Kardinal Ratzinger zur Frage der Frauenordination

11. Juli 2011 in Aktuelles


Die Verbindlichkeit beruht auf Kontinuität der Überlieferung und des Ursprungs. Der Schein der ‚Machtfrage’. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Im Jahr 1996 veröffentlichte der Journalist und Publizist Peter Seewald unter dem Titel „Salz der Erde. Christentum und katholische Kirche an der Jahrtausendwende“ sein erstes Interviewbuch mit dem damaligen Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre Joseph Kardinal Ratzinger, das nach seinen Worten Anlass für die Wende in seinem Leben als Katholik gewesen ist.

Im Abschnitt „Probleme der katholischen Kirche“ beschäftigte sich Kardinal Ratzinger unter dem Themenpunkt „Der Kanon der Kritik“ auf Anregung des Interviewers auch mit der Frage der Frauenordination. Ausgehend von der Feststellung, dass die Frage der Priesterweihe von Frauen vom Lehramt „unfehlbar“ geklärt worden ist, erläutert der ehemalige Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre den Sinn dieser Lehramtsentscheidung.

Die Frage sei: Kommt es vom Herrn oder nicht? Und woran erkennt man das? „Die vom Papst bestätigte Antwort, die wir, die Glaubenskongregation, zum Thema Frauenordination gegeben haben, sagt nicht, dass der Papst jetzt einen unfehlbaren Lehrakt gesetzt habe. Der Papst hat vielmehr festgestellt, dass die Kirche, die Bischöfe aller Orten und Zeiten immer so gelehrt und es so gehalten haben“. Das zweite vatikanische Konzil sage hierzu: „Wo das geschieht, dass Bischöfe über sehr lange Zeit hin einheitlich lehren und tun, ist es unfehlbar, ist es Ausdruck einer Bindung, die sie nicht selbst geschaffen haben. Auf diesen Passus des Konzils beruft sich die Antwort (Lumen gentium 25). Es ist also nicht, wie schon gesagt, ein vom Papst gesetzter Unfehlbarkeitsakt, sondern die Verbindlichkeit beruht auf der Kontinuität der Überlieferung. Und tatsächlich ist diese Kontinuität des Ursprungs schon etwas Gewichtiges“.

Aussagen wie „Ich leide als Frau an der Machtfrage“ oder die Rede von der „Machtlosigkeit der Frau in einer männerregierten Kirche“, wie diese zu Beginn des „Dialogprozesses in Mannheim gefallen sind (kath.net berichtete) führen den Kardinal zur Notwendigkeit der Frage, was das Priestertum denn nun wirklich sei: „Gibt es das Sakrament oder soll es nur eine gleitende Führung geben, in der niemandem ein dauerhafter Zutritt zur ‚Macht’ gestattet wird?“ 1996 meinte Kardinal Ratzinger, dass sich in diesem Sinn vielleicht auch die Diskussion im Lauf der nächsten Zeit etwas ändern werde. Es stellt sich nun erneut die Frage, inwieweit dies eingetreten ist.

Aus: Joseph Kardinal Ratzinger, Salz der Erde. Christentum und katholische Kirche an der Jahrtausendwende. Ein Gespräch mit Peter Seewald, Stuttgart 1996, S. 171-174


Frauenordination

Auch in einer anderen Frage, der Frauenordination, ist das absolute Nein hierzu »vom Lehramt auf unfehlbar Weise vorgelegt« worden. Dies wurde noch einmal im Herbst 1995vom Papst bestätigt. »Wir haben nicht das Recht, das zu ändern«, heißt es in der Erklärung. Es zählt also wiederum das Geschichtsargument. Wenn man das aber ernst nimmt, hätte es nie einen Paulus geben dürfen, denn alles Neue muß auch heilige alte Dinge abschaffen. Paulus hat neue Dinge gemacht.

Die Frage ist: Wann kann man Schluß machen mit einer bestimmten Regelung? Was ist mit dem Neuen? Und: Kann nicht auch die Verkürzung der Geschichte ein Götzendienst sein, der sich mit der Freiheit eines Christenmenschen nicht verträgt?

Joseph Kardinal Ratzinger: Da sind, glaube ich, ein paar Präzisierungen nötig. Die erste ist die, daß der heilige Paulus im Namen Christi Neues getan hat, aber nicht im eigenen Namen. Und er hat auch sehr ausdrücklich herausgestellt, daß wer einerseits die alttestamentliche Offenbarung als gültig anerkennt, andererseits dann aber ein paar Sachen eigenmächtig ändert, unrecht handelt. Neues konnte kommen, weil Gott Neues gesetzt hatte in Christus. Und als Diener dieses Neuen hat er gewußt, daß er es nicht erfunden hat, sondern daß das aus der Neuheit Jesu Christi selbst herauskam. Die dann ihrerseits ihre Bindungen hat; und da war er sehr streng. Wenn Sie etwa an den Abendmahlsbericht denken, so sagt er ausdrücklich: »Ich habe selbst empfangen, was ich euch überliefert habe«, und erklärt also deutlich, daß er an das gebunden ist, was der Herr in der letzten Nacht getan hat und was eben in Überlieferung ihm zugekommen ist. Oder an die Auferstehungsbotschaft, wo er wieder sagt: Das habe ich empfangen, und ich bin ihm auch selbst begegnet. Und so lehren wir, und so lehren wir alle; und wer das nicht tut, der entfernt sich von Christus. Paulus unterscheidet sehr deutlich zwischen Neuem, das aus Christus kommt, und der Bindung an ihn, die allein ihn legitimiert, dieses Neue zu tun. Das ist der erste Punkt.

Der zweite ist, daß in der Tat in allen Bereichen, die nicht wirklich vom Herrn und durch die apostolische Überlieferung her festgelegt sind, sich ständig Wandlungen vollziehen – auch heute. Die Frage ist eben: Kommt es vom Herrn oder nicht? Und woran erkennt man das? Die vom Papst bestätigte Antwort, die wir, die Glaubenskongregation, zum Thema Frauenordination gegeben haben, sagt nicht, daß der Papst jetzt einen unfehlbaren Lehrakt gesetzt habe. Der Papst hat vielmehr festgestellt, daß die Kirche, die Bischöfe aller Orten und Zeiten immer so gelehrt und es so gehalten haben. Das zweite vatikanische Konzil sagt: Wo das geschieht, daß Bischöfe über sehr lange Zeit hin einheitlich lehren und tun, ist es unfehlbar, ist es Ausdruck einer Bindung, die sie nicht selbst geschaffen haben. Auf diesen Passus des Konzils beruft sich die Antwort (Lumen gentium 25).

Es ist also nicht, wie schon gesagt, ein vom Papst gesetzter Unfehlbarkeitsakt, sondern die Verbindlichkeit beruht auf der Kontinuität der Überlieferung. Und tatsächlich ist diese Kontinuität des Ursprungs schon etwas Gewichtiges. Denn selbstverständlich war das nie. Die antiken Religionen haben durchweg Priesterinnen gekannt, und in den gnostischen Bewegungen ist das wieder so gewesen. Ein italienischer Forscher hat vor kurzem entdeckt, daß in Süditalien etwa im 5., 6. Jahrhundert verschiedene Gruppen Priesterinnen eingesetzt haben, wogegen dann sofort die Bischöfe und der Papst eingeschritten sind. Tradition entstand nicht aus der Umwelt heraus, sondern aus dem Inneren des Christentums.

Ich würde aber jetzt noch eine Information hinzufügen, die mir doch sehr interessant erscheint. Das ist eine Diagnose, die eine der bedeutendsten katholischen Feministinnen in der Sache gegeben hat, Elisabeth Schüssler- Fiorenza. Sie ist eine Deutsche, eine bedeutende Exegetin, die in Münster Exegese studiert, dort einen Italoamerikaner aus Fiorenza geheiratet hat und jetzt in Amerika lehrt. Sie hat zunächst auch heftig an dem Kampf für Frauenordination teilgenommen, jetzt aber sagt sie, dies war ein falsches Ziel. Die Erfahrung mit den weiblichen Priestern in der anglikanischen Kirche habe zu der Erkenntnis geführt: ordination is not a solution, Ordination ist keine Lösung, das ist nicht das, was wir wollten. Sie erklärt auch, wieso. Sie sagt: ordination is Subordination, also Ordination ist Subordination – Einordnung und Unterordnung, und genau das wollen wir nicht. Und da diagnostiziert sie völlig richtig.

In einen »Ordo« eintreten heißt immer auch, in ein Ein- und Unterordnungsverhältnis eintreten. In unserer Befreiungsbewegung, so sagt Frau Schüssler-Fiorenza, wollen wir aber nicht in einen Ordo, in einen Subordo, eine »Subordination« eintreten, sondern genau dieses Phänomen selbst überwinden. Unser Kampf – so sagt sie – muß daher nicht auf Frauenordination abzielen, da machen wir genau das Falsche, sondern er muß darauf zielen, daß Ordination überhaupt aufhört und daß die Kirche eine Gesellschaft von Gleichen werde, in der es nur eine »shifting leadership«, also eine gleitende Führung gibt. Von den inneren Begründungen her, aus denen um Frauenordination gekämpft wird, in denen es in der Tat um Machtbeteiligung und Befreiung aus Unterordnung geht, hat sie das richtig gesehen. Man muß dann eben wirklich sagen, da steht die ganze Frage dahinter: Was ist das Priestertum eigentlich? Gibt es das Sakrament oder soll es nur eine gleitende Führung geben, in der niemandem ein dauerhafter Zutritt zur »Macht« gestattet wird? Ich glaube, daß in diesem Sinn sich vielleicht auch die Diskussion im Lauf der nächsten Zeit etwas ändern wird.



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