Interna einer US-Uni: Meinungsfreiheit nur für die Mehrheitsmeinung?

4. April 2011 in Kommentar


Wenn der wissenschaftliche intellektuelle Austausch nicht gewährleistet sei, könne man keine neuen Entdeckungen machen. Doch die Meinungsfreiheit hört bei Stammzellforschung auf. Ein Kommentar von Edith Breburda


Madison (kath.net) Anfang April 2011 veröffentlichte der Kanzler der Universität Madison, Wisconsin, die man gemeinhin wegen ihres politischen "touches" als das Berkeley des Mittleren Westens bezeichnet, ein Rundschreiben an die Universitäts-Mitglieder (Talking Points Memo, TPM, 1.April 2011).

Der Kanzler teilte seinen Kollegen mit, dass der Parteisprecher der Republikaner die Freigabe der Akteneinsicht über einen Professor William Cronon angefordert hat. Professor Cronon hatte sich u.a. in der New York Times kritisch über den neuen republikanischen Pro-Life Gouverneur Scott Walker geäußert, der ein Gesetz über staatliche Mittelkürzungen in Wisconsin erlassen hat. Der Kanzler teilte in seinem Rundschreiben mit, er sei stolz, Prof. Cronon als Mitglied des Lehrkörpers zu haben. Die Regierung habe jedoch das Recht Akten anzufordern, und muss dafür nicht den Grund nennen.

Von dem Gesetz der Akteneinsicht wird oft Gebrauch gemacht entweder von einer links- oder einer rechtsorientierten Part ei und dieses scheint nichts Ungewöhnliches zu sein. Die Universität sieht sich verpflichtet diese Akteneinsicht zu gewähren da sich die Regierung ein Bild über die politische Ausgeglichenheit der Mitarbeiter der Universität machen will.

Der Kanzler betonte in seinem Rundschreiben, dass er niemals Unterlagen über Studenten herausgibt. Dritte werden von der Einsicht in persönliche Emails, oder in den wissenschaftlichen Austausch unter Kollegen ausgeschlossen. Diese Informationen fallen unter die Akademische Meinungsfreiheit. Über seine Forschungen und sein Fachwissen, das man sich an der Universität angeeignet hat, soll man frei diskutieren können. Man sollte sich keine Sorge machen, irgendeinen Nachteil zu erleiden wegen seiner Ansichten, die eventuell von der allgemeinen Auffassung oder sogar Lehrmeinung abweichen.

Wenn der wissenschaftliche intellektuelle Austausch nicht gewährleistet ist, könnte man keine neuen, eventuell lebensrettenden Entdeckungen machen, vermerkt der Kanzler der Universität. Auch die politischen Auseinandersetzungen in einer hitzigen Debatte gehören zum Akademischen Leben, sie sind Inbegriff der Akademischen Freiheit. Dies trifft gerade für die Universität Wisconsin-Madison zu.

Wenn Mitarbeiter Emails oder andere Mittel benutzen, um miteinander zu diskutieren, sollten die Inhalte ihres Austausches nicht der Öffentlichkeit preisgegeben werden, denn so ein Vorgang würde ihre Akademische Freiheit massiv verletzen und jede Diskussion im Keim ersticken.

Der Kanzler ermutigte seine Mitarbeiter, auch weiterhin furchtlos schwierige und unpopuläre Fragen zu stellen, ohne Angst zu haben, deswegen eine Sonderstellung einzunehmen oder Repressalien zu erleiden. Dies sei ganz nach dem Motto der Universität: "Continual and fearless sifting and winnowing of ideas" (Kontinuierlich und furchtlos, Sichtung und Worfeln der Ideen (Worfel ist ein Dreschflegel, der die Spreu von den Körnern trennt).

Das Schreiben des Kanzlers wurde nicht von allen als korrekt bezeichnet. Ein Mitglied der Universität stellte dazu fest, dass man nur dann keine Repressalien befürchten muss, wenn man eine Dauerstelle an der Universität hat. Er selber habe Freunde die als Wissenschaftliche Angestellte oder Post Doc's an der Universität arbeiten und sich nicht trauen ihre Meinung kund zu tun, da sie sonst fristlos und ohne weitere Diskussion entlassen würden.

Mitarbeiter von Instituten die Forschungen an humanen embryonalen Stammzellen betreiben, und das sind sehr viele an dieser Universität, wagen es nicht zum Ausdruck zu bringen, dass sie moralische Einwände und Gewissensbisse haben. Sein Chef dürfe auf gar keinen Fall davon erfahren, vertraute der Freund ihm an, denn schon bei der Einstellung ist es Standartfrage, ob man gegen Tierversuche oder Stammzellforschung sei.

Weiterhin weiß der Universitätsangehörige über einen Bekannten zu berichten, der sogar gezwungen wurde, seine Kündigung einzureichen, weil er wissenschaftliche Bedenken an einem vollkommen unnützen Tierversuch hatte, bei dem humane embryonale Stammzellen involviert waren.

Der nun schon seit 30 Jahren an der Universität Beschäftigte stellt immer wieder fest, dass die Toleranz bei Andersdenkenden sehr schnell aufhört. Er erlebt ein Arbeitsumfeld in dem Akademischen Freiheit limitiert wird. Viele seiner Bekannten schweigen lieber aus Angst davor, ihren Job zu verlieren.


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