Deutscher Pfarrer in Kairo: Viele blicken mit Skepsis auf Mursi

25. Juni 2012 in Aktuelles


Monsignore Joachim Schroedel: Die Muslimbrüder hingegen träten letzten Endes für einen islamischen Gottesstaat ein, dagegen hielten die Armeevertreter die Rechte einer freiheitlichen Gesellschaft hoch.


Kairo (kath.net/KNA) Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Ägypten ruft nach Ansicht des katholischen Theologen Joachim Schroedel bei Christen und liberalen Muslimen gemischte Gefühle hervor. Mit der Bekanntgabe des Wahlsieges von Mohammed Mursi «ist zunächst einmal ein größeres Blutbad vermieden worden», sagte der Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Anhänger des von den Muslimbrüdern gestützten Kandidaten seien im Falle einer Niederlage vermutlich kaum zu bändigen gewesen, so Schroedel. Deswegen überwiege derzeit bei vielen Ägyptern ein Gefühl der Erleichterung.

Zugleich betonte der Seelsorger, der seit 17 Jahren in dem nordafrikanischen Land lebt, dass Mursis Gegenkandidat Ahmed Schafik in der am vergangenen Wochenende abgehaltenen Stichwahl mit offiziell 48,3 Prozent der abgegebenen Stimmen nur knapp gescheitert sei. Die Hoffnungen vieler liberaler Kräfte richteten sich jetzt auf den Militärrat. Entgegen anderslautender Darstellungen hielten die Armeevertreter die Rechte einer freiheitlichen Gesellschaft hoch. Die Muslimbrüder hingegen träten letzten Endes für einen islamischen Gottesstaat ein.

Die Wahlkommission in Ägypten hatte am Sonntagnachmittag den Sieg Mursis bekanntgegeben. Er kam demnach auf einen Stimmenanteil von 51,7 Prozent. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung bei 51 Prozent. Laut Medienberichten feierten auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo Zehntausende Anhänger den neuen Präsidenten.

Seine Erwartungen an die nahe Zukunft umschrieb Schroedel mit den Worten: «Es bleibt spannend, aber hoffentlich wird es nicht blutig.» Im nächsten Jahr stünden erneut Parlamentswahlen an, außerdem gelte es, eine neue Verfassung auszuarbeiten. Dann würden die Karten möglicherweise neu gemischt. Trotzdem lebten aktuell vor allem viele Angehörige der christlichen Minderheit der Kopten in Angst. In den vergangenen Monaten seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak war es immer wieder zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Christen, Muslimen und Ordnungskräften gekommen.

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