach bei Basel ein Schulungszentrum und einen Weiheraum, der zuerst „Johannesbau“, später „Goetheanum“ genannt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte er aus der Anthroposophie die Waldorfpädagogik, Grundzüge der anthroposophischen Medizin, des biologisch-dynamischen Landbaus und die „Freie Christengemeinschaft“, die institutionell unabhängig blieb und der er nie angehört hat. Während der Neujahrsnacht 1922/23 brannte das Gebäude ab, vermutet wird Brandstiftung. Später formte Steiner ein Modell für das jetzige „Goetheanum“, einen Betonbau, der für die anthroposophische Kunst stilbildend wirkte. 1925 starb Steiner in Dornach.

In klarer Distanz zum christlichen Glauben

Die Anthroposophie will einen Weg zum wahren Lebensziel bahnen. Steiner bezeichnet sie als einen Erkenntnisweg, „der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte“. Er erhebt dafür den Anspruch der Wissenschaftlichkeit, da die Forschung in der übersinnlichen Welt in methodischer Weise durchgeführt werde. Daher nennt er die Anthroposophie auch „Geisteswissenschaft“: die Wissenschaft von der (übersinnlichen) „geistigen Welt“, die über die Grenzen bisherigen Erkennens hinausführen soll, oder auch „Geheimwissenschaft“. Sie ist für Außenstehende geheim, verborgen – „okkult“.
Damit wendet sich Steiner klar vom christlichen Glauben ab. Aus seinem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ lässt sich ableiten:
• es geht Steiner um Erkenntnisse – nicht um Glauben;
• es gibt für ihn einen Weg, sie zu erlangen – sie sind kein Geschenk;
• es geht ihm um höhere Welten – und nicht um die äußere Welt, die auch von anderen erforscht werden kann.

Zudem entwirft Rudolf Steiner ein höchst komplexes Menschenbild. Kernelemente sind zwei „geistige Gesetze“, die er zu erkennen behauptet: die „Reinkarnation“ und das „Karma“. Laut „Reinkarnation“ vollzieht sich die Entwicklung des Ich über viele Erdenleben hinweg. Das Karma bestimmt das Schicksal. Es steht für Kausalität, ist ein „geistiges Ursachengesetz“, steht aber auch für Gerechtigkeit, denn jeder Mensch erhält in seinem Leben, was er sich in früheren Erdenleben verdient hat. Vom Karma erlöst kein vergebender Gott, jeder muss es selbst reinigen und damit seine Schuld tilgen. Reinkarnation und Selbsterlösung mittels des Karma widersprechen eindeutig den biblischen Grundwahrheiten.

Steiner vertritt ein esoterisches Christus-Bild

Doch damit nicht genug. Unter Christus versteht Steiner die höchste geistige Wesenheit, die während der Taufe Jesu durch Johannes aus dem Sonnendasein herabsteigt in den Körper Jesu. Dieser Jesus sei auf vielfältige Weise auf die Aufnahme des Christus vorbereitet worden, kulminierend in der Geburt zweier Jesusknaben. Der Jesus im Matthäus-Evangelium sei eine Inkarnation des Zarathustra gewesen, der Jesus im Lukas-Evangelium wurde umschwebt von der Aura des Buddha. Im Alter von 12 Jahren habe sich das Zarathustra-Ich aus dem matthäischen Jesus in den lukanischen umgelagert. Spirituell habe hier die Vereinigung von Zarathustrismus und Buddhismus stattgefunden, die nun im Christentum enthalten seien. Bei der Taufe verlässt Zarathustra Jesus, nun senkt sich die Christus-Wesenheit in ihn ein. Bei der Kreuzigung (dem „Mysterium von Golgatha“) zieht Christus in die Erdenaura ein. Er wirkt seither als „Christus-Impuls“ für die Menschen und hilft ihnen, den Aufstieg in die geistige Welt über zahlreiche Inkarnationen zu erreichen. Steiners Christus nimmt übrigens nur das „Weltenkarma“ auf sich – jenen Teil einer Schuld, der das Weltganze betrifft und nicht den einzelnen Täter. Auch stärkt der „Christus-Impuls“ die Ich-Kräfte des Menschen und ermöglicht ihm den stufenweisen Aufstieg in die geistige Welt. Woher nimmt Steiner die Inhalte für solche Spekulationen? Aus der Bibel hat er sie nicht. Die braucht er auch nicht mehr, denn seine Erkenntnisquelle ist die „Akasha-Chronik“, ein angebliches „geistiges Weltengedächtnis“, zu dem Steiner mittels seiner „Wissenschaft“ Zugang zu haben behauptet. Ihr entnimmt er seine „Menschenkunde“ – die Grundlage für anthroposophische Medizin und Pädagogik – und auch sein Christusbild. Steiner spricht von einem „Fünften Evangelium“, das richtiger sei als die vier biblischen: deren Autoren hätten ihren Text ebenfalls aus der „Akasha-Chronik“, er sei aber durch die lange Überlieferung, durch das vielfache Abschreiben, verfälscht worden.

Anthroposophie – keine Form christlichen Glaubens

Während Steiners Anhänger bis heute begeistert sind und ihn bewundern, stehen ihm Christen aller Konfessionen – zu Recht – sehr skeptisch gegenüber: Anthroposophie zeigt sich als eine esoterische Weltanschauung, deren Quelle nicht diskutierbar ist, da sie nur von „Eingeweihten“ eingesehen werden kann. Menschenbild wie Christusbild fließen aus Steiners eigener, neuer „Offenbarung“:
• An die Stelle des in Jesus Mensch gewordenen Gottes tritt eine unhistorische ewige Christus-Wesenheit.
• An die Stelle der verheißenen Auferstehung tritt „Reinkarnation“ – eine Folge vieler Erdenleben.
• An die Stelle der Gnade Gottes, die den Schuldigen annimmt, tritt die Notwendigkeit, aus eigener Kraft das negative „Karma“ abzuarbeiten.

Anthroposophie entpuppt sich damit als eine Selbsterlösungslehre. Die Mitte des Evangeliums ist preisgegeben, eine neue Gesetzlichkeit hält Einzug. Die Verwendung vieler christlicher Begriffe täuscht nicht darüber hinweg: Zwischen Anthroposophie und christlichem Glauben besteht ein fundamentaler Unterschied.
Der Einfluss der Anthroposophie Der Einfluss der Anthroposophie ist viel größer, als die Zahl der Anthroposophen vermuten lässt. Dafür sprechen rund 1.000 Waldorfschulen, 3.500 Bauernhöfe und rund 10.000 Unternehmer, die sich auf die Lehren Rudolf Steiners berufen. Dazu gehören die Ethikbank GLS, Demeter, Tegut, die Bio-Kette Alnatura, die Kosmetikmarken Weleda und Dr. Hauschka sowie die Software AG (die Nr. 2 unter den deutschen Softwareherstellern). Als Anthroposoph versteht sich auch der Chef einer der größten Drogerieketten, dm: Götz Werner.

Biologisch-Dynamische Landwirtschaft

Etwa 3.500 Landwirtschaftsbetriebe produzieren Nahrungsmittel nach den Prinzipien Rudolf Steiners (vor allem die Marke Demeter). Das heißt, sie vermeiden künstlichen Dünger sowie chemische Spritzmittel. Die Aussaat richtet sich nach den Mondphasen.

Waldorf-Pädagogik

Neben den weltweit 1.600 Kindergärten gibt es rund 1.000 Waldorfschulen, in denen Kinder eine gemeinsame Ausbildung erhalten, d. h. es gibt keine Differenzierung zwischen Haupt-, Realschule und Gymnasium. Sitzenbleiben ist nicht möglich. Gefördert wird besonders der musische und handwerkliche Unterricht. Anthroposophisch ausgerichtet sind auch die Universität Witten-Herdecke und die Alanus Hochschule bei Bonn.

Anthroposophische Medizin

In der Schweiz wirken drei, in Deutschland fünf Krankenhäuser nach anthroposophischen (ganzheitlichen, wie es heißt) Richtlinien, denen sich auch rund 1.000 Ärzte in der „Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte“ verpflichtet fühlen. Auf anthroposophischer Basis – aus natürlichen Rohstoffen – werden z. B. von Weleda (Sitz in Arlesheim bei Basel) etwa 1.500 Arzneimittel hergestellt.


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