Wirtschaftsethik: Ohne Bindung an Gott wird Arbeit zum Fluch

19. Juli 2011 in Chronik


Evangelisches Professorenforum fragt, warum das christliche Abendland wirtschaftlich erfolgreich war, weist aber auch auf die Schwachstellen der abendländischen Arbeitsethik hin.


Gießen (kath.net/idea) Die christliche Einstellung zur Arbeit hat das Abendland wirtschaftlich erfolgreich werden lassen. Doch gegenwärtig schwinden die christlichen Werte, und ohne Bindung an Gott wird die Arbeit zum Fluch. Auf diese Zusammenhänge macht der Koordinator des christlichen Professorenforums, Hans-Joachim Hahn (Gießen), im Newsletter der Organisation aufmerksam. In ihr sind Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen zusammengeschlossen, „die die christliche Weltsicht nachhaltig und überzeugend im akademischen Raum zur Geltung bringen wollen“. Hahn verweist unter anderem auf den indischen Volkswirtschaftler Prof. Prabhu Guptara (Ermatingen/Schweiz), der auf dem Kongress christlicher Führungskräfte im Februar in Nürnberg referiert hatte. Dabei führte er den wirtschaftlichen Erfolg des Abendlands im 19. Jahrhundert auf die Reformation zurück. Sie habe eine an den Werten der Bibel orientierte Kultur geschaffen, in der eine ehrliche Qualitätsleistung im Austausch für angemessenen Profit gefordert werde. Diese Wirtschaftsethik sei freilich durch den Darwinismus untergraben worden, der zur Speerspitze der Gottlosigkeit geworden sei. Heute rede man deshalb von Raubtierkapitalismus: Der Stärkere verdrängt den Schwächeren.

Antike verachtete Arbeit mit Händen

Hahn lenkt den Blick auch auf die Arbeitsethik anderer Kulturen. Im Alten China und in Indien hätten höher gestellte Bürger auf niedrigere Schichten herabgesehen, die Handwerk und Landwirtschaft betrieben. Über viele Jahrhunderte habe man kaum technischen oder wirtschaftlichen Fortschritt gesehen. In arabischen Kulturen seien Gewinne weniger aus harter Arbeit als durch klugen und geschickten Handel erzielt worden. Die pointierteste Verachtung körperlicher Arbeit finde sich jedoch in der griechischen und römischen Antike. So seien im vorchristlichen Athen teilweise fünf Sklaven auf einen freien Bürger gekommen, der politisiert und philosophiert sowie die Arbeit mit den Händen verachtet habe.

Wer nicht arbeitet, soll nicht essen

Anders hätten sich die von der hebräischen Kultur inspirierten Christen verhalten: Handarbeit sei für sie im Unterschied zu ihrer Umwelt eine ehrenwerte Tätigkeit gewesen. So sei sich der zu Lehre und Predigt berufene „Völkerapostel“ Paulus nicht zu schade gewesen, auf seinen Missionsreisen vom erlernten Handwerk des Zeltmachers zu leben. „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“, sei sein Motto gewesen (2. Thessalonicher 3,10).

Luther: Auch Pflügen ist Gottesdienst

Mit der Wiederentdeckung der griechischen Philosophen und ihrer Lehren durch die Kirchenväter sei später jedoch die Arbeit wieder ins Hintertreffen geraten. Der „geistliche Stand“ habe sich über den „weltlichen Stand“ erhoben. Erst die Erneuerungsbewegung der Mönche habe den ursprünglichen christlichen Lehren und Werten wieder zum Durchbruch verholfen. So habe Benedikt von Nursia im sechsten Jahrhundert die Arbeit mit seinem Motto „Ora et labora“ (Bete und arbeite) wieder rehabilitiert. Noch deutlicher habe es der Reformator Martin Luther (1483-1546) getan. Er habe Arbeit wie Ackerpflügen oder Windelwaschen ebenso als Gottesdienst bezeichnet wie Beten oder Predigen.

Viele Arbeitnehmer leisten „Dienst nach Vorschrift“

Eine große Gefahr sieht Hahn freilich in einem modernen Irrglauben an die Allmacht des Wissens und einer Selbsterlösung durch die Technik. Dies drohe die Menschen von heute in einen „selbst konstruierten Abgrund der Überarbeitung“ zu stürzen: „Indem wir unser eigenes Wissen und unsere Leistung vergöttern, werden wir zum Sklaven unserer Arbeit.“

Die von Gottes Ordnungen – etwa dem wöchentlichen Ruhetag – losgelöste Arbeit sei ein „grausamer Sklavenhalter“. Dies zeige sich bereits in der heutigen Arbeitswelt. Laut dem Gallup-Engagement-Index aus 2010 wiesen 21 Prozent der 2.000 befragten Arbeitnehmer keine emotionale Bindung an ihr Unternehmen auf. Sie verhielten sich destruktiv und demotiviert und schwächten somit die Wettbewerbsfähigkeit. Zwei Drittel der Befragten wiesen eine geringe emotionale Bindung auf; sie leisteten „Dienst nach Vorschrift“. Der wirtschaftliche Schaden werde auf rund 120 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Hahn: „Die Arbeit, die uns unter der Verantwortung vor Gott Segen und Wohlstand brachte, wird mit der Loslösung von Gott zum Götzen, der uns Fluch und Selbstzerstörung bereitet.“


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