20. Mai 2011 in Deutschland
Freiburger Erzbischof Zollitsch: ein banales, rein säkular orientiertes und praktisch-atheistisches Leben verdränge nicht die Welt der Religion.
Freiburg (kath.net/pef). Erzbischof Robert Zollitsch hat Hochschulprofessoren in Freiburg eingeladen, miteinander über die Frage nach Gott und nach dem Menschen ins Gespräch zu kommen. Es sei interessant, zu sehen, wie sich die Frage nach Gott und die Sehnsucht des Menschen nach einem gelingenden Leben in der aktuellen religiösen Situation in Deutschland spiegele, sagte Zollitsch bei einem Treffen mit Hochschulprofessoren am Donnerstag (19.) in der Katholischen Akademie Freiburg. Seit Jahren werde darüber diskutiert, ob es in Deutschland eine Art neuer Aktualität der religiösen Orientierung und einen neuen Frühling des Glaubens gebe. Nicht nur bei dieser These sei kritische Zurückhaltung angebracht. Skepsis empfiehlt der Erzbischof von Freiburg auch bei pauschalen Urteilen, die uns weismachen wollen, ein banales, rein säkular orientiertes und praktisch-atheistisches Leben verdränge die Welt der Religion und verweise Christen in die Enge kleiner Gemeinschaften.
Theoplasma und Bastelbiographie mit Religions-Bausätzen?
Erzbischof Zollitsch sagte wörtlich: Es gibt eine große Sehnsucht nach Transzendenz. So habe auch der Religionsmonitor für Deutschland den Nachweis erbracht, dass breite Bevölkerungskreise religiös ansprechbar seien - unabhängig von Alter, Geschlecht oder sozialer Prägung. Doch das mit Gott Gemeinte bleibe weitestgehend unbestimmt und wenig differenziert. Der italienische Religionswissenschaftler Raffaele Pettazzoni spreche von Theoplasma - er meine damit eine Art von Knetmasse, aus dem sich der heutige Mensch seine Götter forme und sie wechselnden Bedürfnissen anzupassen versuche. Wie Zollitsch erklärte, sprechen Soziologen von einer Bastelbiographie, die sich in den verschiedenen Lebensphasen aus verschiedenen religiösen Bausätzen jeweils ein neues Gottesbild zusammenfüge.
Zugleich gebe es heute für nicht wenige Menschen ein Leben ohne Gott. Neben bewusster oder unbewusster Gleichgültigkeit seien gegenwärtig auch Strömungen einer oft aggressiven Religionskritik zu beobachten. Erst vor wenigen Tagen habe der britische Astrophysiker Stephen Hawking in einem Interview gesagt: Der Glaube an ein Leben nach dem Tod ist ein Märchen für Menschen, die vor dem Dunkeln Angst haben. Und das menschliche Gehirn sei wie ein Computer, für den es, wenn er kaputt sei, keinen Himmel gibt. Dahinter stehe die Hoffnung, dass das Verschwinden der Religion und die Verdunstung des Glaubens den Weg ebne ja, wohin eigentlich? Deshalb dankte Zollitsch für den Dialog zwischen Kirche und Hochschule: Unser Zusammentreffen ist nicht nur eine schöne und bewährte Tradition. Es will auch zum Ausdruck bringen, dass Kirche, Wissenschaft und Forschung miteinander in einem lebendigen Austausch stehen.
Erzbischof: Neu nach Antworten suchen in der Sprache unserer Zeit
Gerade weil der christliche Glaube, die Frage nach Gott und die religiöse Haltung des Menschen heute nicht mehr selbstverständlich sind, lohnt es sich nach Überzeugung von Erzbischof Zollitsch, neu nach Antworten zu suchen, und zwar in der Sprache unserer Zeit und im Kontext all der Herausforderungen, die Gesellschaft, Wissenschaft und Forschung heute bewegen. Auf dem Programm der Begegnung in der Katholischen Akademie stand ein Impulsvortrag von Professor Dr. Jean Greisch über Epochale Gestalten der Gottesfrage. Greisch war von 1985 bis 1994 Dekan der Fakultät des Institut Catholique in Paris, wo er den Lehrstuhl für Ontologie und Metaphysik innehatten. Er ist Mitglied des Institut International de Philosophie und übernahm zum Wintersemester 2009/2010 den Guardini Stiftungslehrstuhl für Religionsphilosophie und Katholische Weltanschauung an der Humboldt-Universität in Berlin. In einem Interview mit der Freiburg erscheinenden Herder-Korrespondenz prägte Greisch den Satz: Es wäre bedauerlich, wenn man Gott nur den Theologen überlassen wollte.
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