18. Oktober 2011 in Deutschland
Menschenrechtler: Weniger Religionsfreiheit für Christen als im Iran
Kabul (kath.net/idea) Bundespräsident Christian Wulff hat bei seinem Besuch in Afghanistan Staatspräsident Hamid Karsai weitere deutsche Unterstützung zugesagt. Ziel aller militärischen und zivilen Anstrengungen müsse sein, dass die Afghanen die Zukunft selbst in die Hand nehmen.
Mit der Religionsfreiheit für Minderheiten, etwa einheimische Christen, ist es in dem Land am Hindukusch schlecht bestellt. In Karsais zehnjähriger Herrschaft hat sich auf diesem Gebiet nicht viel getan. Die Lage insbesondere für Konvertiten sei wegen der islamisch-fundamentalistischen Prägung der Gesellschaft eher noch schlechter als im Iran, sagte der Referent für Islamfragen bei der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), Max Klingberg (Frankfurt am Main), der Evangelischen Nachrichtenagentur idea am 17. Oktober auf Anfrage. Weite Teile des Landes würden von fundamentalistischen Stammesfürsten beherrscht. Karsai habe kaum Interesse an Religionsfreiheit gezeigt.
Muslime, die zum Christentum wechselten , müssten um ihr Leben fürchten, weil das islamische Religionsgesetz, die Scharia, den Abfall vom Islam mit der Todesstrafe bedroht. Nach der afghanischen Verfassung ist der Islam Staatsreligion. Anhänger anderer Religionen dürfen ihren Glauben in den Grenzen der geltenden Gesetze praktizieren. Das Problem: Alle Gesetze müssen im Einklang mit dem Islam stehen.
Letzte Kirche wurde vor zwei Jahren abgerissen
Zehn Jahre nach dem Sturz des radikal-islamischen Taliban-Regimes gibt es heute in Afghanistan keine einzige öffentlich zugängliche Kirche mehr. Die letzte wurde 2009 nach einem Rechtsstreit um einen Pachtvertrag geschlossen und abgerissen. Auch sucht man christliche Schulen vergeblich. Das geht aus einem Bericht der US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit (Washington) hervor, den die christliche Hilfsorganisation Open Doors (Kelkheim bei Frankfurt am Main) auf Anfrage von idea bestätigte. Nach ihren Angaben hatte der US-Amerikaner Christy Wilson die Community Christian Church in Kabul gegründet. Er hatte einen Pachtvertrag über 99 Jahre, der jedoch angefochten wurde. Wilson sei als Lehrer an einer staatlichen Schule in Afghanistan und als Gemeindepastor tätig gewesen. Mit seiner Frau Betty habe er auch eine Blindenschule gegründet.
Christen fehlt es an Bibel und Glaubensunterweisung
Auf dem internationalen Verfolgungsindex, den Open Doors jährlich erstellt, liegt Afghanistan an dritter Stelle nach Nordkorea und dem Iran. Die Zahl der Christen in Afghanistan schätzt das Hilfswerk auf etwa 10.000; die meisten sind Ausländer. Die etwa 2.000 bis 3.000 afghanische Christen müssten sich im Untergrund versammeln. Wenn sie sich zu erkennen gäben, müssten sie wegen des Abfalls vom Glauben zumindest mit Arbeitsplatzverlust, Ausschluss aus der Familie und der Dorfgemeinschaft sowie Gefängnis rechnen. Den christlichen Untergrundgruppen fehle es an Bibeln und Glaubensunterweisung. Zudem seien viele Analphabeten. Sie verfolgten christliche Radio- oder Fernsehprogramme. Ausländische Christen können sich in internationalen Militärstützpunkten oder Botschaften zu Gottesdiensten versammeln.
Politiker fordert Hinrichtung von Getauften
Zwei afghanische Christen sind in diesem Jahr nach internationalen Protesten durch diplomatische Bemühungen vor der Hinrichtung wegen ihres Glaubens bewahrt worden: Shoaib Assadullah (Mazar-i-Sharif) und Said Musa (Kabul). Beide waren wegen ihres Übertritts zum Christentum verhaftet worden.
Am 31. Mai 2010 hatte der afghanische Fernsehsender Noorin TV Bilder einer Taufe von Konvertiten gezeigt. Daraufhin forderte unter anderem der stellvertretende Parlamentspräsident Abdul Sattar Khawasi, dass diese öffentlich hingerichtet werden sollten.
Afghanistan hat etwa 28,4 Millionen Einwohner. 80 Prozent sind sunnitische und etwa 19 Prozent schiitische Muslime. Neben den nach Schätzungen maximal 10.000 Christen gibt es im Land noch etwa 3.000 Sikhs, 400 Anhänger der Bahai-Religion und rund 100 Hindus. Auch sie sind nach Angaben der US-Kommission für Internationale Religionsfreiheit Diskriminierung und Verfolgung ausgesetzt. In der Hauptstadt Kabul gebe es zwar eine Synagoge, sie werde jedoch nicht genutzt, weil keine jüdische Gemeinde existiere.
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