Kardinal Schönborn: Mich erschüttert der offene Aufruf zum Ungehorsam

7. Juli 2011 in Österreich


Schönborn übt nochmals scharfe Kritik an der "Pfarrer-Initiative" "Wer also im geprüften Gewissen zur Überzeugung kommt, dass "Rom" auf einem Irrweg ist, der gravierend dem Willen Gottes widerspricht, müsste im äußersten Fall die Konsequenz ziehen"


Wien (kath.net)
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn hat in der Sommer-Ausgabe von "thema kirche" noch einmal scharfe Kritik an dem "Aufruf zum Ungehorsam" der "Pfarrer-Initiative" geübt und betont, dass ihn der Aufruf erschüttert habe. Bemerkenswert ist dann die Aussage des Kardinals, in dem er zumindest indirekt die Mitglieder der "Pfarrer-Initiative" auffordert, dass diese im äußersten Fall Konsequenzen ziehen müssten, wenn sie im geprüften Gewissen zur Überzeugung kommen, dass "Rom" auf einem Irrweg ist, der gravierend dem Willen Gottes widerspreche.

Kath.Net dokumentiert den Brief im Wortlaut:

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Liebe Brüder und Schwestern! Und diesmal besonders: Liebe Mitbrüder im priesterlichen Dienst!

Der Vorstand der "Pfarrer-Initiative" hat am Dreifaltigkeitssonntag (19. Juni) einen "Aufruf zum Ungehorsam" veröffentlicht. Ich wollte nicht sofort reagieren, um nicht im Zorn und in der Trauer zu antworten, die dieser Aufruf in mir ausgelöst hat. Bei der Priesterweihe am 24. Juni habe ich in meiner Predigt indirekt darauf Bezug genommen. Mich erschüttert der offene Aufruf zum Ungehorsam. Wie würden in unserem Land die Familien aussehen, wenn Ungehorsam zur Tugend erhoben würde? Viele Berufstätige fragen sich, wie es möglich ist, in der Kirche den Ungehorsam zu propagieren und zu praktizieren, wo sie wissen, dass sie ihren Arbeitsplatz längst verloren hätten, wenn sie dort zum Ungehorsam aufriefen.

Wir Priester haben alle bei unserer Weihe aus freien Stücken, von niemandem dazu gezwungen, dem Bischof "Ehrfurcht und Gehorsam" in die Hand versprochen und vor der ganzen Gemeinde laut und deutlich gesagt: "Ja, ich verspreche es". Steht ihr dazu? Kann ich, können die Gemeinden sich darauf verlassen? Als Bischof habe ich auch dem Papst treue Gemeinschaft und Gehorsam versprochen. Ich will dazu stehen, auch wenn es Momente gegeben hat, wo das nicht leicht war.

Der christliche Gehorsam ist eine Schule der Freiheit. Es geht um die konkrete Übersetzung ins Leben von dem, was wir in jedem Vaterunser beten, wenn wir den Vater bitten, sein Wille möge geschehen, im Himmel und auf Erden. Diese Bitte erhält ihren Sinn und ihre Kraft durch die innere Bereitschaft des Beters, den Willen Gottes auch dort anzunehmen, wo er von den eigenen Vorstellungen abweicht. Diese Bereitschaft konkretisiert sich auch im kirchlichen Gehorsam dem Papst und Bischof gegenüber. Sie kann manchmal Schmerzliches abverlangen.

Um den Willen Gottes geht es auch im "Masterplan" für unsere Diözese, im Prozess Apostelgeschichte 2010 und im diözesanen Entwicklungsplan. Was ist Gottes Willen für uns, die Erzdiözese heute, in der Situation großen Wandels? In gemeinsamem Gebet und Eucharistiefeier, im Betrachten der Schrift, im Hinschauen auf die Entwicklung unserer Gesellschaft, bemühen wir uns, den Willen Gottes zu erkennen. Der "Masterplan" soll ja der Plan des Meisters, des Herrn sein.

Genau hier setzt nun der "Aufruf zum Ungehorsam" an – aber quer zum "Masterplan". Da die von den Initiatoren der "Pfarrer-Initiative" geforderten Reformen noch immer nicht erfolgt sind, und da die Bischöfe, so meinen sie, untätig sind, sehen sie sich gezwungen, "dem Gewissen zu folgen und selbstständig tätig zu werden".

Wenn es zur Gewissensfrage wird, dem Papst und dem Bischof gegenüber ungehorsam zu werden, dann ist eine neue Stufe erreicht, die zu einer klaren Entscheidung drängt. Denn dem Gewissen ist immer Folge zu leisten, wenn es ein geformtes und sich selbst kritisch prüfendes Gewissen ist. Der selige Franz Jägerstätter hat in einsamer Gewissensentscheidung den Kriegsdienst in Hitlers Armee verweigert, um den Preis seines Lebens. Der selige John Henry Newman kam in einem jahrelangen intensiven Ringen zur Gewissheit seines Gewissens, dass die anglikanische Kirche von der Wahrheit abgewichen ist und dass die Kirche Jesu Christi in der katholischen Kirche weiterlebt. So verließ er seine Kirche und wurde katholisch. Wer also im geprüften Gewissen zur Überzeugung kommt, dass "Rom" auf einem Irrweg ist, der gravierend dem Willen Gottes widerspricht, müsste im äußersten Fall die Konsequenz ziehen, den Weg nicht mehr mit der römisch-katholischen Kirche zu gehen. Ich glaube und hoffe aber, dass dieser äußerste Fall hier nicht eintritt.

Ich muss nicht jeder kirchlichen Entscheidung, vor allem im disziplinären Bereich, meine Herzenszustimmung geben, und ich darf mir auch ehrlich andere Entscheidungen der Kirchenleitung wünschen. Wenn aber der Papst immer wieder – etwa in der Ämterfrage - klare Vorgaben nennt und die geltende Lehre in Erinnerung ruft, dann stellt die Aufforderung zum Ungehorsam doch die kirchliche Gemeinschaft in Frage. Letzen Endes muss sich jeder Priester, müssen wir uns alle entscheiden, ob wir den Weg mit dem Papst, dem Bischof und der Weltkirche gehen wollen oder nicht. Abstriche von eigenen Vorstellungen zu machen, ist immer schwer. Wer aber das Prinzip des Gehorsams aufgibt, löst die Einheit auf.

Zu einem gemeinsamen Weg habe ich in meinem Hirtenbrief eingeladen. Ich habe einen sehr konkreten Weg vorgeschlagen: Dass wir die Mission an die erste Stelle setzen, und alles an ihr ausrichten, allem voran das Bemühen, selber neu und besser Jünger und Jüngerinnen Jesu zu werden. Daran wird "die Welt" erkennen, ob Nachfolge Jesu sich lohnt, ob Kirche Jesu Christi zu sein, wirklich etwas Heilsames bringt. In dieser Perspektive stehen auch alle Bemühungen um Strukturreformen.

Den "Aufruf zum Ungehorsam" halte ich für keinen hilfreichen Schritt. Ich werde zum nächstmöglichen Zeitpunkt ein Gespräch mit den Vertretern der "Pfarrer-Initiative" führen. Ich werde sie besonders auch auf einige Ungereimtheiten in ihrem "Ungehorsams-Programm" hinweisen, etwa die Formulierung "priesterlose Eucharistiefeier" oder die abschätzigen Bemerkungen über Priesteraushilfen als "liturgische Gastspielreisen". Nur ein von gegenseitiger Wertschätzung geprägter Stil hilft uns weiter, wie wir ihn beglückend in den drei Diözesanversammlungen erleben durften.

Ich bin nun bald 20 Jahre Bischof. Der Bischof hat den Dienst der Einheit; für die eigene Diözese und mit dem Papst und der Weltkirche. Ich mache diesen Dienst mit Freude. Ich erfahre viel Schönes, erlebe aber auch mache schmerzliche Verwundung der Einheit. Zu diesen Wunden gehört der "Aufruf zum Ungehorsam". Ich rufe auf zur Einheit, um die Jesus den Vater gebeten (vgl. Joh 17,21) und für die er sein Leben hingegeben hat. Er helfe mir in meinem Dienst, das Band der Einheit in Liebe und Wahrheit zu erhalten.


Auch der Linzer Bischof Ludwig Schwarz hat Kritik an der "Pfarrer-Initiative" geübt und dabei auf das Statement von Bischof Egon Kapellari verwiesen. Kath.Net hat berichtet. Schwarz schreibt dann noch: "Ergänzen möchte ich diese Stellungnahme mit einem Verweis auf meinen Hirtenbrief, den ich am 11.1.2009, dem Fest der Taufe des Herrn, zur Verlesung in der Fastenzeit geschrieben habe. Der Brief hat als Grundlage ein Zitat aus der Apostelgeschichte (2,42) – ’Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten’ – und behandelt das Thema Kirche, insbesondere die Einheit."


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