Den Rauswurf wagen? Helmut Schüller hätte es verdient

18. Mai 2012 in Kommentar


Wie ein Pubertierender die Langmut seiner Eltern auf die Spitze treibt, tut es Helmut Schüller mit der seines Bischofs. Ein Gastkommentar von Helmut Müller


Koblenz (kath.net) Zunächst bin ich vor mir selber erschrocken als mir dieser Gedanke in den Sinn kam. Ich kenne Helmut Schüller nicht persönlich, auch wenn ich alle Buchstaben meines Namens, außer dem Anfangsbuchstaben seines Nachnamens, mit ihm gemeinsam habe.

Wie ein Pubertierender die Langmut seiner Eltern auf die Spitze treibt, tut es Helmut Schüller mit der seines Bischofs. Nichts ist neu von seinen Forderungen, worauf mich ein evangelischer Kollege aufmerksam machte, Martin Luther hätte das meiste schon vor 500 Jahren gefordert und verwirklicht. Gibt es deshalb blühende evangelische Landeskirchen? Evangelikale Kirchen, ja. Aber einen solchen Glauben will Helmut Schüller ja gerade nicht. Zielt er eine Ökumene der Austrittszahlen an?

Das Anheizen des Frusts in der katholischen Kirche ist ihm gelungen, die Austrittszahlen (auch ohne sein Zutun) nähern sich denen der evangelischen Kirchen und werden sie womöglich noch überholen, wenn das Tremolo der Presse, das seinen praktizierten Ungehorsam hinaus posaunt, weiter anhält.

Müsste es ihn nicht nachdenklich stimmen, dass es einen Protest wie den seinen in diesem Ausmaß nur in Nationalkirchen gibt, die vor bürgerlicher Sattheit fast auseinander bersten?

Das Christuszeugnis ab den 30er Jahren des ersten Jahrhunderts wird in unseren Breiten immer weniger in kirchlicher Tradition, sondern zunehmend in einer Fremdwahrnehmung dieses Zeugnisses mit hermeneutischen Knotenpunkten in der Tradition von 1789, 1830 und der neuesten Verdichtung 1968 verstanden. Das ist genauso als hielte man Schopenhauer und Popper für die besten Hegelinterpreten, obwohl sie nur Spott und Hohn für ihn übrig hatten. Aber in katholischen Hochschulgemeinden und Akademien ist es offenbar Stilelement geworden, sich in der Hermeneutik des schärfsten Gegners kongenial verstanden zu wissen. Die Tagespost scheint generell durch die TAZ ersetzt worden zu sein, die Christus einmal als Lattengustel u. v. a. m. geschmäht hatte. Das scheint mir das Milieu zu sein, in dem Schüller hofiert wird. Man schaue sich nur einmal die Zusammenstellung des Medienechos über Helmut Schüller in dem Internetforum Münsteraner Forum für Theologie und Kirche an und die anlaufende Berichterstattung über den Katholikentag in Mannheim wird wohl ähnlich verlaufen.

Sollte man also den Rauswurf wagen? Verdient hätte er ihn! Sein Ortsbischof und Rom haben Langmut bewiesen. Wenn sie es täten, könnte man ihnen nicht vorwerfen Kritiker schnell mundtot zu machen. Und ich weiß auch nicht, ob es ein Gebot der Klugheit ist, es nicht zu tun. Aber mit Helmut Schüller würde man viele unbescholtene Christen mit hinauswerfen, die auf ihn und das gewaltige Medienspektakel mehr hören als auf die Stimme des Bischofs oder die des Papstes. Paulus hat einmal ähnlich in der Frage des Essens von Götzenopferfleisch entschieden. Man solle glaubensschwachen Mitbrüdern und Mitschwestern kein Ärgernis geben und auf ihre Schwäche Rücksicht nehmen. Obwohl mir nicht wohl dabei ist, es gibt gute Gründe ihn nicht rauszuwerfen. Weltweit gesehen ist die Kirche sicherlich noch stark genug – eine Hand nicht abzuhacken, die die Hand, aus der sie frißt, permanent schlägt.

Dr. Helmut Müller ist Akademischer Oberrat am Institut für Katholische Theologie der Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz


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