Mutmaßlicher Organspende-Skandal soll 'schonungslos aufgeklärt' werden

23. Juli 2012 in Deutschland


Am Göttinger Universitätsklinikum soll ein Mediziner im großen Umfang Krankenakten gefälscht haben, um ausgewählten Patienten eine Spenderleber zu verschaffen.


Berlin (kath.net/KNA) Der mutmaßliche Organspende-Skandal am Göttinger Universitätsklinikum hat zu einer Debatte über die Struktur der Organspende in Deutschland geführt. Der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, Christian Albrecht, forderte eine «schonungslose Aufklärung» und nötigenfalls «massive Konsequenzen». Die Vorfälle drohten die mit der Reform des Transplantationsgesetzes angestrebte Steigerung der Spendenbereitschaft massiv zu beeinträchtigen.

Nach einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag) soll ein Mediziner am Universitätsklinikum im großen Umfang Krankenakten gefälscht haben, um ausgewählten Patienten eine Spenderleber zu verschaffen. Es soll sich um etwa 25 Fälle handeln. Demnach hatten Ermittlungen der Ständigen Kommission Organtransplantation ergeben, dass Protokolle gefälscht oder frei erfunden wurden und Laborwerte manipuliert wurden. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt.

Es sei nicht nur gesetzeswidrig sondern «respektlos und ethisch verwerflich», wenn Organe nicht nach Dringlichkeit vergeben würden, betonte Albrecht. Allerdings zeige der Vorfall auch, dass die Aufklärungsmechanismen offenbar funktionierten.

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte, die Verantwortlichen «sehr hart und abschreckend» zu bestrafen, sollten sich die Vorwürfe erhärten. Gegenüber den Zeitungen der WAZ-Gruppe (Samstag) sprach er aber von einem «krassen Einzelfall». «Hier haben weder die Ärztekammer noch die Göttinger Uniklinik versagt», so Lauterbach weiter.

Die Grünen forderten hingegen stärkere Kontrollen im Spendensystem. Die Pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Elisabeth Scharfenberg, machte «erhebliche Kontrolldefizite» für die Vorfälle verantwortlich. Diese hätten «auch strukturelle Ursachen», sagte Scharfenberg der Tageszeitung «Die Welt» (Samstag).

Die niedersächsische Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) forderte strukturelle Konsequenzen: «Wir brauchen in den Richtlinien der Bundesärztekammer für die Wartelistenführung und Organvermittlung noch intensivere Kontrollmechanismen, um zu verhindern, dass Einzelne mit krimineller Energie die Regelungen umgehen», sagte Özkan der Tageszeitung «Die Welt» (Samstag). Konkret verlangte Özkan, das Vier-Augen-Prinzip einzuführen. Durch die «Verpflichtung zur Hinzuziehung einer zweiten Person» könne man eine «größere Sicherheit vor unrichtigen Einträgen schaffen».

Nach Einschätzung des Geschäftsführers der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, zeigen die Vorfälle hingegen: «Die privaten Akteure im Transplantationssystem sind mit der Organentnahme und Organverteilung überfordert.» Er verlangte die Verantwortung für die Organentnahme und Organvergabe in staatliche Hand zu überführen. Ansonsten würden die Menschen in Deutschland dem System nicht vertrauen.

Weiterführende Links:
Dr. Armin Schwibach: Hirntod als endgültige Definition des Todes? Eine notwendige Anfrage
und:
Organspende. Hat ein Toter lebendige Organe? (Interview)

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