Der 'spin doctor' ist da

25. Juni 2012 in Weltkirche


Greg Burke – der neu Dreh- und Angelpunkt der vatikanischen Kommunikationsstrategien. Die Skandale der Jahre und die Mängel in der Kommunikation. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Der bisherige Romkorrespondent der amerikanischen „Fox News“, Greg Burke (52), wurde dazu berufen, die neue und verantwortungsvolle Aufgabe des Beraters, Strategen oder „advisors“ für die Kommunikation des Heiligen Stuhls zu übernehmen (kath.net hat berichtet). Ziel dieser neuen Figur eines „spin doctor“ im Vatikan ist es vor allem, sich auf die Kommunikation im Arbeitsbereich des Staatssekretariats zu konzentrieren und die Beziehungen zum Presseamt und den anderen Kommunikationseinrichtungen des Heiligen Stuhls zu koordinieren. Aber nicht nur.

Man kommt nicht umhin zu sagen: endlich. Endlich wurde begriffen, dass bei sogenannten Skandalen die absolute Notwendigkeit besteht, zu „agieren“ und nicht nur zu „reagieren“. Es kann nicht sein, dass Einrichtungen wie der Heilige Stuhl und die Römische Kurie tatenlos und hilflos zusehen, wie Milch verschüttet wird, um dann – zum Schaden der Kirche – viel Zeit mit dem Wiederaufwischen zu verbringen.

Seit Jahren, eigentlich seit Beginn des Pontifikats Benedikts XVI. – abgesehen von einer relativ kurzen Zeit der Euphorie oder der Neugier –, stellte sich immer wieder die Frage: Warum interessieren sich die Medien wenig oder nicht für die wichtigen und interessanten Botschaften des Papstes, um sich dann auf eine „Krise“ nach der anderen zu stürzen, diese auszuweiden und ein Zerrbild zu produzieren?

Es fing mit der Regensburger Ansprache an die Welt der Universität (Glaube, Vernunft und Universität. Erinnerungen und Reflexionen) vom 12. September 2006 an, die – gezielt aus Italien gesteuert – dazu benutzt wurde, um einen Keil zwischen den Papst und die muslimische Welt zu treiben. Glücklich hatte Benedikt XVI. seine Reise in die bayerische Heimat beendet – hilflos stand der Vatikan ein paar Tage später vor immer höher schwappenden Wellen der Aggression, scheinbar ohne sich die Frage zu stellen: Wie kann es sein, dass eine muslimische Großmutter mit hasserfülltem Blick auf einem öffentlichen Platz in Islamabad ein Bild des Papstes verbrennt (von dem sie wahrscheinlich bis vor kurzem nicht wusste, wer das ist)? Welchen Fehler haben wir gemacht, welche „message“ konnten wir nicht „rüberbringen“?

Es ging weiter mit dem Skandal um den englischen Weihbischof der Priesterbruderschaft St. Pius X. und Holocaustleugner, Richard Williamson. Dieser stellte in der Tat einen schier unvorstellbaren Tiefpunkt dar, insofern verschiedenste Linien der Kommunikation nicht zusammentrafen, eine mangelnde Koordination verschiedener vatikanischer Ämter den Grundzusammenhang und die Gefahren nicht erkennen ließen, verbunden mit einer völligen Fehleinschätzung der Folgen einer Nachricht wie jener der Rücknahme der Exkommunikation der vier 1988 unrechtmäßig geweihten Bischöfe. Der Papst kam in die Schusslinie aller, keine Institution war in der Lage, ihn zu schützen, keiner in der Lage, die eigene Verantwortung zu erkennen und sie auch zu übernehmen. Der Mangel einer angemessenen Kommunikationsarbeit führte dazu, dass es Benedikt XVI. selbst war, der mit seinem Brief an die Bischöfe der Welt vom 10. März 2009 – nach zu langer Zeit und viel verschütteter Milch –, die Schwierigkeiten aus dem Weg räumte. Dennoch: bleibende Schäden waren die Folge.

Dann: wie könnte man den „annus horribilis“ 2010 vergessen? Im Januar jenes Jahres hob – nach Irland und angestoßen vom Jesuiten und damaligen Rektor des Berliner Canisius-Kollegs Klaus Mertes – der „deutsche Missbrauchsskandal“ an. Wieder ist es Benedikt XVI., der alleingelassen weltweit gleichsam zur einzigen Zielscheibe wird – ungeachtet der Tatsache, dass sich keiner wie er – bereits in seiner Funktion als Präfekt der Kongregation für die Glaubenslehre – für eine Lösung und Bewältigung des Phänomens der zu Wölfe gewordenen Hirten eingesetzt hat. Die medialen Angriffe erreichten in ihrer Heftigkeit ein bisher nicht gesehenes Ausmaß. Ein Establishment fand große Freude daran, den Papst und die Kirche in ihrer angeblich radikalen Schwäche darzustellen. Von Seiten des Vatikans: träge Hilflosigkeit, was den „Feinden“ natürlich nur zuträglich war. Wie der italienische Journalist und Schriftsteller Marcello Foa erklärt hatte: „Die Öffentlichkeitsarbeit des Vatikans hat nicht verstanden, dass die modernen Kriege mit nichtkonventionellen Waffen geführt werden, im Einzelfall auch mit Hilfe des richtigen ‚Drehs‘, eben englisch ‚spin’, das heißt der Technik der Manipulation durch die Medien. Geeignete Gegenmaßnahmen sind nicht ergriffen worden. So ist der Vatikan nicht nur jedem beliebigen Angriff ausgesetzt, sondern begünstigt und verschärft auch die von seinen Feinden geführten Offensiven“.

Und jetzt „Vatileaks“, der von außen undurchdringliche Skandal des Dokumentendiebstahls, selbst vom Schreibtisch des Papstes und seines Sekretärs, der neben dem Verrat und kriminellen (mit der Exkommunikation bestraften) Handeln einiger auch ein erneutes Kommunikationsdebakel darstellt. Wieder ist es Marcello Foa, der bereits vor Jahren erklärte:

„Mich wundert es, dass die Öffentlichkeitsarbeit des Vatikans diese kommunikativen Dynamiken nicht beizeiten durchschaut hat, zumal sie auch in anderen Bereichen, vor allem in der Politik, zur Anwendung kommen. Könnte der Papst auf Spezialisten der Kommunikation zurückgreifen, die in der Lage sind, eine defensive Strategie, einen defensiven ‚spin’ anzuwenden, wäre die Kirche heute nicht in so großen Schwierigkeiten. Der defensive ‚Dreh‘ ermöglicht es, Angriffe zu neutralisieren oder sie im Entstehen zu unterdrücken.

Solange keine angemessenen Maßnahmen ergriffen werden, bleibt die Kirche ein leichtes Ziel. Sie ist wie eine Stadt, die oft aus der Luft bombardiert wird, sich aber weigert, sich mit einer Luftabwehr, einer Luftwaffe und hoch empfindlichen Radargeräten auszustatten. Vielmehr begünstigt die Kirche manchmal ihre Feinde, indem sie unfreiwillig Fehler oder Unachtsamkeiten begeht, die leicht zu einer Zielscheibe für die Feinde werden. Meiner Meinung nach ist es notwendig, die Öffentlichkeitsarbeit auf mehreren Ebenen umzustrukturieren: auf institutioneller und strategischer Ebene sowie im defensiven Bereich. Am wichtigsten ist zunächst die strategische Ebene. Es geht nicht darum, die öffentliche Meinung zu manipulieren, sondern sich davor zu schützen, von anderen manipuliert zu werden“ (in: P. Roadri; A. Tornielli, Der Papst im Gegenwind, FE-Medienverlag, Kißleg 2011, S. 393).

Mit Greg Burke bietet sich nun die Gelegenheit, dass die vatikanische Information wirklich und in allen Gefechten im Dienst des Papstes und der Kirche steht, damit dem großen und langsamen Schiff (des Vatikans, der Kirche) im Ozean der Weltmedien neuer Schwung gegeben wird. Kommunikation muss vorbereitet werden und beschränkt sich nicht auf den Moment des Kommunizierens. Um kommunizieren zu können, ist es notwendig, den Informationsfluss beständig zu kontrollieren und die Kanäle mit allen Verzweigungen auszumachen, in denen er sich bewegt. Der „spin doctor“ wird viel zu tun haben, um den richtigen Dreh zu finden. Die Zukunft wird zeigen, was er schaffen kann.

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