Verwandle unsere Feinde in Liebende

17. Oktober 2011 in Deutschland


In Düsseldorf nahmen 400 Christen an einer Mahnwache für die Opfer des Massakers von Kairo teil - Von Michael Hesemann


Düsseldorf (kath.net)
„Gedenke, o Herr, unserer Feinde, die uns hassen und uns viel Leid antun. Erleuchte ihre Herzen, um sie zu Liebenden zu verwandeln. Zeige ihnen Dein Licht und die Schönheit Deiner Herrlichkeit, um sie zu deiner Herde zu bringen. Herr, erbarme Dich“ – die Fürbitten in deutscher und arabischer Sprache waren zugleich die Botschaft wie der bewegende Höhepunkt einer Mahnwache, die genau eine Woche nach dem Kairoer Blutbad vom 9. Oktober 2011 am gestrigen Sonntag in Düsseldorf stattfand. Eingeladen hatte die koptische Gemeinde der Landeshauptstadt unter Leitung ihres Pfarrers Boulos Naim Shehata. Gekommen waren nicht nur rund 200 in Düsseldorf und Umgebung lebende ägyptische Christen, sondern auch gut 200 Katholiken und Protestanten, die ihren koptischen Glaubensgeschwistern ihr Beileid und ihre Solidarität ausdrücken wollten.

Die Mahnwache fand auf dem historischen Marktplatz vor dem barocken Rathaus in der Düsseldorfer Altstadt statt. Auf Stellwänden waren die Fotos von einigen der 35 (nach anderen Berichten 39) Toten des Massakers vom Maspero-Platz angebracht, davor brannten Kerzen. Auch sie hatten nur friedlich demonstrieren wollen, gegen die Zerstörung einer Kirche in Oberägypten durch fanatisierte Moslems. Doch bevor sie ihr Ziel, das Gebäude des staatlichen TV-Senders, erreichten, wurden sie von Schlägern mit Metallstangen und Steinewerfern angegriffen, bevor auch das Militär mit unglaublicher Brutalität gegen sie vorging. Ein gutes Dutzend Filmaufnahmen, die mittlerweile das Geschehen fast lückenlos dokumentieren, zeigen, wie zwei gepanzerte Fahrzeuge und ein Jeep der Armee in die fliehende Menge der Demonstranten hinein rasten und dabei hemmungslos Menschen überfuhren. Zurück ließen sie neben den Toten noch über dreihundert Schwerverletzte, die oft genug erst Stunden später in ein Krankenhaus gebracht werden konnten. Das Volk dagegen war zwischenzeitlich längst durch das Staatsfernsehen aufgehetzt worden, dessen Moderatoren verkündeten, die Kopten hätten die Armee angegriffen und das Volk dazu aufriefen, „ihren Soldaten“ zur Hilfe zu eilen.

War anfangs noch von drei toten Soldaten die Rede, so kann das Militär bis heute noch immer kein einziges Opfer der vermeintlich „koptischen Gewalt“ präsentieren. Auch die Behauptung, die Armeefahrzeuge seien von Kopten gestürmt und dann in die eigenen Reihen gesteuert worden, erwies sich als freche Lüge. Tatsächlich war es ein militärischer Gewaltakt von bislang einzigartiger Brutalität, für den freilich jetzt niemand die Verantwortung übernehmen will. Kein Wunder also, dass die Kopten eine unabhängige Untersuchung und schonungslose Aufklärung der Vorgänge fordern; bislang natürlich ohne Erfolg.

Denn dass die Generäle, die derzeit über das Schicksal des Landes entscheiden, ein Interesse am Scheitern der Revolution des „arabischen Frühlings“ haben, steht außer Frage. Je tiefer die Risse zwischen den Bevölkerungsgruppen sind, je mehr bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen, je besser lassen sich eine Verschiebung demokratischer Wahlen und eine Verlängerung der Militärherrschaft begründen.
Auf die Reihe blutiger Übergriffe nicht nur auf die Kopten, sondern auch auf Demonstranten und Aktivisten der Demokratiebewegung seit Februar 2011 wies man auch auf der Düsseldorfer Mahnwache hin. Kinder trugen Plakate mit einer chronologischen Aufzählung dieser Gewaltakte. Andere Teilnehmern forderten auf Plakaten und Spruchbändern „Gerechtigkeit und Gleichheit für alle Ägypter“ und ein Ende der Verfolgung durch ein zumindest ideelles Bündnis zwischen der Armee, den Moslembruderschaften und den radikalislamischen Salafisten, die mit Unsummen durch die Saudis unterstützt werden, um in Ägypten den „Gottesstaat“ auszurufen.
Doch nicht mit Gegenwalt, sondern mit einem dreitägigen Fasten, mit Gebeten und friedlichen Demonstrationen antworteten die Kopten in aller Welt auf die Verfolgung.

So beteten sie auch in Düsseldorf um Trost für die Angehörigen der Toten, Heilung für die Verwundeten und Befreiung der zu Unrecht Inhaftierten, für ein Ende der Verfolgung und Gerechtigkeit für alle:
„Gedenke, o Herr, Deinem Land Ägypten, von dem Du sagtest: ‚Gesegnet ist Ägypten, mein Volk, denn aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen‘ (Jes 19,25). Dieses Land, das Du gesegnet hast durch Deinen Aufenthalt dort, rette vor der Hand des Bösen und des Terrorismus und verbreite Deinen Frieden in seinen Bewohnern und in allen Konfessionen.“
Beeindruckt von der friedlichen, ja feierlichen Stimmung auf dieser Mahnwache zeigte sich auch der teilnehmende Vertreter der katholischen Kirche in Düsseldorf, der Dominikanerpater und Pfarrvikar der Innenstadtgemeinde, Fr. Manuel Merten OP. Auch er rief in seiner Ansprache zum Gebet für Opfer und Täter, für den Frieden im krisengepeitschten Nahen Osten und die Solidarität mit seinen christlichen Minderheiten auf. Und vielleicht war das die wichtigste Erfahrung dieser Mahnwache, dass Christen ihre Brüder und Schwestern in der Verfolgung nicht alleine lassen. So lud der koptische Pfarrer Shehata abschließend alle, die ihre Solidarität mit den Kopten auch in Zukunft bekunden möchten, schon mal für den 12. November um 15.00 Uhr in die koptisch-orthodoxe Marienkirche (Pöhlenweg 52, Düsseldorf-Grafenberg) ein. Dort wird dann das Sechswochenamt für die Märtyrer vom Maspero-Platz gefeiert.



Fotos: (c) Michael Hesemann


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