29. Oktober 2011 in Interview
Die Kirche in Deutschland ist so überinstitutionalisiert, dass die Bischöfe sie überhaupt nicht mehr überschauen können. Und nur sie selbst können das ändern. Ein Gastkommentar von Michael Schneider-Flagmeyer zum Weltbildverlag.
Trier (kath.net) Seit sechs Jahren hätten Katholiken abseits der Öffentlichkeit in umfangreichen Dokumentationen die Bischöfe auf die Missstände im katholischen Weltbildverlag aufmerksam gemacht. Leider habe es keine Reaktion gegeben und nun sei die Bombe geplatzt. Das bedauert die Aktionsgemeinschaft Katholischer Laien und Priester in der Diözese Trier e.V. in einer Stellungnahme.
Diese Vorgänge veranlassen mich für unsere Aktionsgemeinschaft zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen, die die gesamte Situation der Kirche in Deutschland betreffen, schreibt der 1. Vorsitzende, Michael Schneider-Flagmeyer. Die Kirche in Deutschland ist so überinstitutionalisiert, dass die Bischöfe sie überhaupt nicht mehr überschauen oder gar kontrollieren können. Die heutigen Bischöfe sind dafür nicht verantwortlich, aber nur sie können das ändern. Und bislang sind keine Ansätze dazu erkennbar.
Früher waren die Ordinariate und Generalvikariate leer und die Kirchen voll. Heute sind die Kirchen leer und die Ordinariate voll, beklagt Schneider-Flagmeyer den "ausufernden Ordinariats-, Gremien-, Verbands- und Tagungskatholizismus".
Hinzu komme eine unüberschaubar gewordene Menge von Institutionen, die einst von frommen Ordensbrüdern und Schwestern gegründet und geleitet wurden und für die heute das kirchlich gesinnte und auch ausgebildete Personal fehlt. Auch das Finanzgebaren der Kirche müsse nun endlich auf den Prüfstand: Verflechtungen der Kirche mit höchst unkirchlichen Institutionen sind so zahlreich, dass sie nicht überschaut werden können.
"Dieser ganze gegenwärtige Zustand liegt wie eine Bleiglocke über dem geistlichen Leben in Deutschland und auch über der Deutschen Bischofkonferenz und erstickt alles Leben oder hält es zumindest sehr klein."
Die Stellungnahme des Vorsitzenden im Wortlaut:
Da die Diözese Trier zu den Eigentümern des Weltbildverlages gehört, sehe ich mich zu folgender Stellungnahme veranlasst: Seit spätestens sechs Jahren werden die deutschen Bischöfe auf die Zustände beim Weltbildverlag auch durch umfangreiche Dokumentationen hingewiesen, an denen auch unsere Aktionsgemeinschaft beteiligt war.
Trotz des ausdrücklichen Verbotes des Vertriebs pornographischer Artikel an den Geschäftsführer des Verlages durch die Medienkommission der Deutschen Bischofskonferenz vor sieben Jahren macht nun das Publikationsorgan des Deutschen Buchhandels auf den massenweisen Vertrieb, ja sogar auf die Herstellung pornographischer Artikel in großer Zahl durch die Verlagsgruppe aufmerksam.
Wir bedauern es außerordentlich, dass in sechs Jahren die Bischöfe auf die Vorstellung kirchentreuer Katholiken nicht gehört haben. Diese haben sich bemüht, das Thema jahrelang aus der Öffentlichkeit heraus zuhalten, manchmal zähneknirschend und mit geballten Fäusten, um die Kirche und ihre Bischöfe nicht weiter in Misskredit zu bringen. Leider war uns kein Erfolg beschieden.
Nun ist die Bombe geplatzt und das Treiben des Weltbildverlages wird in seinem ganzen Umfang offenbar. Satanismus, Vampirismus, Anleitungen zu satanischen und okkulten Ritualen, Ausbildung zur Hexentätigkeit, Pornographie, Blasphemie, die "erste deutsche Satansbibel" (so der Verlag), Jesus als Lüstling ("theologisch sorgfältig untersucht"), Häresie, Genderideologie, so genannte Kirchenkritik und anderes Verwerfliche in Massen. Jeder konnte sich im Internet davon überzeugen.
Dabei wollen wir keineswegs verkennen, dass im Weltbildverlag zu sehr günstigen Preisen auch viel Gutes und Nützliches vertrieben wird, das anderswo nicht zu bekommen ist. Aber die guten Seiten an einer schlechten Sache sind "das Geschenkpapier des Teufels", so Max Thürkauf.
Diese Vorgänge veranlassen mich für unsere Aktionsgemeinschaft zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen, die die gesamte Situation der Kirche in Deutschland betreffen und die der Heilige Vater in jahrzehntelanger Kenntnis der Dinge in Freiburg so offen und eindringlich angesprochen hat.
Die Kirche in Deutschland ist so überinstitutionalisiert, dass die Bischöfe sie überhaupt nicht mehr überschauen oder gar kontrollieren können. Die heutigen Bischöfe sind dafür nicht verantwortlich, aber nur sie können das ändern. Und bislang sind keine Ansätze dazu erkennbar.
Der ausufernde Ordinariats-, Gremien-, Verbands- und Tagungskatholizismus nimmt immer noch zu und zeigt die ganze Hilflosigkeit der verantwortlichen Amtsträger, die selber darunter leiden müssen.
Werden sie doch dadurch bis zur physischen Erschöpfung in Anspruch genommen und an ihren eigentlichen bischöflichen Aufgaben gehindert. Es bleibt ihnen keine Zeit mehr für ihre Priester und ihre Gemeinden. Ich bin seit 20 Jahren "Rat" in Leitung und weiß, wovon ich rede.
Früher waren die Ordinariate und Generalvikariate leer und die Kirchen voll. Heute sind die Kirchen leer und die Ordinariate voll. Das sagt doch wohl sehr viel. Bischöfe und Pfarrer werden mit Bürokratie, Ausschüssen, Gremien und Räten, die jetzt bei den Strukturreformen noch verdoppelt werden, bis zur Erschöpfung geplagt und bei ihren seelsorgerlichen Aufgaben behindert. Alle Bitten und Mahnungen haben bis jetzt nichts erreicht.
Hinzu kommt die unüberschaubar geworden Menge von Institutionen, die einst von frommen Ordensbrüdern und Schwestern gegründet und geleitet wurden und für die heute das kirchlich gesinnte und auch ausgebildete Personal fehlt. "Es gibt zu viele Menschen, die von der Kirche, aber nicht für die Kirche und mit ihr leben." (Otto von Habsburg)
Vor allem das Finanzgebaren der Kirche muss nun endlich auf den Prüfstand. Verflechtungen der Kirche mit höchst unkirchlichen Institutionen sind so zahlreich, dass sie nicht überschaut werden können und die Personen, die von den Bischöfen mit der Kontrolle beauftragt sind, versagen meist auf der ganzen Linie. Es genügt in diesen Tagen, nur den Weltbildverlag und das erstaunliche mitteldeutsche Fernsehballett (sic!) zu nennen. Das ist Verweltlichung der Kirche und muss nach dem Willen des Papstes, aber auch nach dem Willen der meisten Katholiken beendet werden.
Es muss auch aufhören, viele Millionen Euro an Gremien zu verschleudern, die der Lehre der Kirche "kritisch" bis feindlich gegenüberstehen und das lauthals in die Welt hinausposaunen. Diese Gelder werden bei den Hungernden dieser Erde und bei den armen, aber sehr lebendigen Kirchen in allen Erdteilen sehr viel dringender benötigt.
Ist es denn ein Wunder, dass selbst kirchentreue Katholiken den Ausstieg aus der Kirchensteuer verlangen? Dieser ganze gegenwärtige Zustand liegt wie eine Bleiglocke über dem geistlichen Leben in Deutschland und auch über der Deutschen Bischofkonferenz und erstickt alles Leben oder hält es zumindest sehr klein.
Auch wenn die derzeitigen Bischöfe für die Entstehung dieses Zustandes nur einen kleinen Teil der Verantwortung nach ihren Vorgängern tragen, können allein sie es ändern.
Wir bitten die deutschen Bischöfe inständig, dem Papst nicht nur mit den Lippen zu folgen sondern tatkräftig die genannten Probleme anzugehen, um durch eine Ent-Weltlichung der Kirche sich und uns frei zu machen für den uneingeschränkten Dienst an der Welt, damit "unser Antlitz leuchtet"(Ps 34) und unsere Welt glaubt, dass Gott der Vater den Erlöser Jesus Christus gesandt hat.
Dr. Michael Schneider-Flagmeyer
1. Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Katholischer Laien und Priester in der Diözese Trier e.V.
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