Nigerianischer Generalvikar: ‚Die Menschen in Europa schlafen’

6. April 2011 in Österreich


Vor CSI-Schweigemarsch mit Kardinal Schönborn am 8. April sagt Obiora Ike in Wien: Christen dürfen in Nigerias Sharia-Bundesstaaten kein Grundstück für Kirchenbau erwerben, obwohl sie teilweise Mehrheit stellen


Wien (kath.net/KAP) Zum Eintreten für das Menschenrecht der Religionsfreiheit auch über Europas Grenzen hinaus hat der nigerianische Theologe und Generalvikar von Enugu, Prälat Obiora Ike, aufgerufen. "Die Menschen in Europa schlafen", erklärte er im Blick auf die dramatische Situation in seiner Heimat.

Ike äußerte sich bei einem Pressegespräch am Dienstag im Wiener "Club Stephansplatz 4". Auf Einladung von "Christian Solidarity International" (CSI) und "Kirche in Not" berichtete er von der Lage in Nigeria, wo Christen mit Diskriminierungen zu kämpfen hätten. Der in Innsbruck ausgebildete Priester nimmt am Freitag mit Kardinal Christoph Schönborn am traditionellen "Schweigemarsch für Christen in Not" durch die Wiener Innenstadt teil.

Nigeria sei "laut Statistik das Land mit den meisten Opfern religiöser Auseinandersetzungen"; "in zehn Jahren haben wir mehr als 12.000 Menschen wegen so genannter 'religiöser Problematik' verloren". Eigentlich sollte Nigeria ein säkularer Staat sein, in der Verfassung sei die Religionsfreiheit verankert. "Aber in zwölf (der insgesamt 36, Anm.) Bundesstaaten haben wir die Sharia als Gesetzesgrundlage", so Ike.

Weitere sechs Bundesstaaten wollten ebenfalls ihre Gesetzgebung umstellen. Dies berge jede Menge Konflikte in sich. Nigeria stehe auch als Mitglied der "International Organisation of Islamic Countries" außerhalb der religiös neutralen Staatenwelt; 1985 sei das Land offiziell als "islamischer Staat" anerkannt worden.

Christen litten unter dieser Gesetzgebung, so Ike. In den Sharia-Bundesstaaten könnten sie kein Grundstück für den Bau einer Kirche erwerben. Im entsprechenden Gesetzestext heiße es jeweils in diskriminierender Terminologie, es dürfe "kein Grund für die Errichtung einer Kirche oder eines Prostituiertenhauses zur Verfügung gestellt" werden, zitierte Ike.

In einigen Sharia-Bundesstaaten hätten Christen Probleme, Arbeit zu finden oder einen Bankkredit aufzunehmen. Auch mediale Präsenz bleibe Christen verwehrt. "Sendungen für Christen dürfen weder produziert noch ausgestrahlt werden", so Ike. Dabei seien in manchen dieser Staaten Christen zahlenmäßig sogar stärker als Muslime.

Eine Trennung zwischen fundamentalistischem und nicht-fundamentalistischem Islam, wie sie europäische Muslimorganisationen zögen, sei für Nigeria nicht durchführbar. Eine derartige Unterscheidung betreffe allenfalls das politische Handeln, erklärte Ike.

"Wir Christen sind aufgefordert, diese diskriminierende Situation öffentlich bekannt zu machen", betonte Ike. Denn bald könnte das auch Europa betreffen: "Wir müssen eine Welt schaffen, wo Religions- und Gewissensfreiheit, Menschenrechte und Menschenwürde gewährt werden. Nur dadurch können wir zu Frieden kommen." Dazu müssten auch die Europäer die Stimme erheben.

Im Blick auf die gewaltsamen Konflikte zwischen den Angehörigen der Religionsgemeinschaften - insbesondere im "Hotspot" Jos - sagte Ike, Gewalt könne keinesfalls akzeptiert werden. Die einzige Chance sieht er im Dialog.

Ike forderte dabei auch vom Westen den Mut, klar Position für das Menschenrecht der Religionsfreiheit zu beziehen und die Dinge beim Namen zu nennen. So würden etwa oft Arme und Straßenkinder missbraucht für die Anliegen fundamentalistischer Gruppen. Deshalb müsse in Nigeria auch Armut bekämpft und Ausbildung ermöglicht werden.

Stimme erheben mit Schweigen

Elmar Kuhn, Generalsekretär von "Christian Solidarity International Österreich" (CSI Österreich), und Herbert Rechberger, Geschäftsführer von "Kirche in Not - Österreich" riefen zur Beteiligung am Schweigemarsch auf. Treffpunkt ist um 16.15 Uhr der Platz vor der Wiener Staatsoper. Die Strecke führt über die Kärntner Straße zum Stephansdom, wo um 17 Uhr ein ökumenischer Wortgottesdienst stattfindet.

Tags davor, 7. April, nimmt Ike an einer Diskussion zum Thema "Religiöse Minderheiten integriert, geduldet, verfolgt" um 18.30 Uhr im Alten Rathaus in Wien teil. Weitere Diskutanten sind Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland, die koptische Christin Mary Attia sowie Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer Österreicher.

"Von Asien über Afrika bis in den Nahen Osten zieht sich die Brandspur von Brandstiftern, die Christen das Leben absprechen", erklärte Kuhn. Man wolle bewusst die Stimme für Christen in Not erheben durch Schweigen, "weil Schweigen in unserer Welt des Konsums zunehmen die stärkste Waffe wird".

Es sei "Protest für das Hören" und Bekenntnis dafür, dass Religionsfreiheit nach den Worten Papst Benedikts XVI. "das entscheidende Erbe einer gemeinsamen Welt" sei und "das Gebot, durch das wir gemeinsam einen Weg finden können".

Weitere Informationen:

www.csi.or.at

www.kircheinnot.at

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Foto: (c) Kirche in Not



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