Machtmissbrauch und Manipulation

5. Oktober 2011 in Kommentar


Warum spricht man von Mitbestimmung, wenn man nur die mitmachen lässt, die einem in den Kram passen? Denkanstöße für die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Ein Gastkommentar von Michael K. Hageböck


Bonn (kath.net) Viele genießen es, von der Masse bejubelt zu werden. Wer in unseren Tagen das Oberhaupt der katholischen Kirche kritisiert, dem ist der Applaus jedenfalls sicher (was auch daran liegen mag, dass Benedikt XVI. einen eigenen Kopf hat und nicht Echo des Mainstream ist).

Kardinal Lehmann mischt in diesem Spielchen seit Jahren mit. Nun bereitet es ihm offenbar Schwierigkeiten, dass der Papst, gegen den er gerne punkten würde, die „Entweltlichung“ des kirchlichen Apparats fordert und damit in Frage stellte, ob die deutsche Kirche nicht selber ein Problem mit der Macht hat.

Am Vorabend zu der viel beachteten Rede im Freiburger Konzerthaus probte man im Rahmen des offiziellen Programms der Jugendvigil den plebiszitären Aufstand gegen Rom und funktionierte die Anwesenden samt und sonders zu Stimmvieh gegen die katholische Lehre um. Damit offenbarte sich die vermeintliche Forderung nach freier Meinungsäußerung als Instrument der Indoktrinierung.

Seit Jahren spricht der „Bund der deutschen katholischen Jugend“ (BDKJ) zahlreichen Gruppen junger Katholiken jegliches Stimmrecht - ja sogar die Daseinsberechtigung - ab.

Obwohl auf der Papst-Vigil alle katholischen Jugendorganisationen außerhalb des BDKJ übergangen wurden, forderte der BDKJ während eben dieser Feier mehr Demokratie innerhalb der Kirche. Das ist blanker Zynismus!

Umgekehrt müsste man fragen, warum sich eine Organisation römisch-katholisch nennen darf, die dem Papst öffentlich in den Rücken fällt. Katholisch sein heißt doch, dem römischen Pontifex zu folgen. Die Treue zum Lehramt und nicht der Bezug von Kirchensteuergeldern sollte das Wesensmerkmal von kirchlicher Jugendarbeit sein.

Freilich gibt es auch im BDKJ einzelne Christen, die sich wirklich für den Glauben einsetzen; vor allem die Schönstatt-Jugend muss man von der Kritik weitgehend ausnehmen.

Mit seiner Forderung nach „Entweltlichung“ legt Benedikt XVI. den Finger genau in die Wunde. Statt Kritik am Papst zu üben, wäre ein gutes Stück Selbstkritik angesagt. In Deutschland sollte man Pfründe aufgeben statt den Glauben - und besser verkrustete Strukturen im Verbandkatholizismus in Frage stellen, statt die Verkündigung in Rom.

Wie ehrlich ist die Forderung nach Demokratie in der Kirche, wenn man jene ausschließt, die sich mit der Kirche aller Jahrhunderte vom ersten Konzil in Nicäa bis zum Zweiten Vatikanum identifizieren?

Die Katholische Pfadfinderschaft Europas (KPE) erhielt vom Koordinationsbüro Papstbesuch im Erzbischöflichen Ordinariat eine Abfuhr, als sie anbot, sich beim Papstbesuch in Freiburg zu engagieren.

Statt dessen wurde das Rahmenprogramm der Vigil von den Verantwortlichen missbraucht, um Jugendliche zu manipulieren: Mit ihren vermeintlichen Fragen stellten sie öffentlich den Glauben in Frage. Funktioniert Demokratie nicht irgendwie anders? Warum spricht man von Mitbestimmung, wenn man nur die mitmachen lässt, die einem in den Kram passen?

Die DSPG versteht sich als die einzige katholische Pfadfinder-Organisation in Deutschland. Der Freiburger KPE Stamm war mit genau 100 Personen bei der Papstmesse in Freiburg angemeldet. Gemessen an der Gesamtzahl der Besucher mag dies gering erscheinen, doch der Stamm kam mit sämtlichen seiner Mitglieder. Welcher DPSG-Stamm nahm vollständig teil, welcher kam mit 100 Personen zur Eucharistiefeier?

Die Krise der Kirche in Deutschland ist ein hausgemachtes Problem. Man kann nicht Gott dienen und dem Mammon (Mt 6,24). Ebenso wenig darf man von der öffentlichen Meinung erwarten, dass sie sich für Jesus statt für Barabbas entscheidet.

Von den deutschen Bischöfen muss man aber verlangen, dass sie jenen die Tür öffnen, welche ernsthaft Jesus Christus nachfolgen wollen.

Beim Papstbesuch wurden viele Gemeinschaften ignoriert, die sich auf den Papst freuten: Deutschland Pro Papa, Jugend 2000, Jugend für das Leben, die Christkönigsjugend, Generation Benedikt, Nightfever, Comunione e Liberazione, Opus Dei, Regnum Christi, die Geistliche Familie das Werk, die Familie Mariens, die SJM, Totus Tuus, die KPE, der Freundeskreis Maria Goretti, die Johannesgemeinschaft und etliche mehr.

Statt jene in das Programm einzubeziehen, bei denen Kirche lebt, wurden jene auf die Bühne geholt, die nur noch leben, weil sie am Tropf der episkopalen Geldtöpfe hängen.

Die Funktionäre des deutschen Verbandskatholizismus fordern mehr Demokratie, weil sie merken, dass sich niemand mehr für eine Kirche interessiert, wie sie sich sie vorstellen. Statt in suggestiven Umfragen Bestätigung zu suchen, sollten sie zur Kenntnis nehmen, dass schon längst mit den Füßen abgestimmt wird. Manch einer, den Jesus mehr interessiert als Strukturdebatten, hat sich bereits für die Freikirche entschieden. (Für BDKJler im Übrigen keine Option, denn obwohl es hier keinen Papst gibt, nehmen die Evangelikalen Röm 1,26-28 wörtlich.)

Auch innerhalb der Kirche sprechen die Fakten für sich: Die wenigsten Neupriester aus der Diözese Freiburg haben sich in den letzten Jahren in Freiburg weihen lassen, sondern sind in andere Diözesen oder neue Gemeinschaften geflüchtet.

Die Erneuerung des Glaubens findet nicht dort statt, wo die Deutsche Bischofskonferenz ihre Gelder hin fließen lässt. Ihre Projekte versiegen.

Neuevangelisierung wird von neuen geistlichen Gemeinschaften getragen und von privaten Initiativen. Radio Horeb, K-TV, kath.net, der fe-Verlag entstanden außerhalb des eng gesteckten Rasters eines verordneten Aktionismus. Diese Initiativen haben auf dem Felsen Petri statt auf Steuergeldern gebaut. Deswegen sind sie „entweltlicht“, deswegen kommen sie an, deswegen sind sie unbezahlbar.

Wenn Dialog und Demokratie innerhalb der Katholischen Kirche gefordert werden, dann darf dies nicht unter Ausschluss der praktizierenden Katholiken geschehen.

Unseren Hirten ist Mut zu wünschen, die richtigen Konsequenzen aus den Worten zu ziehen, mit denen der Heilige Vater sich aus Deutschland verabschiedete: „Es wird kleine Gemeinschaften von Glaubenden geben – und es gibt sie schon –, die in die pluralistische Gesellschaft mit ihrer Begeisterung hineinstrahlen und andere neugierig machen, nach dem Licht zu suchen, das Leben in Fülle schenkt.“

Das Video von der Ansprache des Heiligen Vates an die engagierten Laien:

Ansprache an die JUGEND:

Video von der Predigt in Freiburg:



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