Der Sonntag 'Laetare' und die 'Goldene Rose'

18. März 2012 in Spirituelles


Warum die Römer den vierten Sonntag der Fastenzeit noch heute 'Rosensonntag' (Domenica delle rose) nennen. Von Ulrich Nersinger


Rom (kath.net) Die volkstümliche Bezeichnung für den Laetare-Sonntag verweist nicht so sehr auf die besondere liturgische Farbe der Messgewänder, die an diesem Tag Verwendung findet, hin, sondern vielmehr auf ein Geschehen, das früher alljährlich an „Laetare“ vollzogen wurde: auf die Weihe der „Goldenen Rose“.

Die Weihe – seit dem XI. Jahrhundert erstmals schriftlich belegt – fand gemäß einer alten Tradition während des Stationsgottesdienstes in der römischen Basilika Santa Croce in Gerusalemme statt. Vom nahegelegenen Lateranpalast aus zog der Papst in feierlicher Reiterprozession zur Stationskirche.

In der linken Hand hielt er eine Rose, mit der rechten segnete er das Volk. In der Blüte der aus Gold gefertigten Rose waren Moschus und Balsam eingelegt. Während des Gottesdienstes, nach der Predigt, hob der Papst die Rose empor und zeigte sie dem anwesenden Volk.

War die heilige Messe beendet, ritt der Papst mit seinem Gefolge in den Lateran zurück; wiederum in der einen Hand die Rose, mit der anderen das Volk segnend. Die Zügel des päpstlichen Pferdes wurden bei diesem Anlass vom römischen Stadtpräfekten gehalten, der, bekleidet mit seiner feierlichen Amtstracht (ein Hosenbein rot, das andere golden – die Farben der Ewigen Stadt), neben dem Papst einher schritt.

Beim Lateran angekommen, stieg der Papst vom Pferd herab. Der Präfekt kniete nieder, küsste zunächst den Fuß des Papstes, dann dessen Hand. Der Heilige Vater überreichte dem Stadtpräfekten die Goldene Rose.

Sogleich folgte der feierliche Umzug des Beschenkten durch die Stadt, „sub aspectu populi“, wie es die Zeremonienbücher vermerkten. Bei diesem Umritt wurde der Präfekt nicht nur von seinem eigenen Gefolge begleitet, sondern auch vom Hofstaat des Papstes und den Palastkardinälen.

Seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts war es dann nicht mehr ausschließlich der „Praefectus Urbis“, der dieses Geschenk erhielt. Auch andere hochstehende, um die Kirche verdiente Würdenträger aus dem Laienstand kamen in den Genuss dieser Ehrengabe, später dann auch Städte und Wallfahrtsorte, vor allem Heiligtümer der Gottesmutter.

Als die Päpste aus Avignon nach Rom zurückkehrten, wurde die Zeremonie der Rosenweihe und -übergabe in die Apostolischen Paläste verlegt. Am Morgen des Laetare-Sonntags begab sich der Heilige Vater in den jeweiligen Paramentensaal, um die gottesdienstlichen Gewänder anzulegen.

Bevor der Pontifex mit dem Mantum, dem großen Papstmantel, bekleidet wurde, legte er Balsam und Moschus in die Rose. Es folgte die Besprengung mit Weihwasser und die Inzensierung mit Weihrauch. Der Papst bestieg dann seinen Tragsessel und wurde, die Rose in der Hand haltend, zur Palastkapelle gebracht. So behielt man die „gestio et praesentatio rosae“, das feierliche Tragen und Zuschaustellen der Rose, in verkürzter Form bei.

In der Kapelle angelangt, legte er den Mantel ab und empfing die Gewänder für die Feier der heiligen Messe. Nach dem Ende der Liturgie, an der Schwelle der Kapelle, folgte die Überreichung der „Goldenen Rose“. Später, als die Auszuzeichnenden der Feier aus den unterschiedlichsten Gründen nicht persönlich beiwohnen konnten, erhielten sie die „Goldene Rose“ durch eine vom Papst eigens bestimmte Gesandtschaft.

Welches war nun der Sinn und Zweck dieser feierlichen Zeremonie? Wann und warum kam es zu der Weihe einer solchen Blume? Über den Ursprung besitzen wir keine gesicherten Quellen.

Wenn auch Papst Honorius III. (1216-1227) in einer Predigt aus dem Jahre 1216 behauptete, der heilige Gregor der Große sei der Begründer dieses Brauches gewesen, so erfahren wir doch historisch belegt erst aus einer Bulle Papst Leos IX. (1049-1054) von der „Goldenen Rose“; der Papst hatte sie dem von seinen Eltern gegründeten Kloster Heiligenkreuz bei Woffenheim in Lothringen übersandt.

Rosen spielten jedoch schon früh in der stadtrömischen Liturgie eine Rolle. Diakone ließen sie am 5. August in der Basilika Santa Maria Maggiore in Erinnerung an den Schneefall, der zur Gründung des Gotteshauses geführt haben soll, vom Dachinneren der Basilika aus auf die versammelte Gemeinde herabfallen.

Am Sonntag der Oktav von Christi Himmelfahrt gab es eine vergleichbare Zeremonie im Pantheon, dem von Papst Bonifatius IV. (608-615) der „Heiligen Maria zu den Märtyrern“ geweihten Gotteshaus. Von der Kuppel aus wurden Rosenblätter herabgestreut. Die Gläubigen sammelten die Blätter auf und nahmen sie als Schutz gegen Unheil mit nach Hause.

Auch war es früher in Rom am Karsamstag üblich, dass die Kleriker bei der Prozession zur Taufkapelle und zurück Blumensträuße – unter anderem auch Rosen – in der Hand trugen.

Die Päpste selber geben uns eine reiche Deutung der „Goldenen Rose“, ihres Sinnes und Zweckes. Papst Eugen III. (1145-1153) sah in ihr ein „signum passionis et resurrectionis Jesu Christi, Domini nostri – Symbol für das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi, unseres Herrn“.

Derjenige, der sie vom Papst erhalte, sollte dadurch angeregt werden, das, was dem Leiden Christi noch fehle, an seinem Leib zu erfüllen (Kol 1, 25), damit er so durch Gottes tröstende Milde zur Ewigen Seligkeit gelangen könne.

In einem Schreiben an den König von Frankreich gab Papst Alexander III. (1159-1181) erstmals eine ausführlichere Katechese über die „Goldene Rose“: Er bezog den Vers des Hoheliedes 4, 9, „Ich bin eine Blume auf den Wiesen des Scharon“ und die Jesajastelle 11, 1 „Aus der Wurzel Isais wächst ein Reis hervor“ auf den Herrn und setzte die „Goldene Rose“ mit ihm gleich.

Ihr Gold bezeichne Christus den König, wie es sich auch in den Geschenken der drei Weisen aus dem Morgenland zeige; die rötliche Färbung des Edelmetalls stehe für das Leiden Christi. Der Duft der Rose aber verkünde die Herrlichkeit der Auferstehung.

Die Symbolik der „Goldenen Rose“ wurde in den Jahrzehnten nach dem Pontifikat Alexanders III. mehr und mehr ausgebaut. Das Zeremonienbuch, das den Ablauf der päpstlichen Liturgien regelte, schrieb für den Laetare-Sonntag sogar eine Predigt des Papstes „de flore et rubore rosae et odore – über die Blume, ihre Farbe und ihren Duft“ vor. Besonders aufschlussreich sind die uns überlieferten Rosenpredigten Innozenz’ III. (1198-1216) und Honorius’ III. (1216-1227).

In Anspielung auf die an diesem Tag genommenen Messtexte predigte Innozenz III. (1198-1216), dass der Laetare-Sonntag die Liebe nach dem Hass („Laetare Ierusalem et conventum facite omnes qui diligitis eam – Freue dich, Jerusalem! Und kommt alle zusammen, die ihr die Gottesstadt liebt“), die Freude nach der Trauer („Gaudete cum laetitia qui in tristitia fuistis – Von Herzen seid froh, die ihr in Traurigkeit wart“) und die Sättigung nach dem Hunger („Ut satiemini ab uberibus consolationis vestrae – Frohlocket und sättigt euch an der Tröstung, mit der sie euch mütterlich stillt“) darstelle.

Diese drei Aussagen würden auch durch die drei Eigenschaften der Rose symbolisiert: die Liebe durch die Farbe, die Freude durch den Duft, die Sättigung durch den Geschmack und den Anblick.

Papst Honorius III. bemerkte, die rote Farbe der Rose stehe für das Leiden und Martyrium des Herrn, das auch jeder Christ, wenn es von ihm gefordert werde, bereitwillig anzunehmen habe.

Der Duft erinnere an Jesus Christus, in dem jeder Gute lebt, und gleichfalls an die guten Werke eines jeden Christen. Die „virtus“ (Kraft) der Rose bestehe darin, dass sie in der Hitze Kühlung gebe und ein Heilmittel sei; so gäbe auch Christus den Menschen ein Refrigerium in den Gefahren des Lebens und in der Hitze der Leidenschaften.

Ebenso sei die Form der Rose Sinnbild Christi und jedes Gläubigen – eine Rose sei unten schmal und oben weit; so sei Christus auf Erden arm gewesen, erfüllte aber die ganze Welt mit seinem Reichtum – und auch jeder Christ von daher aufgerufen, das Irdische gering und das Himmlische hoch zu schätzen.

Beide Päpste wiesen darauf hin, dass die „Goldene Rose“ aus drei Bestandteilen zusammengesetzt sei: aus Gold, Balsam und Moschus. Das Gold symbolisiere die Gottheit Christi, Moschus, der aus Tierischem gewonnen wird, seinen menschlichen Leib, und durch den Balsam sei es beiden möglich, sich zu verbinden.

Honorius III. betonte, die Dreiheit der Rose sei aber nicht nur Sinnbild Christi, sondern auch der Dreifaltigkeit, in welcher der Vater die Macht (Gold), der Sohn die Weisheit (Moschus) und der Heilige Geist die Liebe (Balsam) seien. Aber Gott gebe auch jedem Christen diese Dreiheit: der Vater schenke die Gabe „zu können“, der Sohn „zu wissen“, der Geist „zu wollen“.

Zusammenfassend darf man in der Weihe der „Goldenen Rose“ – im Kontext zu den liturgischen Texten des Laetare-Sonntags – eine Erinnerung an die Wegführung des Gottesvolkes aus der babylonischen Gefangenschaft sehen und die freudige, von der Kirche bejubelte Hoffnung auf das himmlische Jerusalem erblicken. Derjenige, der die Blüte aus dem Stamm Jesse ist, symbolisiert in der „Goldenen Rose“ gleichsam dieses Heilsgeschehen.

In einem Apostolischen Breve vom 25. März 1684 an Königin Kasimira von Polen erläutert der selige Papst Innozenz XI. (1676-1689) die Bedeutung des Geschenkes: „Wir senden Dir die mit dem Apostolischen Segen versehene Goldene Rose, nicht eine, die eitel und welk in diesem Tale der Tränen geboren wird, sondern eine, die das Bild des nimmer endenden Glücks in sich trägt, das die Gerechten in der ewigen Seligkeit genießen“.


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