24. September 2002 in Österreich
"Priesterliche Identität hängt zutiefst vom Verständnis der Eucharistie ab" KATH.NET dokumentiert die Ansprache von Bischof Kapellari bei der Pfarrerwoche
Liebe geistliche Mitbrüder!
Liebe Mitchristen aus dem Laienstand!
I. Vorbemerkungen
Ein Jahr steirischer Kirchengeschichte ist vergangen, seit wir hier ingroßer Zahl beisammen gewesen sind. Wir haben dieses Jahr in besondererVerantwortung für das kirchliche Leben, aber auch für das Leben dersogenannten "Zivilgesellschaft" mitgeprägt in Pfarren und Dekanaten, in derDiözese und auch in Verantwortung für die Kirche in ganz Österreich und "bisan die Grenzen der Erde".Ich freue mich, wieder in Eurer Mitte sein zu können, nachdem ich vielen vonEuch in Eurem pfarrlichen Wirkungsbereich begegnet bin. Unser so notwendigesMiteinander wird durch diese Nachsommertage in Seggauberg sicher gestärktwerden.Bei der Vorbereitung meines Referates vor diesem Forum habe ich den Text desReferats vom Vorjahr wieder zur Hand genommen. Er war - obwohl ich nicht beiJesuiten in die Schule gegangen bin - in drei Kapitel gegliedert undhandelte von den Themen Gott, Welt und Kirche. Es folgten dann Überlegungenüber die gemeinsame Berufung von Priestern und Laienchristen sowie überLiturgie und über die Pastoral für Ehe, Familie, Kinder und Jugendliche.Auch heuer will ich meine Gedanken bei Gott beginnen. In Gottes Namen habeich den Vortrag des Vorjahres angefangen. Mit einem Hinweis auf JesusChristus - Gottessohn und Menschensohn - will ich es heuer tun.
II. Christozentrik
Vor mehr als 20 Jahren habe ich mir ein Wort aus dem ersten Korintherbriefals Wappenspruch gewählt: "Omnia vestra - vos autem Christi". Das isteinerseits ein Wort katholisch weiter Öffnung zur Welt, zur Gesellschaft.Alles gehört euch und für alles seid ihr mitverantwortlich, sagt Paulus denKorinthern und uns: Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft. Dann aber nimmtder Apostel diese ganze weltliche Breite in die Klammer des christologischenVorbehaltes. Er wendet und öffnet sie und uns auf Christus hin: Ihr abergehört Christus, und Christus gehört Gott, dem Vater."Omnia vestra - vos autem Christi" - das ist ein Programm nicht nur füreinen einzelnen Bischof, sondern ein Dauerauftrag an die Kirche.Der Mensch soll im Mittelpunkt stehen, hört man oft sagen, und dies sowohlin der Gesellschaft wie in der Kirche. Das kann gut und richtig gemeint seinals Imperativ zur Förderung der so oft gefährdeten und verletzten Humanität.
Für uns Christen ist aber nicht der Mensch diese Mitte, sondern Gott. Im 20.Jahrhundert ist das tragische Scheitern gewalttätiger Versuche offenbargeworden, bei denen entweder das einsame stolze Individuum oder einnational-rassisches oder ein international-kommunistisches Kollektivverabsolutiert worden ist.In einem authentisch christlichen Menschenbild sind Individuum undGemeinschaft immer relativ auf Größeres - nämlich auf Gott - hin. Jesus, dermenschgewordene Gott, stellt zwar in konkreten Situationen ein Kind odereinen Mann mit einem verdorrten Arm in die Mitte der Jünger und der ihnumgebenden Schar des Volkes. Aber diese Mitte ist nur ein Punkt in einerSpirale der Transzendenz, die unverwandt in die Tiefe des DreifaltigenGottes weist.
"Zeige uns den Vater" (Joh 14,8), sagt Philippus im Johannesevangelium zuJesus."Herr, wir möchten Jesus sehen" (Joh 12,21), sagen ebenfalls im 4.Evangelium Griechen, also potentielle Heidenchristen, zum Jünger Philippus."Give me Jesus", sagt vor diesem biblischen Hintergrund ein Gospellied, dasvor allem junge Menschen gerne singen.Alle Christen und besonders die Priester haben sich dieser dreifachen Bittezu stellen, die auch uns ausdrücklich oder implizit immer wieder begegnet.Aber kennen wir selbst Jesus schon tief genug? Gewiss werden wir mit dieserFrage zeitlebens nie an ein Ende kommen, aber wir müssen mit ihr bewusstunterwegs bleiben. Das Neue Testament zeigt uns viele Bilder Christi undunzählige weitere Bilder sind von christlich inspirierter Kunst auf demFundament des Neuen Testaments geschaffen worden.Mich selbst bewegt besonders ein Christusbild von Francisco Goya, das in derSakristei der Kathedrale von Toledo gezeigt wird. Es stellt dieGefangennahme Jesu am Ölberg dar. Christus erscheint hier als eineLichtgestalt mit reinem Antlitz inmitten der Häscher, deren Gesichter zuFratzen verkommen sind. Die paradoxe Macht der Ohnmächtigen und die paradoxeFreiheit der Gefangenen sind für mich nirgendwo anders so bewegenddargestellt worden wie auf diesem Bild des Spaniers, der die Abgründigkeitdes Bösen und die Banalität des Oberflächlichen besser kannte als vieleandere. Es ist ein mystisches Bild: der allmächtige Gott, der Milchstraßenund Ozeane geschaffen hat, leidet im Sohn in erlösender Solidarität mitaller leidenden Kreatur. Tieferes ist im Horizont der Weltreligionen überdas Miteinander von Gott und Mensch, von Gott und Welt nicht gesagt worden.Wo ist Gott? Wer ist Gott? Zeige uns Gott, zeige uns Jesus! Diesen Fragenund Bitten in ihrer heutigen Gestalt sollen wir uns zumal als Priesterstellen. Eine zusammenfassende Antwort auf dieses Fragen und Bitten gibt dieKirche, wenn sie missionarisch ist.
III. Missionarische Kirche
In den für den "Prozess 2010" formulierten "Leitlinien für die Seelsorge" inunserer Diözese ist das Kapitel 6 mit dem Titel "Für eine missionarischeKirche" nicht von ungefähr, sondern von den Verfassern beabsichtigt, dasumfangreichste von allen. Das ist ein hoher Anspruch, ein Ausdruck desGlaubens und der Hoffnung gegen eine verbreitete Resignation angesichts vonVerflachungen und Schrumpfungen im kirchlichen Leben. Es ist auch einegelassene wie entschlossene Antwort auf unsere Begegnungen mit anderenWeltreligionen und deren Willen zur Expansion.Mission ist in ihrer reifsten Gestalt eine Konsequenz der Liebe zu Gott undder Liebe zu den Menschen. Aus der apostolischen Zeit tönt bis in dieGegenwart der Ruf der Apostel Petrus und Johannes, denen der Hohe Rat dieFreilassung um den Preis des zukünftigen Schweigens über Jesus angebotenhatte. "Unmöglich können wir schweigen von dem, was wir gesehen und gehörthaben" (Apg 4,20).
Dostojewski hat in seiner Legende vom Großinquisitor Erschütterndes über diepathologische Verformung des Prinzips Mission gesagt. Anklagend sagt derschreckliche greise Inquisitor zum wiedergekehrten Christus, der nachts alsGefangener vor ihm steht:
"Denn die Sorge dieser kläglichen Geschöpfe besteht nicht allein darin,etwas zu finden, vor dem sie sich beugen können, sondern etwas, vor dem auchalle anderen sich beugen wollen, alle, gemeinsam und ohne Ausnahme. Geradedieses Bedürfnis der gemeinsamen Anbetung ist von Anfang an die ärgste Qualder Menschen gewesen, ob man sie als Einzelwesen oder als Rasse betrachtet.Um der Gemeinsamkeit der Anbetung willen haben sie einander in grausamenKämpfen zerfleischt. Sie schufen Götter und riefen:,Verlasset eure Götter! Kommt her, betet die unsrigen an! Oder Tod undVerderben euch samt euren Götter!`Und so wird es bleiben bis ans Ende der Welt, selbst dann, wenn die Götteraus der Welt verschwinden; denn dann werden sich die Menschen eben vorGötzen niederwerfen. Dieses wichtigste Geheimnis der menschlichen Natur wardir bekannt, es konnte dir unmöglich unbekannt sein. Aber du wiesest dieFahne zurück, die dir angeboten wurde, und mit der du alle hättest zwingenkönnen, sich ohne Widerspruch vor dir zu beugen, die Fahne des irdischenBrotes, und du verschmähtest sie um der Freiheit und um des himmlischenBrotes willen."
Wir sind heute als Kirche machtlos genug, um der Versuchung zu einem solchemMissbrauch des Prinzips Mission zu entgehen. Wir sind im Gegensatz dazuwieder nahe bei Augustinus, der in den "Confessiones" über einengleichaltrigen Freund, den er lange und schließlich erfolgreichmissionarisch umworben hatte, schreibt: "Wir hatten ihn schon lange zumBruder gehabt, doch wollten wir ihn zum Bruder in Christus haben."Als Kirche, als Gemeinde, als Einzelchrist missionarisch sein, heißt heuteoffensiv zu sein durch die Kraft von Gebet, Wort Gottes und Sakramenten.Missionarisch sein heißt, Deutungskompetenz haben und ins Gespräch bringenin bezug auf "Welt, Leben, Tod, Gegenwart und Zukunft", wie es der ApostelPaulus im eingangs zitierten Wort aus dem ersten Korintherbrief gesagt hat.Missionarisch sein heißt, ein herzeigbares Leben führen im täglichen, oftstolpernden Versuch zur Nachfolge Christi.
Missionarisch sein heißt, bereit sein zu einem nicht geringen Maß an Askese.All das gelingt frei von ängstlicher oder eitler Selbstbehauptung nur, wennJesus Christus in unserem Horizont strahlt. Wenn wir mehr ihn zeigen wollenals uns selbst.In der Reihe von Ehrentiteln mancher habsburgischer Herrscher befand sichauch der Anspruch "allzeit Mehrer des Reiches" zu sein. Als Christen, alsPriester sollten wir allzeit Mehrer des Reiches Gottes sein wollen.Eine missionarische Kirche wird zumal unter den heutigen Bedingungen inLändern wie dem unseren immer mehr auch eine stellvertretende Kirche sein.Dies gilt besonders für die Liturgie. Auch eine kleinereGottesdienstgemeinde am Sonntag und schon gar an einem Wochentag wird voreiner beklemmenden Fixierung auf die da und dort schrumpfende Zahl derMitfeiernden bewahrt, wenn sie weiß, dass sie stellvertretend für alleGetauften, ja für die ganze Menschheit das Christusmysterium feiert, dasStundengebet vollzieht oder den Rosenkranz betet. Freilich wird dieseliturgische Kerngemeinde nur dann vor Implosionen bewahrt bleiben, wenn hierFrömmigkeit, theologische Kompetenz und eine nicht nur äußerlich verstandene"ars celebrandi" zusammenfinden und beisammen bleiben.
Eines der großen Desiderate, die uns in die diözesane Zukunft begleitensollen, ist eine konzertierte nachhaltige Bemühung um das tiefe Verstehender Eucharistie. Das geht unverzichtbar besonders uns Priester an. Verstehenwir die Messe in ihrer Tiefe wirklich? Sind wir kompetent, um uns gegen ihrewohlmeinende Reduktion auf ein Mahl zu wehren und unsere Gemeinden vorsolchen theologischen Reduktionen, woher sie auch kommen mögen, zu schützen?In der protestantischen Theologie gibt es laut HerderkorrespondenzBemühungen um die Wiedergewinnung der Kategorie "Opfer", während katholischeNachhutpositionen dagegen resistent sind.
Eine konzertierte Bemühung um ein Verstehen der Fülle des Wesens vonEucharistie müsste ebenso den Religionsunterricht, die kirchlichenBildungshäuser und -werke, die kirchliche Publizistik und die TheologischeFakultät einbeziehen. Vieles davon geschieht aber dankenswerterweiseohnehin.
Auch unsere priesterliche Identität hängt zutiefst ab vom Verständnis derEucharistie. Wir sind berufen, in "persona Christi" zugleich in der Gemeindeund ihr gegenüber zu stehen. Die von manchen Theologen betriebene Polemikgegen eine sogenannte Zweiklassengesellschaft aus Priestern und Laien in derKirche beruht auf einem profunden Missverstehen des Mysteriums der Kircheund der Eucharistie und darum auch des Weihesakraments. Um dies überwindenzu helfen, müssen wir selbst freilich bereit sein, Hirten zu sein, wie Gottsie einst durch Jeremias seinem Volk versprochen hat mit dem Wort: "Ich willeuch Hirten nach meinem Herzen geben" (Jer 3,15). Zwischen den Extremeneines falschen, aber heute ohnedies selten gewordenen Klerikalismuseinerseits und der Preisgabe priesterlicher Identität, Zeichenhaftigkeit undBereitschaft zum Leiten unserer Gemeinden haben wir unseren Weg zu gehen:einmal den Gemeinden voran, dann wieder mitten drinnen und manchmal auch amSchluss mit dem Blick auf die Nachhut, die von uns nicht im Stich gelassenwerden darf.
IV. Die Kategorie des Heiligen in Alltag und Liturgie
Bei der Freisinger Priesterfortbildungswoche habe ich am 19. Jänner heurigenJahres einen Einkehrtag über das Thema "Heiligkeit" gehalten. Die dreiVorträge handelten vom heiligen Gott, von heiligen Menschen und von heiligenZeichen vor allem in der Liturgie. Ich habe damals auf zwei großeevangelische Publikationen über das Heilige verwiesen, nämlich auf die 1977von Carsten Colpe edierte "Diskussion um das Heilige" (WissenschaftlicheBuchgesellschaft Darmstadt) und den Symposiumbericht "Das Heilige. SeineSpur in der Moderne" aus dem Jahr 1985. Bemerkenswert ist dabei dasvollständige Fehlen eines katholischen Beitrags. Indessen hat sich die Szeneauch katholischerseits positiv verändert. Die Herderkorrespondenz berichtetein den letzten Jahren und Monaten wiederholt von theologischen Tendenzwendenund so auch von der Wiederkehr der Kategorie des Opfers und des Heiligen indie protestantische und katholische Theologie. Wir sollten dies beachten. ImVorjahr haben Stephan Horn und Vinzenz Pfnur, zwei Schüler von KardinalJoseph Ratzinger, das Buch "Gott ist uns nah. Eucharistie: Mitte des Lebens"herausgegeben. Hier wird auch darauf verwiesen, dass der Kardinal derAufhebung des Unterschieds zwischen heilig und profan entschiedenwidersteht. Das Zerreißen des Tempelvorhangs am Karfreitag bedeute denEinsturz der Mauer zwischen Israel und den Völkern und nicht das Ende derUnterscheidung zwischen heilig und profan. Dieser Unterschied bleibe - soder Kardinal - bestehen, solange die Welt nicht vollendet, also Gott nichtalles in allem ist. Bezogen auf Liturgie moniert Kardinal Ratzingerbesonders die Anbetung als Begegnung mit dem Heiligen. Das hat oder hätteauch Konsequenzen für die Liturgie, wie sie von uns landläufig gefeiertwird.
Ich zitiere nun einige Absätze aus dem dritten Teil meiner Vorträge inFreising betreffend die Liturgie:"Geist braucht Form" hört man oft sagen. Die Kulturgeschichte beweist diesimmer neu. Der Geist schafft Formen und bewohnt sie. Er verlässt sie oftauch wieder und lässt eine schöne, aber nicht mehr belebte Form zurück. Auchder Heilige Geist braucht Form, schafft Form, in die er sich nach oftanarchisch anmutenden Anfängen ergießt. Und auch diese Formen können zuschönen, aber toten Gehäusen werden. Viele dieser Gehäuse werden aber nurzeitweise verlassen. Sie warten, bis jemand aus einer neuen Generation siewieder entdeckt und wieder besiedelt. Ein Beispiel gibt der GregorianischeChoral und seine wieder zunehmende Rezeption gerade bei jungen Leuten. EineNagelprobe, wenn auch keineswegs die einzige, für die Kraft des Geistes undzuletzt des Heiligen Geistes in der Kirche ist die Liturgie.
Liturgie ist, wie das Leben überhaupt, geprägt von Polen, die in einerfruchtbaren Spannung zueinander stehen sollen. Das sind unter anderem diePolarität zwischen dem einzelnen Gläubigen und der feiernden Gemeinde, diePolarität zwischen der Erhebung der Herzen zu Gott und der Achtsamkeit aufdie Disposition der mitfeiernden Nachbarn; schließlich die Polaritätzwischen Wiederholung und Spontaneität, die Polarität zwischen Wort undSchweigen und anderes mehr.
Seit den späten 60er Jahren des nun vergangenen 20. Jahrhunderts hat sichvielerorts ein Kult der Spontaneität etabliert, der Nachhaltigkeit in derreligiösen Formung verhindert oder mindestens erschwert. Übung wurde allzuleicht als Dressur abqualifiziert. Nur im Bereich von Sport und Musik wardies kaum der Fall. Man wusste dort zu gut, dass z.B. das Improvisieren aufder Orgel erst dann gelingt, wenn man sich den langen Weg durch Übung anHand vorgegebener Kompositionen nicht erspart hat. Auch das religiöse Lebenverflacht ohne das Prinzip Übung, Einübung. Der Blick auf den für manchewirklich tief, für viel mehr andere in Europa nur modisch attraktivenBuddhismus und auch auf den Islam könnte unseren höheren Schülerinnen undSchülern im katholischen Religionsunterricht plausibler machen, dass auch imChristentum Übung notwendig ist, wenn man es wirklich als beglückendverstehen soll. Dies gilt besonders für die Liturgie und die Beheimatung inihrem Kosmos von Heiligen Zeichen. Die Ministrantenseelsorge müsste solcheÜbung jedenfalls einbeziehen.
Von uns Priestern wird mit Recht erwartet, dass wir diese Einübung kompetentund spirituell motiviert begleiten. Das setzt eigene Übung voraus. Liturgieist auch heiliges "Spiel", heiliges Drama. Das erfordert von unsdramaturgische Fähigkeiten, die im Rahmen unserer Ausbildung vielleicht zuwenig bewusst gemacht, zu wenig herausgefordert worden sind oder werden. Mansetzt unausgesprochen viel zu oft voraus, dass das durchschnittliche Niveauder Zelebration im Umgang mit Raum, Altar, Kleid und anderem Gerät, mitSprache und Gebärde schon ausreichend sei. Der priesterliche Nachbarverlässt sich diesbezüglich zu leicht auf den Nachbarn und dies zu lastender liturgischen Gemeinde. Wer glaubt und sagt, es handle sich hier nur umÄußerlichkeiten, dem wäre zu entgegnen, dass auch unsere Haut zwar dasÄußerlichste unseres Leibes ist, dass wir aber beim Verlust von ca. 40 %dieser Haut sterben müssen. Haut ist sozusagen nicht nur Haut, sondern einStück Körper, das mit dem tiefsten Seelengrund kommuniziert und das ingesundem wie in krankem Zustand auch Ausdruck dieser Seelentiefe ist.
Man kann die Gestalt von Liturgie außer durch das Symbol der Haut auch durchdas Symbol eines Teppichs deuten. Aus einem solchen Teppich kann man durchlange Zeit immer wieder Fäden herausziehen. Er hält es in seinerGesamtgestalt aus. Eines Tages kommt man dabei aber an eine kritische Grenzeund das Textil zerfällt. Das ist ein Gleichnis - nicht mehr, aber auch nichtweniger.
Der Teppich der Liturgie verträgt, ja braucht auch Goldfäden. Viele solcheFäden sind ihm, etwa bezogen auf das liturgische Kleid, in den letztenJahrzehnten genommen worden, und vielleicht hat es ja da und dort wirklichzu viel an solchem Gold im Kult gegeben. Das Konzil hat gesagt, die Liturgiesollte einfach sein. Wenn man aber den Konzilstext genau betrachtet, dannwird deutlich, dass er sich gegen die Gefahr einer Banalisierung ingelassener Deutlichkeit abgrenzt, indem er die Wörter "Glanz" und "edel"einfügt und lautet: "Die Riten sollen den Glanz edler Einfachheit an sichhaben". Das gilt gewiss besonders bezogen auch auf Altar, Parament undSprache, diese höchst sensiblen Bauelemente unserer Liturgie. Ist der Altarein Abstellplatz für Dinge, die man doch erst während der Messeherbeibringen und nach Gebrauch sogleich wieder wegtragen sollte? In Italienhabe ich vielerorts gesehen, dass Messkännchen und Messbuch den ganzen Tagauf dem Altar verbleiben. Ich habe dort auch kleine Mikrophone stehengesehen, auf deren Fuß eine Blechplatte mit einem Christusrelief befestigtwar.Sind die Paramente billige Konfektionsware und verzichtet sogar derHauptzelebrant bei der Messe auf die Kasel, um sich mit einerbanal-schmucklosen Stola, einem bloßen Schal zu begnügen?Und - bezogen auf die Sprachkultur - wie werden die Konsekrationswortegesprochen, wie der Kanon überhaupt, wie die Worte "Leib Christi" bei derKommunionspendung? Hier ist oft ein moralischer Zungenschlag etabliert.
Das Wort Glanz, von welchem das Konzil gesprochen hat, erinnert an dashebräische "Kabod Jahwe, das griechische "Doxa" und das lateinische"Gloria". Es geht um den Glanz Gottes, der in unseren Kult hineinleuchtenund aus ihm herausleuchten soll.
"Gott ist schön und liebt die Schönheit", sagt ein Wort islamischerProvenienz. Schönheit ist im Gottesdienst daher nicht bloß Luxus. Sie istTeilhabe an der Schönheit Gottes, in welchem Wahrheit, Güte und Schönheitzutiefst vereint sind.
Wir konstatieren mit Sorge einen Rückgang der Zahl von Teilnehmern an denSonntagsgottesdiensten. Die Ursachen dafür sind zahlreich, und an einigenkönnen wir wenig ändern. Es bleibt uns aber jedenfalls die Möglichkeit einesachtsamen Umgangs mit jenen Heiligen Zeichen, die den Kosmos der Liturgiekonstituieren. Dies sind vor allem alte, ererbte Zeichen, aber auch einigeneue Zeichen, die im Leben mit unserer sich wandelnden Gesellschaftentstehen können. Der sensible Umgang mit diesem Konnex von Zeichen alsWort, Bild, Gebärde, Musik, Raum und umfassende Dramaturgie wirdüblicherweise als "ars celebrandi" bezeichnet. Karl Rahner hat einen Aufsatzzum Thema "Priester und Dichter" verfasst. Es ginge darüber hinaus aber umdie Achse Priester und Künstler überhaupt.
V. Bericht über aktuelle Vorhaben in unserer Diözese für das begonneneArbeitsjahr
1. Die Phase 2 des Projekts 2010Es geht dabei um eine kompetente Analyse der Struktur unserer Diözese und umsich daraus ergebende organisatorische und finanzielle Konsequenzen im Blickauf demographische und andere Trends in unserer Gesellschaft.Viele Diözesen im deutschen Sprachraum und in Österreich haben einen solchenStrukturprozess schon begonnen oder beginnen ihn nun. In unserer Diözesekönnen wir auf bereits Getanem weiter aufbauen. Es geht dabei nicht nur umfinanzielle und administrative Fragen z.B. bezogen aufVerwaltungsvereinfachungen, aber selbstverständlich auch darum.Nach einjährigen Beratungen ist nun eine Steuerungsgruppe eingesetzt worden.Ihr gehören vier Personen an, nämlich Univ.-Prof. Dr. Johann Trummer,Vorstandsvorsitzender im Medienhaus Styria Dr. Horst Pirker,Diözesanvisitator Dr. Herbert Thomann und Caritaspräsident Franz Küberl.Herr. Mag. Erich Hohl wird als Koordinator fungieren und dafür freigestellt.Der Steuerungsgruppe werden 4 Experten für publizistische, organisatorischeund andere Fragen beigegeben. Alle Ressortleiter im Bischöflichen Ordinariatwerden jedenfalls in ihrem Bereich mitarbeiten.Als verantwortungsvolle Haushalter haben Bischof und Generalvikar damithoffentlich zu Recht einen guten Weg in die Zukunft begonnen, der allebetroffenen Ressorts vor negativen Überraschungen und Überforderungen in dernäheren Zukunft bewahren soll.
2. Die Berufung eines Weihbischofs für unsere DiözeseBekanntlich habe ich den Heiligen Vater darum gebeten, einen Weihbischof fürunsere Diözese zu ernennen. Jede vergleichbare Diözese in Deutschland hateinen solchen Weihbischof, der nicht zugleich Generalvikar ist. Unserkünftiger Weihbischof soll das bischöfliche Charisma vor allem im Bereichvon Liturgie, bei der Weckung von Berufungen und Begleitung von Priestern,Diakonen und Ordenschristen und durch Übernehmen eines Teils derbischöflichen Visitationen einsetzen.Der von mir erbetene Bruder im bischöflichen Amt wird - dessen bin ichgewiss - uns allen eine Hilfe und ein Segen sein. Ich erbitte schon jetztunsere brüderliche Solidarität mit ihm. Wer es auch sein wird, er wirdgewiss "ein Hirte nach dem Herzen Gottes" sein.
3. Berufungspastoral und PriesterseminarHeuer sind sechs Steirer zu Diözesan- oder Ordenspriestern geweiht worden,ein siebenter wird noch im September die Priesterweihe empfangen.Sechs Kandidaten sind im vorigen Herbst in unser Priesterseminareingetreten. Heuer werden es voraussichtlich weniger sein, aber zwei habensich darüber hinaus schon für den voraussichtlichen Eintritt im nächstenHerbst gemeldet. Dankbar können wir sein für den Zuwachs an Priestern ausPolen, Korea und Indien, die heuer in den Seelsorgedienst unserer Diözeseeintreten. Der weltweite Austausch der Gaben in der Kirche bezieht sich mehrund mehr auch auf die Priester. Das ist in der Kirchengeschichte nicht neu.Am Ende der Sommerferien habe ich mit einigen Ordensgemeinschaften eineNovene um geistliche Berufungen gebetet. Das Gebet und unser gutes Beispielals Priester gehören zu den wichtigsten Hilfen zum Wecken, Begleiten undEntfalten der Berufungen zum Weihepriestertum und zum Ordensleben. Jeder vonuns sollte besonders darum beten, dass in seinem Wirkungsfeld auch solcheBerufungen herauswachsen. Die Fruchtbarkeit des Gebets vermehrt sich, wennes begleitet ist durch Fasten und ein großzügiges Teilen unserer materiellenGüter mit notleidenden Menschen.
4. Betreffend das Thema Sexualität hat das Bundesministerium für sozialeSicherheit und Generationen eine bereits viel kritisierte Broschüre zumGebrauch in Schulen herausgegeben. Beachten Sie bitte die Diskussion darüberund reden Sie im Verein mit den ersten Erziehungsberechtigten, den Eltern,kompetent mit. Sexualität als Gabe Gottes ist nicht auf einenFunktionalismus reduzierbar, sondern ist ein personales Geschehen. Einegediegene und verantwortungsvolle Sexualerziehung muss dies berücksichtigenund einen Weg zwischen den Extremen der Prüderie und der Schamlosigkeitzeigen. In unserer Gesellschaft, die das Schamgefühl nicht nur im Bereichder Sexualethik weitgehend verloren hat, kann auch der Religionsunterrichtgeduldig einen Weg zu einem kultivierten, spirituell verantworteten Umgangmit Sexualität zeigen.
Zum Thema Sexualität gehören auch die Dramen des sexuellen Missbrauches vonKindern und Jugendlichen durch kirchliche Verantwortliche. Ich will nachKräften dazu beitragen, dass wir eine ehrliche Kirche sind, die aus Fehlernim Umgang mit diesem Problem lernt und dem Schutz von Opfern klar den erstenRang einräumt, ohne die Täter aus ihrer Sorge herausfallen zu lassen.Anschuldigungen können auch falsch sein und haben sich manchmal als solcheherausgestellt. Bis zu einer Klärung darüber müssen aber allemal sicherndeMaßnahmen getroffen werden, die eine Wiederholungsgefahr möglichstausschalten.
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