Was uns Passionsreliquien über das Leiden Jesu verraten

22. April 2011 in Interview


'Sind denn Ihrer Meinung nach die Passionsreliquien für den christlichen Glauben relevant?' - Ein Kath.Net-Interview mit Buchautor Michael Hesemann


Düsseldorf (kath.net)
kath.net: Herr Hesemann, in Ihrem Buch „Das Bluttuch Christi“ befassen Sie sich mit dem „Sudarium von Oviedo“, bezeichnen es als eine „Komplementärreliquie zum Turiner Grabtuch“. Was hat es mit diesem geheimnisvollen Tuch auf sich?

Hesemann: Das „Bluttuch von Oviedo“, wie ich es nenne – denn es ist ja längst kein Sudarium, kein „Schweißtuch“ mehr – ergänzt und bestätigt den Befund auf dem Turiner Grabtuch, der wohl bekanntesten Passionsreliquie der Christenheit. Zudem verrät es uns wertvolle Details über den Tod Jesu und die Grablegung. Deshalb ist es eine Reliquie von allergrößter Wichtigkeit. Zum Glück hat sich, wie ich in meinem Buch aufzeige, bereits eine ganze Gruppe hochkompetenter Wissenschaftler ihrer Untersuchung angenommen, sodass wir es hier nicht mit Spekulationen, sondern einem gesicherten Befund zu tun haben. Denn, wie jeder aus den TV-Serien „CSI“ weiß, in Blutspuren lässt sich lesen wie in einem Buch. Und genau das taten diese etwa 40 Experten!

kath.net: Das Tuch wird in der Kathedrale von Oviedo in Asturien/Nordspanien verehrt. Wie ist es dort hingekommen?

Hesemann: Es befindet sich, und das ist schon einmal wichtig, nachweisbar seit dem Jahr 812 in der „Arca Santa“, dem Reliquienschrein der „Camara Santa“, der Reliquienkammer jener von König Alfonso II. erbauten Kathedrale. Die „Arca Santa“ war eine Truhe mit Reliquien, die erstmals 675 auf dem Konzil von Braga erwähnt wurde und 712 vor der Invasion der Mauren in Sicherheit gebracht wurde – in die Berge Asturiens, die den christlichen Rittern damals als Zuflucht dienten. Der spanischen Tradition nach stammte sie ursprünglich aus Jerusalem. Als 614 die Perser über das Heilige Land herfielen, hätte man sie zunächst nach Alexandria, dann, als die Perser auch Ägypten überfielen, in das friedliche und sichere westgotische Spanien gebracht. Diese Tradition ist plausibel, denn um 570 will ein Pilger das „Sudarium Domini“ in einem Höhlenkloster am Jordan gesehen haben. Damit ist das Bluttuch aber auch für die Verifizierung des Turiner Grabtuchs interessant, das bekanntlich ein Datierungsproblem hat. Es wurde erstmals 1355 in Frankreich ausgestellt, durch die Radiokarbonmethode wurde es, natürlich fälschlich, ins späte 13. Jahrhundert datiert.

kath.net: Was macht Sie sicher, dass diese C14-Datierung falsch ist?

Vor allem auch die Parallelen zum Bluttuch! Dabei handelt es sich um ein etwa handtuchgroßes Leinen, das einst, in der Mitte gefaltet, um den Kopf eines Toten gelegt wurde, durch dessen Nasenlöcher größere Mengen serösen Blutes austraten. Weil sein ganzes Gesicht blutverschmiert war, hinterließ es einen deutlichen Abdruck auf dem Tuch. Daher kann man sagen, dass der Tote eine hohe Stirn, eine feine, lange, in der Mitte gequetschte Nase, einen Bart und schulterlanges Haar hatte. Da das Tuch um seinen ganzen Kopf gewickelt worden war, gibt es auch einen Abdruck des Hinterkopfes, auf dem sich der Blutaustritt punktgroßer Stichwunden sowie ein blutgetränkter Pferdeschwanz – also zusammengebundenes, langes Haar – abgezeichnet haben. Nun finden wir diese Stichwunden deckungsgleich auf dem Turiner Grabtuch wieder, wo sie von der Dornenkrone stammen, ebenso den Pferdeschwanz, den Bart, die gequetschte Nase. Ganz offensichtlich haben also beide Tücher zu unterschiedlichen Zeitpunkten das Haupt desselben Toten umhüllt. Auch die Blutgruppe ist identisch – in beiden Fällen AB. Man hat beide Tücher zudem mikrobiologisch untersucht und fand in beiden dieselben Pollen von Pflanzen, die in den Monaten März/April im Raum Jerusalem blühen, zudem Reste von Aloe und Myrrhe. Wenn aber beide Tücher mit dem gleichen Toten in Kontakt kamen, dann kann das Turiner Grabtuch nicht aus dem 13. oder 14. Jahrhundert stammen, es muss mindestens 800 Jahre älter sein. Und damit ist die C14-Datierung vom Tisch. Was mich übrigens keineswegs erstaunt. Denn bei Leinen ist die Radiokarbondatierung selten zuverlässig. Auch altägyptische Mumienbinden wurden bis zu 1750 Jahre jünger datiert als der darin eingewickelte Tote! Nun befand sich das Turiner Grabtuch nachweisbar seit dem 3. Jahrhundert, wahrscheinlich sogar seit dem 1. Jahrhundert in Edessa, dem heutigen Sanli Urfa in der Osttürkei. Wenn beide Tücher einst zu Bestattungszwecken eingesetzt wurden, dann kann dies nur um 1. Jahrhundert geschehen sein. Ich bin mir sicher – und führe den Beweis dafür in meinem Buch – dass dies am Karfreitag des Jahres 30 war!

kath.net: Aber wurden damals nicht Tausende Menschen gekreuzigt? Was macht Sie sicher, dass das Turiner Grabtuch, das tatsächlich den Abdruck eines gekreuzigten Mannes zeigt, überhaupt das Grabtuch Jesu war?

Es stimmt, es wurden Tausende gekreuzigt. Aber die Kreuzigungsstrafe der Römer bestand aus zwei Teilen, einer Geißelung mit sieben Schlägen und der eigentlichen Kreuzigung: Der Verurteilte wurde an einen Querbalken gebunden oder genagelt, den man an einem bereits an der Hinrichtungsstätte stehenden Pfahl hochzog und befestigte. Dort, am Pfahle hängend, verblieb der Delinquent bis zum Eintritt des Todes. Bei Jesus waren zwei Sachen anders. Zunächst einmal versuchte Pilatus, den aufgehetzten Pöbel dadurch zu besänftigen, dass er Jesus geißeln ließ. Geißelungen fanden in unterschiedlichen Härtegraden statt, in Judäa waren, dem mosaischen Gesetz folgend (das auch die Römer respektierten), 39 Schläge das Maximum. Da die Römer mit dreischwänzigen Geißelpeitschen operierten, an denen Bleihanteln befestigt waren, konnte die Geißelung allein schon zum Tod führen. Auf dem Turiner Grabtuch kann man genau 117 Wunden, verursacht durch diese Bleihanteln, zählen. Das waren also die vollen 39 Schläge, nicht die mildere Form, die man als Vorstufe der Kreuzigung praktizierte. Kein Wunder also, dass er so geschwächt war, dass er auf dem etwa 600 Meter langen Weg nach Golgota dreimal stürzte. Dann die Frisur. Im 1. Jahrhundert trugen die Männer auch in Judäa die Haare kurz, die Bärte waren gestutzt. Nur wer ein Nasiräat auf sich nahm, also aus religiösen Gründen enthaltsam lebte, ließ Bart und Haare frei wachsen. Der beste Beweis aber ist die Dornenkrone. Sie gehörte zu keiner antiken Strafe, sie diente nur dem Zweck, den Mann zu verhöhnen, der angeklagt war, König der Juden zu sein. Aus diesen drei Gründen halte ich die Zuweisung für eindeutig!

kath.net: Dann Hand aufs Herz: Was verrät uns das Bluttuch über das Leiden und Sterben Jesu, weshalb ist es für den Karfreitag relevant?

Wie gesagt, die Blutflecken wurden von namhaften spanischen und amerikanischen Pathologen „gelesen“, so gründlich und so präzise, dass ich in meinem Buch von „CSI Golgota“ spreche. Man kann sagen, dass das Tuch dem Gekreuzigten umgelegt wurde, als er bereits tot war, aber noch am Kreuz hing. Das entsprach jüdischer Sitte, die es verlangte, das Antlitz eines Toten sofort zu verhüllen. Er blieb danach gut eine Stunde nach Eintritt des Todes in vertikaler Position, die Arme ausgebreitet, den Kopf schräg nach unten geneigt. Gehen wir davon aus, dass 15.00 Uhr die Todesstunde Jesu war, können wir also 16.00 Uhr als ungefähren Zeitpunkt der Kreuzabnahme festmachen. Todesursache, so sind sich die spanischen Pathologen mit den Erforschern des Turiner Grabtuchs einig, war ein Herz- und Kreislaufstillstand, verursacht durch ein Lungenödem, hervorgerufen durch einen verletzungsbedingten traumatischen Schock.
Für mein Buch interviewte ich einen der führenden amerikanischen Gerichtsmediziner, Prof. Frederick Zugibe, der sich in seiner Freizeit ganz der Grabtuchforschung und der Untersuchung der medizinischen Begleitumstände antiker Kreuzigungen verschrieben hat. Er erklärte mir, dass schon die Geißelung diesen physischen Schockzustand hervorgerufen hat. Die Folge war in den nächsten Stunden eine langsame Ansammlung von Lungenflüssigkeit, sogenannte Brustfellergüsse, die irgendwann zu Atembeschwerden und starken Schmerzen führten. Zudem verursachte der Blut- und Flüssigkeitsverlust einen „hypovolämischen Schock“, einen Kreislaufzusammenbruch. Noch unerträglicher waren die Schmerzen der Annagelung. Schließlich wurden die Nägel nicht, wie es die Kunst zeigt, durch den Handteller geschlagen – die nie das Körpergewicht gehalten hätten – sondern durch die Handwurzel und damit durch den Meridiannerv. Der Schmerz in diesem Augenblick war unerträglich und muss bei vielen Kreuzigungsopfern zur Ohnmacht geführt haben. Doch er wurde noch gesteigert, als die Henker den Querbalken, an den die Hände geschlagen waren, in die Höhe zogen, als der Körper mit seinem ganzen Gewicht an den Nägeln hing. „Excruciare“, „durch das Kreuz verursacht“, wurde im Lateinischen zu einem festen Begriff für die größtmögliche Qual. Die Gekreuzigten krümmten sich unter diesen extremen Schmerzen, weshalb die Römer, gewohnt zynisch, vom „Tanz am Kreuz“ sprachen. Die Füße müssen schon automatisch nach dem Pfahl gesucht haben, um sich abzustützen und diese Tortur ein wenig zu lindern, als die Henker brutal zugriffen und auch sie mit einem langen Nagel an das Holz hefteten.
Die nächsten Stunden wurden zu einer Symphonie nicht endenwollender Qualen. Die tiefen, brennenden, ausstrahlenden Schmerzen, die die Nägel verursachten, übertönten den Schmerz in der Kopfhaut von der Dornenkrone und das Scheuern der noch offenen Geißelungswunden auf dem Rücken, den Zugschmerz in den Schultern, die intensiven Krämpfe der Waden und den ständigen Durst. Es war wirklich, als würde sich das Leid der gesamten Menschheit an diesem Ort und in diesem Augenblick in diesem Mann der Schmerzen kulminieren. Doch statt sie zu verfluchen, vergab er seinen Henkern.
Mit den Stunden hatte sich immer mehr Flüssigkeit in der Lunge angesammelt, war das Atmen immer schwieriger geworden, es kam dann unweigerlich zum Kreislaufzusammenbruch und Herzstillstand.

kath.net: Wie deckt sich diese Diagnose mit den Schilderungen der Evangelisten?

Der einzige Evangelist, der wirklich Augenzeuge war, der wirklich unter dem Kreuz stand, war Johannes. Er beschreibt, wie der römische Soldat, um seinen Tod festzustellen, mit der Lanze in Jesu Seite stieß, „und sogleich floss Blut und Wasser heraus.“ Das hat man natürlich lange nicht geglaubt, hat es für Symbolsprache des Evangelisten gehalten, etwa als Anspielung an die Sakramente der Taufe und der Eucharistie. Dabei ist es eine ganz exakte Beobachtung. Die Lanze sollte natürlich das Herz treffen, genauer gesagt: den rechten Herzvorhof, worauf auch die Seitenwunde auf dem Turiner Grabtuch hindeutet. Der aber war zu diesem Zeitpunkt mit Blut gefüllt. Unmittelbar vor einem Herzstillstand pumpt das Herz ein letztes Mal Blut in den Kreislauf, als Reaktion auf den verstärkten Druck füllt sich dabei der rechte Vorhof passiv mit Blut. Der Lanzenstich durchstieß also erst die Lunge, dann den Herzbeutel und den rechten Vorhof. Als die Lanze schnell und ruckartig wieder herausgezogen wurde, war der Weg frei für den Austritt des dort angesammelten Blutes und der Flüssigkeit aus der Lunge, ganz wie es Johannes beschreibt, ganz wie wir es auf dem Turiner Grabtuch sehen. Im selben Augenblick trat Luft in den Brustkorb ein, was zu einem erhöhten Druck in der Brusthöhle führte. Das verletzte Herz füllte jetzt die Lunge mit Blut.

Dem Befund auf dem Bluttuch entnehmen wir, dass der Tote nach der Kreuzabnahme eine weitere Stunde lang kopfüber auf einem harten Untergrund lag; wahrscheinlich dauerte es so lange, die Nägel herauszuziehen und den Körper von dem Querbalken loszulösen. Danach, wohl gegen 17.00 Uhr, wurde der Leichnam über eine kleinere Distanz mit dem Kopf nach unten getragen. Da die Totenstarre bereits eingesetzt war, blieb die Neigung des Kopfes unverändert. Das Tuch blieb nach wie vor um den Kopf gewickelt, man verknotete es jetzt zu einer Art Kapuze. Beim Transport der Leiche geschah es, dass diese Mischung aus Blut und Lungenflüssigkeit durch die Nase austrat und sich in das Tuch ergoss. So entstand der große, zentrale Blutfleck auf dem Sudarium. Er bezeugt auch die Dramatik dieses Augenblickes. Die Pathologen entdeckten auf dem Tuch Abdrücke von Fingern, die so schmal waren, dass sie nur von einer Frau stammen konnten. Diese Frau – war es Maria? – handelte blitzschnell, hielt zunächst das Tuch fest gegen die Nase, drückte dann sogar die Nasenflügel zusammen, um den Blutaustritt zu stoppen. Es war ihr offenbar sehr wichtig, zu verhindern, dass dieses kostbare Blut auf die Erde tropfte. Auch das entsprach jüdischer Sitte. Blut, das im Augenblick des Todes oder auch posthum vergossen wurde, galt bei den Juden als „Lebensblut“ und Sitz der Seele. Es musste mit bestattet werden, es durfte nicht verloren gehen!

kath.net: Wurde Jesus denn mit dem ungebundenen Bluttuch bestattet?

Nein. Als man das Grab erreicht hatte , zog man es ihm wie eine Kapuze vom Kopf, brauchte also nicht einmal den Knoten zu lösen, und legte es an eine andere Stelle in der Grabkammer, ganz wie es Johannes in seinem Evangelium (20,7) beschreibt: „das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte“ – so steht es in der „Einheitsübersetzung“, im Originaltext aber heißt es: „das über seinem Kopf war (fuerat super caput eius)“ – lag „zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle“, eben noch zur Kapuze verknotet . Der Leichnam wurde provisorisch gereinigt und in ein neues, sauberes Leinentuch gelegt, das Turiner Grabtuch. Es musste ja alles sehr schnell gehen, da gegen 18.00 Uhr der Sabbat anbrach. Da blieb nur noch eine dreiviertel Stunde Zeit!

Deshalb beschlossen die Frauen, am Sonntagmorgen zurückzukehren und dann den Leichnam zu salben und in Leinenbinden zu hüllen, wie es bei den Juden Sitte war. Doch dazu kam es nicht mehr. Das Grab war leer. Jesus war von den Toten auferstanden! Aber damit endet auch die Botschaft des Bluttuches.

kath.net: ... und beginnt die Botschaft des Turiner Grabtuches?

Zunächst des Turiner Grabtuchs, dessen Abbild im Moment der Auferstehung quasi in das Leinen „gebrannt“ wurde, denn anders als durch das Licht des Ostermorgens ist es nicht zu erklären. Als Wissenschaftler es mit den besten Mikroskopen untersuchten, fanden sie heraus, dass sein Körperbild durch eine Vergilbung der obersten Fasern seines Gewebes entstand. Aber dann auch des Volto Santo von Manoppello, das, wie ich glaube, den Auferstandenen in seinem verklärten Auferstehungsleib zeigt!

kath.net: Nun hat ein Mitglied des spanischen Kriminologenteams mithilfe des Bluttuchs und des Grabtuchs sogar das Antlitz Jesu rekonstruiert. Können Sie kurz schildern, wie es dazu kam?

Sie meinen Prof. Juan Manuel Minarro, der am Institut für Gerichtsmedizin der Universität Sevilla lehrt. Er ist ein „forensischer Künstler“. In der Kriminologie rekonstruiert er, wie Menschen, von denen man nur den Schädel oder stark entstellte Überreste fand, einmal ausgesehen haben. In vielen tausend Arbeitsstunden vermaß Prof. Minarro zunächst millimetergenau das Gesicht des Mannes auf dem Turiner Grabtuch, studierte jede seiner Verletzungen, bevor er ein exaktes Modell erstellte. Es zeigt sein geschundenes Haupt, den Blutfluss aus mehreren Stichverletzungen im Stirnbereich, Quetschwunden mit Hämatomen, Schwellungen im Bereich der Augen, eine Spaltung des Nasenknorpels und eine nässende Schnittwunde auf dem Nasenrücken, starke Entzündungen auf den Wangen sowie Spuren des Blutaustritts aus der Nase.

In einem zweiten Arbeitsschritt projizierte er das Bluttuch von Oviedo auf diesen Modellkopf – und fand heraus, dass sein Abdruck millimetergenau übereinstimmte. Damit waren auch die letzten Zweifel ausgeräumt, dass das Turiner Grabtuch und das Bluttuch von Oviedo einst das Haupt ein und desselben Mannes umhüllten. In einem dritten Arbeitsschritt reduzierte Prof. Minarro das Gesicht des Gekreuzigten um alle Zeugnisse der Gewaltanwendung. Gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Gerichtsmediziner Prof. Luis Frontela, versuchte er, seinen ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. So entstand die Büste, die ich in Würzburg auf dem Kongress „Treffpunkt Weltkirche“ ausgestellt habe, nachdem ich sie ein Jahr zuvor in Rom dem Heiligen Vater präsentiert hatte. Für mich ist sie das unglaublichste Jesus-Portrait, das je geschaffen wurde!

kath.net: Und was überzeugt Sie, dass Jesus so ausgesehen hat?

Als ich die Büste das erste Mal sah, hatte ich eine Art deja-vu. Ich wusste, ich hatte dieses Jesusbild schon einmal gesehen. Dann fiel es mir wieder ein: In Rom, in den Katakomben von SS. Pietro e Marcellino, befindet sich das älteste bekannte, detaillierte Jesus-Portrait. Es stammt aus dem 4. Jahrhundert. Sein Antlitz ist mit Prof. Minarros Rekonstruktion absolut identisch. Der Kirchengeschichtler Eusebius erklärte zu dieser Zeit, es gäbe Jesus-Bilder, die auf die Beschreibungen der Apostel zurückgingen. Ein solches muss dem Katakombenkünstler als Vorbild gedient haben. Anders lässt sich diese frappierende Übereinstimmung kaum erklären.

kath.net: Sind denn Ihrer Meinung nach die Passionsreliquien für den christlichen Glauben relevant?

Für den, der glaubt, überhaupt nicht! Denn Jesus selbst sagte zu Thomas, als dieser nach physischen Beweisen fragte: „Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben“! Aber, wenn wir ehrlich sind: Wir sind alle ein wenig wie Thomas! Wir brauchen sichtbare Zeichen, die uns immer wieder an die Wahrheit unseres Glaubens erinnern. Solche hinterließ Jesus, sie werden sogar in den Evangelien erwähnt und das nicht ohne Grund. Denn sie geben auch dem Skeptiker die Möglichkeit, die Schmerzen des Karfreitags und das Unglaubliche der Osterbotschaft zu erahnen und dann, wie der „ungläubige“ Apostel, auszurufen: „Mein Herr und mein Gott!“


© 2011 www.kath.net