Ein lückenlos atheistisches Menschen- und Weltbild in Norwegen

17. Oktober 2011 in Kommentar


„Kaum jemand beanstandete die atheistische Sicht, die bei der Trauerfeier zum Ausdruck kam.“ Ein kath.net-KLARTEXT von Bischof Andreas Laun zu Trauerfeiern in Norwegen nach dem Amoklauf


Salzburg (kath.net) Erik M. kam als Sohn eines überzeugten Pastors zur Welt, wurde Professor für Altes Testament und auf Grund seiner Bibelstudien katholisch. Seither wird er in der norwegischen Gesellschaft doppelt ausgegrenzt: als Gläubiger von der atheistischen Umgebung, als Katholik von den Protestanten!

Nicht lange nach dem grauenhaften Amoklauf in Norwegen, bei dem 78 junge Menschen getötet wurden, schrieb er mir: „Die menschlich und förmlich vorbildliche Anteilnahme der Regierung an den 78 Beerdigungen nach dem Terrorakt am 22. Juli war in Ordnung, signalisierte aber nichts desto trotz das lückenlos atheistische Menschen- und Weltbild des Landes: Mit der Existenz der Getöteten ist definitiv Schluss.

Sie „leben in unserer Erinnerung, aber nicht als den Tod überschreitende Personen, verantwortlich vor Gott. Aber gerade das wäre notwendig: Den jungen Menschen auch auf dem Jugendlager der Arbeiterpartei das Evangelium zu vermitteln, vor allem die Botschaft von der Auferstehung! Überhaupt, das für sie ganz neue, christliche Menschenbild wäre so wichtig für die Jugend, aber auch für die Menschen in der Politik und überhaupt in der ganzen Gesellschaft.“

Besorgt und warnend fährt mein norwegischer Freund fort: „Was Ihr in Österreich und in Deutschland noch politisch als Kampfthemen habt, ist bei uns in Norwegen und in Skandinavien fertig debattiert und entsprechende Gesetze sind verabschiedet. Das Volk lebt scheinbar bestens damit!

Verhältnismäßig wenige Menschen beanstanden die atheistische Sicht, die bei der Trauerfeier zum Ausdruck kam. Man feiert sich selber, nicht die Personen, die so urplötzlich vor Gott standen! Man bewertet die Verstorbenen nach menschlich-gesellschaftlichen Kategorien, nicht nach dem Maßstab Gottes.

Die evangelisch-lutherische Volkskirche übte ihre Aufgabe als zeremonielle Trösterin zwar ergreifend aus, aber dieses Gemisch von ausgesprochenem und unausgesprochenem Atheismus seitens der politischen „Prediger“ und der amtierenden Pfarrer und Pfarrerinnen bei den Abschiedszeremonien ist für Norwegen typisch geworden. Es wird von den meisten Menschen gelobt als Ausdruck des vermeintlichen Höchstgutes, nämlich der Toleranz, der Demokratie, des Rechtsstaates, also der großen Errungenschaften des europäischen Denkens.“

Warum dann noch der traurige Ton im Brief meines Freundes? Ich weiß warum: Toleranz heißt hier Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit und meint die Behauptung, alles was Gott betrifft, sei ohnehin unerkennbar. Mit Demokratie und Rechtsstaatlich meint man die Allmacht der Mehrheit in allem und jedem!

Aber dass sich damit, auch staatlicher Macht gegenüber, unerschütterliche Menschenrechte nicht mehr begründen lassen und dass auch staatliche Gesetze sich dem Naturrecht, das von Gott kommt, unterordnen müssen, kommt nicht mehr in den Blick.

Was Norwegen fehlt ist die Rede, die Papst Benedikt XVI. im Berliner Reichstag im Jahr 2011 gehalten hat. Armes Norwegen und gefährdetes Norwegen, wenn alles bleibt, wie es ist. Der Tod der Jugendlichen hat dies offenbar gemacht, zumindest bei denen, die Augen und Ohren haben und sie nicht schließen und zuhalten, wie es die Propheten und Jesus selbst beklagt haben (Joh 12, 40; Jes 6,10): „Verhärte das Herz dieses Volkes, verstopf ihm die Ohren, verkleb ihm die Augen, damit es mit seinen Augen nicht sieht und mit seinen Ohren nicht hört, damit sein Herz nicht zur Einsicht kommt und sich nicht bekehrt und nicht geheilt wird.“

Foto: Weihbischof Andreas Laun © Erzdiözese Salzburg


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