11. Oktober 2011 in Aktuelles
Auch Muslime, die nicht nur als Sicherheitskräfte, sondern auch unter den Demonstranten vertreten waren, wurden getötet
Kairo (kath.net/KAP) Tausende Menschen haben am Montag in der Markuskathedrale in Kairo an der Trauerfeier für die getöteten koptischen Christen teilgenommen, die am Sonntag bei den Zusammenstößen zwischen Kopten, Muslimen und Sicherheitskräften ums Leben gekommen waren. Der Gottesdienst wurde vom Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst-Patriarch Shenouda III., geleitet. Er hatte am Montag erklärt, Unbekannte hätten sich am Sonntagabend in den Demonstrationszug eingeschlichen und "jene Verbrechen begangen, für die die Kopten verantwortlich gemacht werden".
In der Erklärung distanzierte sich das koptisch-orthodoxe Patriarchat von jeglicher Gewalt. Angekündigt wurden drei Tage des Fastens und des Gebets für die Christen.
Der Politikwissenschaftler und Journalist Emile Amen, der der mit Rom unierten koptisch-katholischen Kirche angehört, sagte am Dienstag "Kathpress" gegenüber, viele der einheimischen Christen Ägyptens, gleich welcher Konfession, seien verunsichert. "Es ist jetzt so ruhig in den Straßen. Wir befürchten hier, dass dies die Ruhe vor dem Sturm ist. Die Sache ist noch nicht vorbei, glauben Sie mir", so Amen.
Es sei das erste Mal gewesen, dass das Militär gegen die Demonstranten Gewalt angewendet habe. "Es ist wirklich ein schmerzliches Ereignis, das da geschehen ist", klagte der Publizist. Es müsse nun untersucht werden, was die Armee dazu gebracht habe, so zu handeln und das Feuer auf die Protestierenden zu eröffnen. Es könnte sein, dass Provokateure, die dort beobachtet worden seien, der Schlüssel zur Erklärung seien.
Auch Muslime bei Demo für Menschenrechte
Unter den Opfern seien auch Muslime, die nicht nur als Sicherheitskräfte, sondern auch unter den Demonstranten vertreten waren. "Sie treten für Demokratie und Menschenrechte ein und demonstrierten daher Seite an Seite mit den Christen", erinnerte Amen. Er bedauerte, dass ein Untersuchungsergebnis weiterhin nicht vorliege.
Die Demonstration hatte am Sonntag im gemischten, aber vorwiegend von Kopten bewohnten Kairoer Stadtteil Schubra begonnen. Anlass des Protests war vor allem der Angriff auf eine im Bau befindliche Kirche in der Ortschaft Elmarinab in der oberägyptischen Provinz Assuan.
Die Protestierenden kritisierten den mangelnden Schutz der christlichen Minderheit vor islamischen Extremisten und die schleppende Aufklärung durch die Sicherheitsbehörden. Der Protest richtete sich damit direkt gegen das de facto herrschende Militär.
Amen wies darauf hin, dass die Militärregierung keine Besserung der Situation der Kopten gebracht habe. Vielmehr "haben sich eine Reihe von Problemen für die Christen hier mit der Zeit gehäuft, und im Vorfeld der Parlamentswahlen im nächsten Monat gewinnen noch dazu Islamisten unerwartet an Boden".
Erst vier Tote für Beisetzung freigegeben
Am späten Montagabend hielten sich noch viele ägyptische Christen in den Straßen auf, wie die ägyptische Christin Sara Nader Azer von der Hilfsorganisation "Mit Jedem teilen" gegenüber "Kathpress" berichtete. Bis zu dem Zeitpunkt waren lediglich die sterblichen Überreste von vier der mehr als 30 Opfer für die Beisetzung freigegeben worden. Die weiteren Leichen verblieben weiterhin in der Gerichtsmedizin. Sprecher der Kopten, aber auch internationale Vertreter wie Österreichs Außenminister Michael Spindelegger, hatten am Montag eine rückhaltlose Aufklärung der Vorkommnisse gefordert.
Der 47-jährige politische Aktivist Ra'ed el-Sharqawi, selbst ehemalige Armeeoffizier, demonstrierte selbst mit. "Kathpress" gegenüber klagte er über die Ungleichbehandlung der Christen in der Gesellschaft und besonders vor der Justiz. Regelmäßig kämen extremistische Täter, die Kirchen und Gläubige angriffen, straflos davon. So werde unter gewaltbereiten Islamisten jegliches Unrechtsbewusstsein von vornherein erstickt. "Die Gesetze allein helfen wenig. Sie müssen auch in der Rechtsprechung umgesetzt werden", sagte er.
Auch Bischof Antonios Aziz Mina von der koptisch-katholischen Diözese Gizeh wies darauf hin, dass an der von ägyptischen Sicherheitskräften gewaltsam aufgelösten Demonstration auch Muslime teilnahmen. Diese seien zusammen mit den Kopten für die Rechte und den Schutz der christlichen Minderheit in Ägypten eingetreten, so Aziz Mina am Montag in einem Interview mit Radio Vatikan. Der Bischof äußerte sich besorgt über die Zukunft der christlichen Minderheit in Ägypten: "Wir wissen nicht, wo wir hingehen sollen, wenn es so weiter geht wie bislang, gibt es weder Recht noch Gerechtigkeit".
"Schuld ist das Militär"
Der Bischof der koptisch-orthodoxen Christen in Deutschland, Anba Damian, sieht die Kopten in Ägypten zunehmender Gefahr ausgesetzt. Er appellierte am Dienstag im Deutschlandfunk an die Bundesregierung in Berlin, eine deutliche Sprache gegenüber den aktuellen Machthabern zu finden. Militärrat und Übergangsregierung müssten daran erinnert werden, dass Minderheiten in Ägypten zu schützen seien.
Die Situation der Christen in Ägypten hat sich nach Einschätzung des Bischofs seit dem Ende des Mubarak-Regimes verschlechtert. Dem ägyptischen Innenministerium warf der Geistliche vor, bereits Anfang des Jahres an der Planung und Durchführung tödlicher Angriffe auf betende Kopten in Alexandria beteiligt gewesen zu sein. "Jetzt werden wir von der Armee getötet", fügte der Bischof hinzu: "Wann hat es das gegeben, dass die Armee, die ein Volk schützen muss, das Volk angreift und tötet?"
Schuld an der Situation ist nach Einschätzung des Bischofs vor allem das Militär. "Ich habe das Gefühl, dass die Übergangsregierung nicht mächtig genug ist, um den Frieden des Landes lenken zu können", sagte Damian. Er räumte zugleich ein, dass es in Ägypten "sehr viele moderate und sehr viele vernünftige Muslime" gebe. Auch viele Muslime kritisierten das, was den Kopten angetan werde.
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