10 Jahre deutsches Stammzellgesetz: Kritische Bilanz

27. April 2012 in Deutschland


Ehemalige Ministerin Däubler-Gmelin: Auch in Deutschland schlug Ruder durch Zulassung der Präimplantationsdiagnostik im vergangenen Jahr in falsche Richtung um


München (kath.net/KAP) Die frühere deutsche Justizministerin Herta Däubler-Gmelin hat zehn Jahre nach Verabschiedung des Gesetzes zur Stammzellforschung durch den Bundestag eine negative Bilanz gezogen. Sie sehe sich in ihrem Nein zu jedem Import embryonaler Stammzellen bestätigt, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag der "Süddeutschen Zeitung". Dagegen zog die CDU-Politikerin Maria Böhmer, die den Kompromiss eines Imports unter Auflagen wesentlich mitprägte, eine positive Bilanz.

Däubler-Gmelin betonte, durch die Zulassung der embryonalen Stammzellforschung sei die Forschung mit Stammzellen aus dem Körper bereits geborener Menschen, den sogenannten adulten Stammzellen, ausgebremst worden. Die adulte Stammzellforschung wäre heute sehr viel weiter, wenn nicht Gelder in die embryonale Stammzellforschung geflossen wären.

Nach Einschätzung der SPD-Politikerin hat es zwar in Deutschland nicht den gefürchteten Dammbruch bei der Embryonenforschung gegeben. Er finde aber im Ausland statt, wo "wir heute all das haben, was wir nicht wollen: Eizellspenden, Leihmütter". Auch in Deutschland aber sei das Ruder in die falsche Richtung umgeschlagen, etwa durch die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik im vergangenen Jahr.

Böhmer sagte dagegen, das Stammzellgesetz habe dem Lebensschutz gedient. Embryonale Stammzellforschung sei in begrenztem Maß notwendig gewesen, um die adulte Stammzellforschung voranzubringen. Jetzt sei die Forschung so weit fortgeschritten, dass embryonale Stammzellen nicht mehr nötig seien. Die CDU-Politikerin räumte ein, dass damals der Druck der Forschung auf die Politik enorm gewesen sei. "Manche Stammzellforscher gaben Heilsversprechen", sagte sie.

Am 25. April 2002 hatte der Bundestag nach langer, kontroverser Debatte das Stammzellgesetz beschlossen. Es sieht im Grundsatz ein Verbot der Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen vor, lässt aber in einem eng begrenzten Rahmen den Import von bereits vorher bestehenden Stammzelllinien zu. Damit sollte vermieden werden, dass von Deutschland aus eine Gewinnung von Stammzellen aus menschlichen Embryonen veranlasst wird. Einfuhr und Verwendung dürfen nur zu Forschungszwecken erfolgen, die hochrangig und voraussichtlich nicht auf anderem Wege zu erreichen sind. In diesem Februar hat das zuständige Berliner Robert-Koch-Institut die 70. Importgenehmigung an ein deutsches Forschungsinstitut erteilt.

Zunächst sah das Gesetz vor, dass nur Stammzellen eingeführt und verwendet werden durften, die vor Beginn des Jahres 2002 vorhanden waren. 2008 wurde dieser Stichtag dann auf den 1. Mai 2007 verlegt. Mit Stammzellen verbinden Forscher große Hoffnungen im Kampf gegen Krankheiten wie Diabetes, Parkinson oder Querschnittslähmungen. Denn aus solchen Zellen, die noch nicht auf bestimmte Funktionen festgelegt sind, lassen sich möglicherweise gesundes Gewebe und Organe züchten. Embryonale Stammzellen sind am wandlungsfähigsten. Ihre Verwendung ist aber ethisch stark umstritten, weil für ihre Gewinnung Embryonen zerstört werden.

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