28. August 2002 in Spirituelles
Der Wiener Weihbischof Ludwig Schwarz schrieb seine Dissertation über den Bischof von Hippo. Ein Interview in der Wiener Kirchenzeitung zum Fest des heiligen Augustinus am 28. August.
Frage: Woher kommt die Anziehungskraft dieses Bischofs?
Schwarz: Der Weg des Intellektuellen Aurelius Augustinus (354 - 430) zumChristsein war lang und beschwerlich. Er ging manche Irrwege, ehe er durch"mehrere Bekehrungen" hindurch der Kirche beitrat, als deren Haupt er JesusChristus erkannte, jenen Christus, der durch Leiden und Tod zur Auferstehung hindurchgegangen war. Solche Bekehrungen sprechen dieMenschenimmer an.Von daher ist ein Gutteil der Anziehungskraft dieses Heiligen zu erklären.Augustinus war ein Suchender, der durch andere Menschen und eigenes Forschen in der Kirche Gottgefunden hat. Auf ihn setzte er dann all sein Vertrauen: "Gott, meine ganzeHoffnung liegtbegründet in deinem Erbarmen. Darum sage ich: Gib, was du verlangst, dannverlange, was du willst." Die heutige Zeit ist in vielen Punkten der damaligenZeit deckungsgleich. Heute wie damals ist die Kirche angefochten, es gibtIrrlehren und Sekten. Der Glaube braucht immer wieder diesen Prüfstand.Augustinus fand ihn im Bischof Ambrosius. In wem finden wir ihn?
Frage: Sagen uns seine Irrwege noch etwas? Sein Umgang damit?
Schwarz: Durch die dreizehn Bücher seiner "Bekenntnisse" (Confessiones) hatAugustinus seinen Namen dem Bewusstsein der Nachwelt eingeschrieben. In den Bekenntnissen preist erGottes Gnade, die ihn auf seinem Lebensweg begleitete. Hier öffnet er sein Herz und legtes der Menschheit wie in einer Lebensbeichte zu Füßen. Auch unsere Wege sind nicht immergerade. Selbst die Wege mancher Heiligen waren anfangs krumm und schief, bis sie durch dieGnade Gottes in Christus "den Weg, die Wahrheit und das Leben fanden." Augustinus zeigtseine Irrwege ehrlich auf, in denen wir uns häufig wiederfinden. Mit ihm können auch wir beten:"Spät habe ich dich geliebt, du Schönheit, ewig alt und neu; spät habe ich dich geliebt!"
Frage: Augustinus hat "das Ich" gleichsam entdeckt. Was können wir vondieserehrlichen Selbstbegegnung lernen?
Schwarz: Augustinus ist der erste Psychoanalytiker. Er hat das Ich entdeckt,abernicht für sich isoliert, sondern immer in Beziehung zu Gott. Deshalb schreibt er in denSelbstgesprächen: "Gott und die Seele verlange ich zu erkennen, sonst nichts." Mit anderen Worten: Mein Ichwill ich erkennen, das, was ich im Tiefsten meiner Seele bin, und den, dem ich mich verdanke.Weil ich mich dem liebenden Gott verdanke, muss auch mein Ich ein liebendes sein. Wenn Gottmich liebt, darf ich sein, wie ich bin. "Dilige et fac, quod vis" (Liebe und tu, was du willst).Mein Ich entfaltet sich im Gnadenlicht Gottes. Somit ist mein gesamter Lebenslauf auf das Ziel immermehr Zu-sich-selbst-Kommen und Bei-ihm-Bleiben ausgerichtet.
Frage: Der Bischof von Hippo steht auch für rastlose Suche nach der Wahrheit...
Schwarz: Augustinus wird seit Jahrhunderten mit dem brennenden Herzendargestellt.Dieses Herz steht für die rastlose Suche nach Wahrheit. Als Philosoph und Theologe hat er dieWahrheit mit allen Fasern seiner Seele gesucht, als Mystiker besaß er sie und erfreute sichihrer von ganzem Herzen. Die Wahrheit ist in uns. "Im inneren Menschen wohnt die Wahrheit,und wenn der Mensch in sich geht, entdeckt er sie mit Staunen." In den "Bekenntnissen"schreibt er: "Ich habe die Existenz einer unwandelbaren und ewigen Wahrheit entdeckt, die meinenwandelbaren Geist weit übersteigt." Er fügt aber hinzu: "Gott ist das Licht der Wahrheitund die Sonne meiner Seele. In ihm, von ihm und durch ihn leuchtet alles einsichtig undverständnisvoll auf." Die Wahrheit ist letztlich Christus selber. Die Seele, die sich nach Wahrheitsehnt, wird von Christus angezogen und findet das wahre Glück in ihm: "Christus, göttlicher Herr,dich liebt, wer nur Kraft hat zu lieben; unbewusst, wer dich nicht kennt, sehnsuchtsvoll, wer um dichweiß."
Frage: Zu den Tränen der Monica: Müsste nicht gerade sie heute "die"Patroninvieler Mütter (und auch Väter) sein?
Schwarz: Monica war eine eifrige Christin und besaß eine einfache, abertiefeFrömmigkeit. Von den mütterlichen Unterweisungen her bewahrte Augustinus stets eine Ehrfurcht vordem Christlichen, die ihn auch später nicht verließ. Seine Mutter litt, beteteund weinte viel, weil er auf Irrwegen ging und sein Leben nicht nach Gottes Wort ausrichtete. Als er mitdreißig Jahren als Lehrer der Rhetorik nach Mailand zog, folgt sie ihm, um dort sein Leben zuordnen. Es gelang ihr aber nicht. Sie klagte dem heiligen Ambrosius ihr Leid. Dieser Bischof vonMailand sagte ihr tröstend: "Ein Sohn so vieler Tränen kann nicht verloren gehen." Tatsächlichfolgte bald die endgültige Bekehrung, und in der Osternacht des Jahres 387 empfängtAugustinus die Taufe. Die heilige Monica kann heute vielen Müttern und Vätern Vorbild sein, die umihre in die Irre gegangenen Kinder weinen. Sie mahnt zur Geduld, zum Gottvertrauen und zumGebet. Das Fürbittgebet, auch unter Tränen, zählt vor Gott. Es bewirkt, dass durch Leidund Krise hindurch immer wieder neues, christliches Leben entsteht.
Frage: Wie hielt er es mit Gemeinschaft und Freundschaft?
Schwarz: Wesentlich für die Spiritualität des Augustinus ist das Leben inGemeinschaft. Er besaß einen ausgeprägten Sinn für die Freundschaft. Er betrachtet es als wertvolles Gut,wenn man sowohl in guten wie in schlechten Zeiten in einer Gruppe Gleichgesinnter geborgenist. Er sieht auch hier den Gottesbezug: "Selig, wer den Freund liebt und in ihm Gott." Dasurkirchliche Ideal "ein Herz und eine Seele sein" (Apg 4,32) dokumentiert sich in der von Augustinusgegründeten klösterlichen Gemeinschaft, wo gleichsam der Freundeskreis zusammenkommt undzusammenlebt. Hier haben Egoismus und Aggressivität keinen Platz, Liebe undGeduld sind angesagt: "Dulde, denn auch du wirst geduldet." Letztlich baut Augustinusdie wahre Freundschaft auf die Gottes- und Nächstenliebe auf. Ist es in unsererschnelllebigen und egoistischen Zeit auch so? Wenn einer hier arbeitslos wird, verliert er beiuns oft schon seinen Freundes- und Bezugskreis.
Interview: Stefan Kronthaler
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