Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der SPD-Spitze

21. März 2012 in Deutschland


Gesprächsthemen: Verhältnis von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, kirchliches Arbeitsrecht, bioethische Fragen wie die gesetzliche Neuregelung der Organspende, der Einsatz gegen die Verfolgung von religiösen Minderheiten


Berlin (kath.net/DBK) Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz unter Leitung ihres Vorsitzenden Erzbischof Robert Zollitsch (siehe Foto) und die engere Parteiführung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands unter Leitung des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel sind am Montag, 19. März, zu einem zweistündigen Spitzengespräch im Willy-Brandt-Haus in Berlin zusammengetroffen.

Gesprächsthemen waren insbesondere Fragen des Verhältnisses von Staat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, insbesondere des kirchlichen Arbeitsrechts, bioethische Fragen wie die gesetzliche Neuregelung der Organspende sowie der Einsatz gegen die Verfolgung von religiösen Minderheiten und ausländerrechtliche Fragestellungen.

Beide Seiten betonten eingangs die Bedeutung einer weiteren Vertiefung des europäischen Einigungsprozesses und äußerten ihre Sorge über eine zunehmende soziale Spaltung in unserer Gesellschaft. Kardinal Rainer Maria Woelki wies darauf hin, dass eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung nötig sei, um Kindern und Jugendlichen in Deutschland unabhängig von Herkunft und Status ihrer Familien Teilhabe und Chancengleichheit zu ermöglichen.

Im Rahmen der Diskussion über verschiedene staatskirchenrechtliche Aspekte hob Erzbischof Robert Zollitsch hervor, dass „das gelebte kooperative Verhältnis zwischen Religionsgemeinschaften und dem Staat ein enormes friedensstiftendes und integrationsförderndes Potenzial in sich birgt“.

Mit Blick auf die aktuellen Überlegungen zum kirchlichen Arbeitsrecht waren sich beide Seiten einig, dass es weiterhin Diskussionsbedarf gibt, jedoch vieles auf gutem Wege ist. Vertreter der SPD zollten den Bischöfen Anerkennung für die Rolle der Mitarbeitervertretungen in den Einrichtungen der katholischen Kirche, beispielsweise zur Beschränkung des Missbrauches von Leiharbeit.

Die Sozialdemokraten stellten das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen nicht in Frage, betonten aber das Streikrecht als ein universelles Recht. Vertreter der Bischofskonferenz unterstrichen die hohe Tarifbindung von ca. 80 Prozent in den Einrichtungen der katholischen Kirche.

Im Kern gehe es, waren beide Seiten einig, um die Frage, was soziale Arbeit in unserer Gesellschaft in Zukunft wert sei. Die Kirche sei angesichts des Drucks vieler konkurrierender Anbieter gerade im sozialen Bereich in einem Dilemma. Es bestand Einigkeit, dass hier auch die Politik gefordert ist.

In der Diskussion über verschiedene bioethische Fragen zeigte sich Frank-Walter Steinmeier mit dem erreichten Kompromiss zur Änderung des Transplantationsgesetzes zufrieden. Weihbischof Anton Losinger bezeichnete Organspende als einen „Akt der Nächstenliebe“. Um eine verantwortliche freie Entscheidung treffen zu können, so Losinger, sei eine solide ergebnisoffene Information der Betroffenen erforderlich.

Sowohl die SPD-Spitze als auch die Bischöfe äußerten ihre Sorge über Entwicklungen in den Ländern des arabischen Frühlings, besonders im Hinblick auf die Verfolgung von religiösen Minderheiten. Sie betonten die fundamentale Bedeutung der Religionsfreiheit. Diese sei ein Menschenrecht, das uneingeschränkt für alle Religionen gelten müsse. „Der Kampf gegen Christenverfolgung ist ein Einsatz für alle verfolgten Minderheiten“, sagte Erzbischof Ludwig Schick.

In dem Gespräch über Fragen der Ausländer- und Flüchtlingspolitik sprachen sich sowohl Erzbischof Ludwig Schick für die Bischofskonferenz als auch Klaus Wowereit für die SPD für ein Bleiberecht für langjährig Geduldete aus. Der prekäre Status der Duldung sei nicht nur mit permanenter Unsicherheit über den Verbleib in Deutschland, sondern auch mit Nachteilen beim Zugang zum Arbeitsmarkt und zu sozialen Leistungen verbunden. Die SPD hatte schon mehrfach versucht, Kettenduldungen abzuschaffen, zuletzt wurde im Frühjahr 2011 ein Antrag im Bundestag abgelehnt.

Die DBK bezeichnete das Gespräch in ihrer Aussendung als offen und konstruktiv. Die Teilnehmer waren:

SPD-Spitze:
Sigmar Gabriel, MdB, SPD-Vorsitzender
Andrea Nahles, MdB, SPD-Generalsekretärin
Dr. Frank-Walter Steinmeier, MdB, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion
Klaus Wowereit, stellv. Parteivorsitzender, Regierender Bürgermeister Berlins
Olaf Scholz, stellv. Parteivorsitzender, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg
Aydan Özoguz, MdB, stellv. Parteivorsitzende, integrationspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion
Martin Schulz, MdEP, Präsident des Europäischen Parlamentes
Dr. Barbara Hendricks, MdB, SPD-Bundesschatzmeisterin
Ottmar Schreiner, MdB, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD
Kerstin Griese, MdB, Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion und Sprecherin des Arbeitskreises Christinnen und Christen in der SPD

Deutsche Bischofskonferenz:
Dr. Robert Zollitsch, Erzbischof von Freiburg, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz
Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz
Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Berlin
Dr. Werner Thissen, Erzbischof von Hamburg
Dr. Dr. Anton Losinger, Weihbischof in Augsburg
Dr. Friedhelm Hofmann, Bischof von Würzburg
Pater Dr. Hans Langendörfer SJ, Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz
Prälat Dr. Karl Jüsten, Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe

Foto: (c) kath.net/Lorleberg



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