Serbien: Erzbischof Zollitsch am Grab seines 1944 ermordeten Bruders

18. Juni 2011 in Chronik


Gedenkkreuz für 212 im Jahr 1944 von jugoslawischen Partisanen ermordete Donauschwaben eingeweiht - Direktor des Niederösterreichischen Pressehauses, Prälat Eichinger, leitet Gedenkandacht


Novi Sad (kath.net/KAP) In Anwesenheit des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, ist am Freitag im serbischen Odzaci (Hodschag) ein Gedenkkreuz für 212 im Jahr 1944 von jugoslawischen Partisanen ermordete Donauschwaben eingeweiht worden. Die Gedenkandacht wurde vom Direktor des Niederösterreichischen Pressehauses in St. Pölten, Domkapitular Prälat Josef Eichinger, geleitet. Neben mehreren katholischen Bischöfen des Landes und dem Apostolischen Nuntius in Belgrad, Erzbischof Orlando Antonini, nahmen auch serbisch-orthodoxe Geistliche, darunter Bischof Irinej von Backa/Novi Sad und Österreich, teil.

Zu den Toten von 1944 zählt Zollitschs damals 16-jähriger Bruder Josef. Über Jahrzehnte lagen die drei Massengräber nicht erkennbar im freien Feld. Mit allen überlebenden Angehörigen habe er "ein Menschenleben lang" auf diesen Tag gewartet, sagte der Freiburger Erzbischof: "In unseren Ohren hallen immer noch die Schüsse von jenem 25. November 1944."

Auch nach über 66 Jahren seien die Wunden in den Herzen immer noch offen und nicht verheilt, bekannte der Erzbischof. Zugleich betonte er, das nun aufgerichtete Kreuz, Zeichen für Trauer und Erinnerung, stehe für Christen auch für die Überwindung des Todes und die Hoffnung auf Auferstehung.

Prälat Eichinger erinnerte daran, dass die 212 Ermordeten am 25. November 1944 den "Karfreitag ihres Lebens" durchmachen mussten. "Als es vom Kirchtum in Filipovo 12 Uhr schlug und der Mesner nach Genehmigung durch einen Wachmann die Mittagsglocke läutete, entblößten die Männer im Kirchhof ihr Haupt, machten das Kreuzzeichen und beteten still den Engel des Herrn." Ebenfalls hätten die meisten Männer auf dem Acker, wo sie hingerichtet werden sollten, "gebetet und das Kreuz gemacht".

Nach 67 Jahren hätten es die Nachkommen der Toten geschafft, "den unschuldig zu Tode Gekommenen Gerechtigkeit zuteil werden zu lassen, ihre Grabstätte, ihren Todesacker, sichtbar zu kennzeichnen und als Ehrfurcht gebietenden, heiligen Boden zu deklarieren", so Eichinger, der selbst aus der Donauschwabenregion in der Vojvodina stammt.

"Stätte der Versöhnung"

An der Feier nahmen bei hochsommerlichen Temperaturen weit mehr als 500 Menschen teil, darunter zahlreiche Zeitzeugen und Nachkommen der Ermordeten. Zumeist waren sie aus Deutschland und Österreich, den USA und Kanada angereist. Auch die Spitze der Kommune und der Parlamentspräsident der Serbischen Autonomen Provinz Vojvodina, Sandor Egresi, nahmen teil.

Egresi erinnerte an die zahllosen Toten des Zweiten Weltkriegs und bat unter Verweis auf die "unschuldigen Opfer" um Verzeihung. Das Gedenkkreuz solle "eine Stätte der Versöhnung" sein.

Die Opfer des Massakers, Männer zwischen 16 und 60 Jahren, stammten aus dem nahe gelegenen Dorf Filipovo, dem heutigen Backi Gracac. In der damals katholischen deutschen Gemeinde in der weiten Donauebene hatten seit dem 18. Jahrhundert von den Habsburgern angesiedelte Donauschwaben, darunter auch Zollitschs Familie, gelebt. In der Endphase des Zweiten Weltkriegs kam es zu Massakern; die deutschen Bewohner der Region wurden in Lager interniert und zu Zwangsarbeit verpflichtet, manchen gelang die Flucht nach Österreich und Deutschland.

Auch Zollitsch lebte mit Angehörigen in einem sogenannten Todeslager, in dem Tausende Deutsche starben, bevor der Familie 1946 die Flucht über Ungarn nach Baden-Württemberg gelang. In den ehemals deutschen Dörfern leben heute nach dem Krieg dort angesiedelte Serben aus anderen Regionen des damaligen Jugoslawien.

Für Freitagnachmittag standen ein Besuch Zollitschs in seinem Geburtshaus im ehemaligen Filipovo und eine Messe in der katholischen Kirche von Odzaci auf dem Programm.

Zollitsch hält sich seit Dienstag zu einem fünftägigen Privatbesuch in Serbien auf. Am Mittwoch traf er in der Hauptstadt den serbisch-orthodoxen Patriarchen Irinej I. zu einer 40-minütigen Unterredung. Mehrfach plädierte er in diesen Tagen für eine baldige Aufnahme Serbiens in die EU.

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