Kirchlicher Ungehorsam mit Berufung auf das Gewissen?

18. November 2011 in Kommentar


Kirche, Papst und Gewissen im berühmten Trinkspruch des seligen John Henry Kardinal Newman. Ein KATH.NET-KLARTEXT von Bischof Andreas Laun


Salzburg (kath.net)
Gerne zitiert man heute auch im Zusammenhang mit den verschiedenen Protestbewegungen in der Kirche den Trinkspruch von J. H. Newman, der gesagt hat: „Wenn ich genötigt wäre, bei den Trinksprüchen nach dem Essen ein Hoch auf die Religion auszubringen (was freilich nicht ganz das Richtige zu sein scheint), dann würde ich trinken – freilich auf den Papst, jedoch zuerst auf das Gewissen und dann erst auf den Papst.“

Im Zusammenhang mit einer Proklamation des Ungehorsams gegenüber der Kirche ist der Satz allerdings höchst missverständlich, weil man meinen könnte, damit den Ungehorsam mit Berufung auf das Gewissen rechtfertigen zu können! Noch schärfer formuliert: Der Ungehorsam wäre dann eigentlich der wahre Gehorsam, der nur aus der Sichtweise der irrenden Kirche Ungehorsam zu sein scheint. So muss man dann im Namen des Gewissens Widerstand leisten!

Die Sache wird klarer, wenn man sich vor Augen hält: Für alle Ungläubigen gibt es keinen Papst, keinen heiligen Vater, keinen Nachfolger Christi, weil es keinen Christus, keinen Sohn Gottes auf Erden gibt, sondern nur einen Herrn Ratzinger, dessen Worte wie bei allein anderen Menschen nur soviel Autorität haben wie sie von guten, überzeugenden Argumenten getragen werden. Daher kann ein Ungläubiger der Kirche nicht „ungehorsam“ sein.

Im Unterschied zum Ungläubigen gründet für den Christen die Autorität des Papstes und überhaupt der Kirche auf dem Glauben. „Dieser Mann steht unter dem Schutz Gottes, er hat unter Umständen sogar Anteil an der Unfehlbarkeit Jesu Christi!“ Wenn das Gewissen das sozusagen „hört“, urteilt es sofort und sozusagen ohne mit sich reden zu lassen: „Gehorche, du kannst deinen Verstand unmöglich über die Weisung stellen, die von Gott kommt!“ So ist dann auch der Trinkspruch Newmans zu verstehen: Das Gewissen des Gläubigen spricht, der Mensch hört zuerst auf sein Gewissen und dann auf den Papst! Sein Gewissensgehorsam fällt zusammen mit seinem Gehorsam gegenüber der Kirche. Also erst das Gewissen, dann der Papst!

Mit anderen Worten: Wenn der Glaube eine Lehre des Papstes als wirklich von Gott kommend bestätigt, ist es Unsinn zu denken, man könne sein eigenes Gewissen dagegen und über das Wort der Kirche stellen!

Das Missverständnis besteht nach Newman darin: Wenn die Menschen heute von Gewissen reden, meinen sie nicht die Rechte Gottes. Sondern: Heute gehört es überall zum guten Ton, das Gewissen als eine „Schöpfung des Menschen zu betrachten“, als das „Recht, zu denken, zu sprechen, zu schreiben und zu handeln, wie es ihrem Urteil oder ihrer Laune passt, ohne dabei irgendwie an Gott zu denken.“ Die Kirche hingegen meint mit Gewissen aber die Stimme Gottes! Eine Einladung zum oder Legitimation des Ungehorsams wollte Newman nie und nimmer aussprechen!

Gibt es Situationen, in denen man dem Papst nicht gehorchen darf? Dass es solche Fälle geben kann, in denen man dem Papst nicht gehorchen darf, weiß Newman und beruft sich dafür auf höchste theologische Autoritäten(Newman, Polemische Schriften Brief an den Herzog von Norfolk, Das Gewissen. Main 1959, 158). Unter anderem zitiert er Kardinal Turrecremata mit dem Satz: „Obgleich aus dem Umstand, dass der Papst zuweilen irren und Dinge befehlen kann, die man nicht tun darf, klar folgt, dass wir ihm nicht schlechthin in allen Dingen gehorchen müssen, so beweist das doch nicht, dass ihm nicht alle gehorchen müssen, wenn seine Befehle gut sind.“ Und worin dürfte man nicht gehorchen? Turrecremata zählt auf: „Sollte der Papst irgend etwas gegen die heilige Schrift oder die Glaubensartikel, die Wahrheit der Sakramente, die Forderungen des Naturgesetzes oder der göttlichen Gebote befehlen, so dürfte man ihm nicht gehorchen…“

Vergleicht man mit diesen Beispielen die Forderungen der Pfarrerinitiative von Schüller, ist leicht zu sehen: Für diese kann man sich nicht auf das Gewissen berufen, weil keine der kirchlichen Positionen, die Schüller angreift, im Widerspruch zu göttlichen Gesetzen stehen.


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