Petrus und Judas

9. März 2011 in Spirituelles


Vom Vertrauen auf die Barmherzigkeit und Vergebung Gottes. Von P. Bernhard Speringer und Jennifer Hartline


Goldlach (kath.net)

Die Verleugnung Petri

Die Fastenzeit ist als Vorbereitung auf Ostern eine zutiefst spirituell geprägte Zeit. Wir bereiten uns auf Ostern vor durch Fasten, Gebet und gute Werke. Vor allem soll sich aber in meinem Leben etwas ändern – in Hinblick auf meine Liebe und meine Dankbarkeit gegenüber dem Herrn, der für mich gelitten hat und für mich gestorben ist.

„Der Weg durch die Fastenzeit, auf dem wir eingeladen sind, das Geheimnis des Kreuzes zu betrachten, bedeutet, dass ‚sein Tod mich prägen soll‘ (Phil 3,10), um eine tiefe Umkehr in unserem Leben verwirklichen zu können“, schrieb kürzlich Papst Benedikt XVI. in seiner Botschaft zur Fastenzeit.

Die Passion Christi und sein Tod am Kreuz sollen uns in der Fastenzeit immer vor Augen stehen. Deshalb ist es angebracht, bereits zu Beginn der Fastenzeit einen Blick auf die Passion des Herrn zu werfen, um daraus vielleicht den einen oder anderen konkreten Vorsatz für die nächsten 40 Tage zu machen.

Wenn wir die Passionsgeschichte lesen, fällt vor allem eines auf: die Bedeutung, welche die Evangelisten der Verleugnung des hl. Petrus, des ersten Apostels, des ersten Papstes, geben. Dieser Verleugnung wird vor allem im Markus-Evangelium besonderes Gewicht verliehen. Sie wird bis in alle – für Petrus beschämenden – Einzelheiten berichtet.

Wir wissen, dass der Evangelist Markus später in Rom eine Art „Sekretär“ von Petrus war. Sein Evangelium stützt sich in erster Linie auf Aussagen und Zeugnisse von Petrus. Petrus selbst hat also die Geschichte seiner Verleugnung verbreitet und bekannt gemacht. Er hat gewissermaßen in seinen Predigten eine Art „öffentliche Beichte“ abgelegt.

Warum? Vielleicht wollte Petrus allen, die nach ihm ebenso den Herrn verraten und verleugnen werden, Hoffnung geben. Vielleicht wollte er allen, die nach ihm fallen werden, gerade von der empfangenen Vergebung berichten und sagen:

Keine Sünde kann so schwer sein, als dass der Herr sie nicht vergeben könnte;

kein Verrat Gottes kann so groß sein, als dass die Barmherzigkeit Gottes nicht noch größer wäre;

keine Verleugnung kann so beschämend und verdemütigend sein, als dass wir daran verzweifeln müssen.

Und wenn Petrus das sagt, dann ist das keine leere Phrase, sondern die Erfahrung der Barmherzigkeit Gottes am eigenen Leib. Beim letzten Abendmahl hat Jesus dem Petrus vorausgesagt, dass er ihn dreimal verleugnen werde und Petrus hat noch großspurig angekündigt: „Und wenn ich mit dir sterben müsste - ich werde dich nie verleugnen.“

Und schon wenige Stunden später – nach der Verhaftung Jesu – ist aus dieser selbstbewussten Ankündigung ein dreimaliger Verrat geworden: „Ich kenne diesen Menschen nicht...“

Petrus und Judas

In der Markuspassion fällt noch etwas auf: die Parallele zwischen Judas und Petrus.

Nach der Verleugnung des Petrus schreibt das Evangelium: „Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an. ... Und er ging hinaus und weinte bitterlich.“ (Lk 22,61)

Jesus hat nicht nur die Verleugnung des Petrus, sondern auch den Verrat des Judas vorausgesagt. Den Judas hat der Herr nicht nur angeblickt, sondern er hat ihn geküsst. Judas ging weg und erhängte sich. (Mt 27,5)

Rein äußerlich betrachtet trifft Petrus und Judas dasselbe Schicksal. Beide haben den Herrn verraten, beide haben ihre Schuld erkannt und bereut, beiden hat der Herr selbst nach dem Verrat seine Liebe erwiesen. Worin liegt nun der Unterschied und warum enden die scheinbar gleichen Schicksale der beiden Apostel auf so dramatisch verschiedene Weise?

Der Unterschied besteht in einer einzigen Sache: Petrus hatte Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes – Judas nicht.

Echte Reue statt Selbstmitleid

Jesus zu verraten, war nicht das Schlimmste, was Judas getan hat. So abscheulich dieses Vergehen war, es führte nicht zu Judas‘ tragischem Ende.

Sein Untergang war, dass er die Hoffnung verloren hatte. Er hat entweder nicht an die Vergebung geglaubt, oder er hat nicht darauf vertraut, dass ihm diese Vergebung geschenkt wird; oder aber er entschied, dass er sich selbst nicht vergeben könnte bzw. sich selbst vergeben würde – und somit hat er sich der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung ergeben.

Es mag vielleicht scheinen, dass seine Verzweiflung Beweis für seine große Reue darüber war, was er seinem Freund und Meister angetan hat.

Reue ist aber etwas völlig anderes. Reue ist für unsere Seele immer ein Gewinn. Echte Reue führt zurück, führt zu Vergebung, echte Reue ist eine besondere Art der Liebe gegenüber der Person, die man verraten hat.

Wenn unsere Reue lediglich Enttäuschung über uns selbst und unser Versagen ist, dann ist es keine Reue sondern purer Hochmut, dann begeben wir uns selbst in die Hoffnungslosigkeit und bezeichnen es auch noch als gerechte Strafe.

Eine solche Art Reue möchte Jesus nicht, denn es ist kein Beweis meiner Liebe zu ihm, wenn ich in meiner scheinbaren Reue sage: „Ich verdiene keine Vergebung…“ oder „Ich kann mir selbst einfach nicht vergeben…“ Wenn ich mir selbst nicht vergeben kann heißt das nur, dass ich meinem verwundetem Stolz und nicht seiner Liebe, seiner leidenden Liebe den Vorzug gebe.

Echte Demut statt Verzweiflung

Vielleicht hat sich Petrus nach seinem Verrat auch den eigenen Tod gewünscht, genauso wie Judas es tat. Für einen Moment lang war das sicher der einzig denkbare Ausweg aus seiner Schuld.

Der rettende Unterschied war aber, dass Petrus in Demut die Hoffnung gewählt hat, wogegen Judas sich für die Hoffnungslosigkeit entschieden hat. Judas hat die Vergebung, die er empfangen hätte können, verweigert. Sein Schicksal wurde nicht durch einen Kuss, sondern durch seinen Hochmut besiegelt.

Jeder seiner Jünger hat Jesus diese Nacht verlassen, ihn verleugnet und ihn in irgendeiner Weise verraten. Die Sünde von Judas erregt aber mehr Aufmerksamkeit, weil sie anstößiger erscheint als die anderen. Wenn wir in diesem Fall jedoch nur die Geldgier des Judas sehen, entgeht uns die wahre Lektion, die dahinter steht.

Alle Jünger haben Jesus auf unterschiedliche Art im Stich gelassen, so wie wir es auch immer wieder tun. Sie haben ihn alle in gewisser Weise betrogen, so wie wir es immer wieder tun. Gewiss waren sie alle betrübt, verängstigt und voller Bedauern über ihre Sünde, so wie wir auch.

Aber nur Judas hat die Schuld der Erlösung vorgezogen. Er hat in seinem Hochmut den Tod vorgezogen, anstatt in Demut um Vergebung zu bitten.

Darin liegt eine große Lektion für unser Glaubensleben: Wie oft suhlen wir uns in Selbstmitleid und denken es sei Demut. Selbstmitleid hat mit Demut nichts zu tun und auch nicht mit Reue. Demut ist immer Wahrheit und die Wahrheit ist: wir haben gesündigt. Und wir werden wieder sündigen. Und es gibt nur einen Weg, die Sünde wieder gut zu machen, sie gewissermaßen „ungeschehen“ zu machen. Wirklich und ehrlich bereuen und uns in echter Demut in die Arme des Herrn werfen – im Sakrament der Beichte. Judas mangelte es an Hoffnung, weil es ihm an Demut mangelte.

Und Jesus nimmt uns in die Arme. Er blickt uns voller Barmherzigkeit an, wie er den Petrus voll Erbarmen anblickte. Es ist nicht wichtig, wie oft wir versagen oder fallen - vorausgesetzt wir kehren jedes Mal in Demut und Hoffnung zurück zu IHM.

Vertrauen in die Barmherzigkeit Gottes

Die Hl. Schrift berichtet immer wieder vom Verrat des Menschen an Gott – und auf wie unterschiedliche Weise diese Geschichten enden:

Kain hat seinen Bruder Abel erschlagen, aber auch David hat Uria, mit dessen Frau er ein Verhältnis hatte, ermordet.

Kain ist in die Geschichte als verabscheuenswürdiger Sünder eingegangen, David als Heiliger.

Kain ist an seiner Sünde verzweifelt, er dachte, seine Sünde sei zu groß, als dass sie vergeben werden könnte. David vertraute auf die Barmherzigkeit Gottes und rief Gott um Vergebung an.

Dieselbe Geschichte wiederholt sich immer wieder – bis zuletzt auf Golgotha: Zwei Räuber werden zusammen mit Jesus gekreuzigt. Der eine flucht und verzweifelt. Der andere bittet um Vergebung: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ (Lk 23,42) Und er erhält die schönste Verheißung, die je ein Mensch erhalten hat: „Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“ (Ebd.)

Es ist also eine Sache, dass Gott vergibt, dass Gott Erlösung schenkt, und es ist eine andere Sache, dass der Mensch die Vergebung und die Erlösung annimmt: v.a. durch die Sakramente der Taufe, der Buße und der Eucharistie.

Und das erfordert Demut: Petrus musste diese Demut lernen, er musste erkennen, dass er sich die Erlösung, die Vergebung nicht selber schenken kann, sondern dass es eine Gabe der Barmherzigkeit Gottes ist, dass Jesus auch für ihn gelitten hat.

Möge Gott auch uns die Demut schenken, in der Stunde unseres Todes nicht an unserer Schuld zu verzweifeln, sondern bedingungslos auf die Barmherzigkeit Gottes zu vertrauen und uns in seine barmherzigen Arme fallen zu lassen.


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