Wien: Heftige akademische Diskussion über Kirchenspaltungen

6. Oktober 2011 in Österreich


Religionsphilosophin Gerl-Falkovits, Dogmatiker Tück und Religionsphilosoph Schelkshorn zu aktuellen Konflikten in der katholischen Kirche


Wien (kath.net/KAP) Können die Konflikte in der Katholischen Kirche zu einer Spaltung führen - oder gibt es eine solche gar bereits? Zu dieser Frage kreuzten die Dresdener Religionsphilosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz (siehe Foto), der Wiener Dogmatiker Jan-Heiner Tück und der Wiener Religionsphilosoph Hans Schelkshorn im Rahmen einer Podiumsdiskussion in Wien die Klingen.

Einig waren sich die Diskutanten, dass sowohl den konservativen wie auch progressiven Vorreitern in der Kirche eine grundsätzlich Redlichkeit nicht abgesprochen werden könne: Jeder sei davon überzeugt, im Recht zu sein. Trotzdem wolle sie schon betonen, so Gerl-Falkovitz, "dass Kritik an der Kirche nur dann legitim ist, wenn sie auf Basis einer grundsätzlichen Loyalität erfolgt".

Hans Schelkshorn ortete einen "tiefen Riss" innerhalb der Katholischen Kirche und eine "sehr ernste Situation", die freilich das Ergebnis einer über Jahrzehnte andauernden Entwicklung sei. Er fühle sich bisweilen von konservativ-traditionalistischen Kreisen nicht mehr als Katholik akzeptiert, sagte Schelkshorn.

Jan-Heiner Tück wies auf die Erfahrungen der Kirchengeschichte hin, wonach es in den Jahren nach großen Konzilen immer zu einem Streit über die richtige Deutung gekommen sei. So gehe es heute um die Frage, wie die beim Zweiten Vatikanische Konzil (1962-1965) begonnene Öffnung der Kirche zu Welt konkret zu fassen sei.

Er wolle sich jedenfalls strikt dagegen verwehren, die gegenwärtige Gottes- bzw. Glaubenskrise gegen die Strukturkrise auszuspielen, so Tück. Hier handle es sich um verschiedene Qualitäten. Selbst wenn alle Reformforderungen etwa der Pfarrer-Initiative erfüllt würden, "hat man damit beim grundlegenden Problem nichts erreicht."

Trotzdem würden beide Krisen natürlich auch zusammenhängen: Neue Wege, wie man die Glaubenskrise überwinden kann, würden beispielsweise auch Anstöße für Gemeindereformen geben.

Schelkshorn kritisierte, dass die Kirchenleitung auf die Anliegen der Pfarrer-Initiative oder auch der hunderttausenden Katholiken, die vor rund 15 Jahren das Kirchenvolksbegehren unterschrieben hatten, nicht entsprechend reagiert habe. Problematisch sei weiters die von Papst Benedikt XVI. vollzogene Allianz der Kirche mit traditionalistischen Kreisen und die päpstliche Kritik an der Moderne.

Vor allem Letzteres wollte Gerl-Falkovitz nicht gelten lassen. Der Papst sei nicht gegen die Moderne, sondern verkörpere genau das Gegenteil, vor allem, da er auf die Vernunft so großen Wert lege. Auch Prof. Tück sah keine antimodernistischen Züge bei Benedikt XVI.

Kritische Haltung zu Piusbrüdern

Einig waren sich die Diskutanten hingegen darin, dass die Annäherung Roms an die Piusbruderschaft sehr problematisch sei. Dieses Kapitel sei aber sicher nicht symptomatisch für das Pontifikat Benedikts XVI., so Gerl-Falkovitz. Als positive Initiativen hob sie die Annäherung an die Orthodoxie und an die Anglikaner hervor.

Im Hinblick auf die Piusbruderschaft sah Gerl-Falkovitz ein Schisma; viel größere Sorgen machten ihr aber gewisse Tendenzen innerhalb der Katholischen Kirche, wenn etwa auf einer Theologischen Fakultät in Deutschland die Gottessohnschaft Jesu geleugnet wird und die deutschen Bischöfe nicht dagegen auftreten würden.

Auch in der Liturgie ortete die Religionsphilosophin problematische Entwicklungen. Die Sakralität des Gottesdienstes werde nicht genügend geachtet. Gerl-Falkovitz sprach wörtlich vom "Schisma des Banalen".

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Foto: (c) Forum Altötting 2011


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