Polizei nimmt engen Vertrauten des Papstes fest

26. Mai 2012 in Weltkirche


Im Zusammenhang mit dem Enthüllungsskandal "Vatileaks" hat die vatikanische Polizei den Kammerdiener von Papst Benedikt XVI. festgenommen. In Kreisen wurde der Mann "Päulchen" genannt. Von Paul Badde/ Die Welt.


Rom (www.kath.net/ Die Welt)
Das wird dem Papst sehr, sehr weh getan haben und weiter weh tun. Und nicht nur ihm. Paolo Gabriele war bisher – so heißt es – als frommer Mann im Vatikan bekannt. Vor allem aber war er ein Teil der so genannten päpstlichen Familie, des engsten Kreises um den "Santo Padre", wo er im Scherz auch Päulchen (Paoletto) hieß.

Er war der freundliche Kammerdiener und Majordomus seiner Heiligkeit mit besten Manieren, der oft vorne in dem offenen Mercedes des Papstes (mit dem Kennzeichen SCV 1) neben dem Fahrer und vor dem Privatsekretär Georg Gänswein saß.

Er war einer der wenigen Laien, die Zugang zum päpstlichen "appartamento" hatten. Der Vatikanbürger half dem Papst beim Aufstehen und Anziehen. Er folgte ihm bei Audienzen. Er servierte das Mittagessen und saß mit am Tisch. Am Abend bereitete er das Zimmer des Papstes zur Nachtruhe vor. Er begleitete ihn bei seinen Reisen und hatte Zugang zu allen Schlüsseln der privatesten Welt des Pontifex.

Engster Vertrauter des Papstes

Jetzt wurde er am Donnerstagnachmittag nach zuverlässigen Vatikanquellen wegen fortgesetzten Geheimnisverrats von der Gendarmerie des Vatikans festgenommen und wird seit Freitagmorgen von der Staatsanwaltschaft verhört.

Im Grunde soll er geständig sein. Dass es sich hier nur um einen rasch gesuchten und verhafteten Sündenbock handeln soll, wie von Teilen der italienischen Presse ventiliert wird, kann bei der Beweislage ausgeschlossen werden.

Bei seiner Festnahme war er im unerlaubten Besitz vertraulicher Akten, die ihm das Leugnen auch schwergemacht hätten. Denn es war nicht nur ein Papier in seiner Tasche, sondern es war eine ganze Reihe klassifizierter Dokumente, die sich in seiner durchsuchten Wohnung fanden und zu seinem Nachteil bestens in eine Reihe von rund 30 vertraulichen Schreiben vom Schreibtisch des Papstes einreihten, die seit letzter Woche in Facsimile ein Enthüllungsbuch des Journalisten Gianluigi Nuzzi zieren, das den sprechenden Titel hat: "SUA SANTITÀ – Le Carte Segrete di Benedetto XVI" (Seine Heiligkeit – Die geheimen Briefe Benedikt XVI.).

Gezielte Indiskretionen aus dem Vatikan

Es sei ein "Diebstahl"hatte es nach der Veröffentlichung aus dem Vatikan geheißen, für den die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Dieser Prozess hat nun offensichtlich wohl begonnen. Ob nach der Verhaftung "Päulchens" auch in Zukunft noch geheime Papiere des Papstes an die Öffentlichkeit gelangen, werden die nächsten Wochen zeigen.

Seit Anfang des Jahres hatten verschiedene gezielte Indiskretionen aus dem Vatikan jedenfalls ein Ausmaß angenommen, dass der Pressesprecher Pater Federico Lombardi SJ für diese undichte Stelle schon vor Monaten den Begriff "Vatileaks" geprägt hatte.

Paolo Gabriele ist wenig über 40 Jahre alt und wohnte mit seiner Frau und drei Kindern in der Via Porta Angelica gleich vor den Mauern des Vatikans, wo er auch festgenommen wurde. Sicherlich wird er nicht der einzige Verdächtige in dem ganzen Verratskomplex bleiben. Am Donnerstag war auch Dottore Ettore Gotti Tedeschi, dem Präsidenten der Vatikanbank, nach einem Misstrauensvotum des Aufsichtsrats überraschend nahe gelegt worden, seinen Hut zu nehmen. Er reichte noch am gleichen Abend seinen Rücktritt ein. Spekulationen über einen möglichen Zusammenhang mit dem Vatileaks-Skandal, beantwortete er vor der Nachrichtenagentur Ansa allerdings mit den Worten, gegen diese Vorwürfe wolle er sich "aus Liebe zum Papst" nicht verteidigen. Alle, die ihm in irgendeiner Weise aber einen Zusammenhang mit dem Geheimnisverrat nachsagen möchten, würde er unverzüglich gerichtlich verfolgen lassen.

Der schlimmste Verräter sitzt mit am Tisch

Keinen aber kann die Aufdeckung so erschüttern wie Benedikt XVI. und so geschieht es natürlich auch. Dabei wird ihm kaum helfen und wenig trösten, dass ihm als Theologen seit den Tagen seiner Erstkommunion vertraut ist, dass seit Judas der schlimmste Verräter meist mit am Tisch sitzt. Auf der anderen Seite aber kann ihn der peinliche Aufklärungsvorgang trotz des schweren und persönlichen Vertrauensbruchs nun auch mit einiger Genugtuung erfüllen. Die Verhaftung verspricht nicht nur ein Ende des Schreckens vor dem auf den Fluren des Päpstlichen Palastes gesäten Misstrauens. Sie ist auch eine relativ rasche Belohnung für seinen vor wenigen Wochen noch sehr belächelten Schritt, den Kriminalfall einer mit drei pensionierten Kardinälen besetzten Untersuchungskommission anzuvertrauen.

Es sind die ehrwürdigen Herren Julian Herranz (82), Josef Tomko (88) und Salvatore de Giorgi (82), deren Kombinationskünsten und Menschenverstand dieser spektakuläre Fahndungserfolg nun zugerechnet werden muss. Nun wartet allerdings die Lösung der kniffeligsten Frage auf sie. Es ist die uralte Kriminalistenkopfnuss: CUI BONO? "Wem hat das Ganze genutzt?"


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