2. August 2012 in Spirituelles
Unser religiöses Leben darf sich nicht nur in der Kirche abspielen, sondern muß unser Leben erfassen. Probieren Sie es doch auch! - Ein Kommentar zum Sonntagsevangelium von P. Bernhard Sirch
Illschwang (kath.net) B - 18. Sonntag im Jahreskreis, Erste Lesung: Ex 16, 2-4.12-15 - 2. Lesung: Eph 4,17.20-24 - Evangelium: Joh 6, 24-35
Einleitung: Wir wenden viel Zeit auf, damit wir äußerlich gut aussehen. Was tun wir, damit wir innerlich, vor Gott, vor der Ewigkeit, bestehen können? Der hl. Paulus mahnt uns heute in der Lesung: "Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4,23.24). Der tiefste Grund unseres Menschseins ist der ewige Gott: wir sind Ebenbild Gottes. Für unser Gottesbild, unser Verhältnis zu Gott ist diese Erkenntnis ganz entscheidend: Gott der Vater hat mich gewollt, ich bin sein Ebenbild. Wenn dieses Bild Gottes aus unserem Inneren ausstrahlt, wird auch unser äußeres Aussehen sich ändern. - Wir wollen uns am Beginn dieser hl. Messe besinnen und uns fragen: inwieweit dieses Bild Gottes aus uns strahlt.
Predigt: Ich darf Ihnen zuerst einen Traum erzählen, der nicht selten geträumt wird. Man ist mit schwerem Gepäck unterwegs und geht auf den Bahnhof; man weiß, der Zug fährt 9.05 Uhr ab und hat nur noch ein paar Minuten Zeit. Man ist aber noch weit vom Bahnhof weg und hat schweres Gepäck. Der Koffer wird wahnsinnig schwer, der Zug fährt schon ein und gerade, wie man also schon mit butterweichen Knien am Bahnsteig oben ankommt, da fährt der Zug ab.
Man sollte Träume nicht einfach als belanglos abtun. Besonders im Alten Testament wird immer wieder von Traumdeutern berichtet. Der eben erzählte Traum ist leicht zu deuten: Das schwere Gepäck bedeutet das schwere Lebensgepäck, das man sich aufgeladen hat; es sind Fehler, die man ablegen müsste, um in den Zug des Lebens zu gelangen, der einen weiterbringt, soll nicht das eigene Leben sinnlos enden und sich selber jeglicher Chance zu berauben.
Es ist ratsam, von Zeit zu Zeit aufzuräumen, sich zu trennen von altem Zeug, das man schon jahrelang aufhebt, das man aber schon jahrelang nicht mehr benützt hat und die Wahrscheinlichkeit steht 1:1000, dass man es wieder braucht. Dieses sich Trennen-Können wirkt sinnbildlich zurück. Man fühlt sich danach wieder pudelwohl. Probieren Sie es, einfach ihr Zimmer einmal aufzuräumen und alles andere zurückzustellen. Wenn sie ihre Wohnung, ihr Zimmer in Ordnung haben, gehen sie auch lieber dorthin, sie fühlen sich psychisch wohler. Das schwere Lebensgepäck ist nicht so einfach abzulegen; man muss es zuvor an ganz banalen Dingen, im Kleinen, üben.
Damit sind wir beim Thema der heutigen zweiten Lesung: "Legt den alten Menschen ab, der in Verblendung und Begierde zugrunde geht, ändert euer früheres Leben." (Eph 4,22). Der oben erwähnten Traum drückt es so aus: Das schwere Gepäck bedeutet das schwere Lebensgepäck, das man sich aufgeladen hat; es sind die Fehler, die Begierden, die man ablegen müsste, um in den Zug des Lebens zu gelangen, der einen weiterbringt, soll nicht unser Leben zugrunde gehen. Die Kirche wusste besonders in früheren Zeiten von diesen physisch-psychischen Zusammenhängen. So betet der Mönch beim Ablegen der Kleider (und auch der Bischof beim Ablegen der Cappa):
"Exue me, Domine, veterem hominem cum moribus et actibus suis".
"Herr, ziehe die Schlechtigkeit des alten Menschen von mir aus".
Dies kann jeder Mensch beim Ablegen der Kleider beten und dabei bereits eine Gewissenserforschung über den vergangenen Tag machen.
Gleichzeitig fügt der Bischof hinzu:
"et indue me novum hominem, qui secundum Deum creatus est
in justitia, et sanctitate veritatis".
"Ziehe mir den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist
in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit".
Dieser Text geht ebenfalls auf die heutige Lesung zurück: "Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4,23.24). Diesen Vers betet der Mönch beim Bekleiden mit dem Ordensgewand. Diesen Vers kann jeder Christ beten, wenn er sich anzieht. Freuen Sie sich, dass Sie sich wieder anziehen dürfen und zum Lobe Gottes wirken dürfen. Unser religiöses Leben darf sich nicht nur in der Kirche abspielen, sondern muß unser Leben erfassen. Probieren Sie es doch auch und Sie werden sehen, dass Ihr Leben eine neue Tiefe gewinnt, eine lebendige Beziehung zu Gott. So erfahren Sie, wozu uns der hl. Paulus in der heutigen Lesung auffordert: "Erneuert euren Geist und Sinn!" (Eph 4,23).
Ich möchte vor allem die Priester ermuntern, dass sie die liturgische Gewandung nicht einfach sich überstülpen, sondern sich bewußt werden, dass bereits das Bekleiden mit den liturgischen Gewändern eine liturgische Handlung ist. Dies soll in Ruhe geschehen. Jede Hektik soll vermieden werden. Wenn sich Mönche zum Chorgebet aufstellen, dann stülpt der Mönche seine Kapuze über den Kopf als Zeichen dafür, dass er nicht angesprochen werden will und sich sammeln will für die Begegnung mit Gott. Sein Herz soll ruhig werden, die Hektik um die vergänglichen Dinge soll abgelegt werden im Blick auf unser Leben mit Gott, das wir erwarten. Für Gläubig und Priester gilt: Wer gerade noch rechtzeitig zum Gottesdienst kommt, kommt 10 Minuten zu spät. Das heutige Gabengebet weist auf das Opfer: das Opfer des Lobes und unseres Lebens hin, das wir darbringen, so dass wir ganz Gott gehören: "Barmherziger Gott, heilige diese Gaben. Nimm das Opfer an, das dir im Heiligen Geist dargebracht wird, und mache uns selbst zu einer Gabe, die für immer dir gehört".
Wenn sich der Priester Zeit hat, in Ruhe die liturgischen Gewänder anzuziehen, kann er dabei folgende Gebete sprechen, wobei, wenn die Ministranten eine Albe tragen, ebenfalls das folgende Gebet sprechen können:
1) Albe:
Dealba me, Domine, et munda cor meum,
ut in sanguine Agni dealbatus,
gaudiis perfruar sempiternis.
Bekleide mich, Herr, mit weißem Gewand und reinige mein Herz,
auf daß ich, im Blut des Lammes weiß geworden,
die ewigen Freuden genießen darf.
2) Stola:
Redde mihi, Domine, stolam immortalitatis,
quam perdidi in praevicatione primi parentis:
et quamvis indignus accedo ad tuum sacrum mysterium,
merear tamen gaudium sempiternum.
Gib mir, Herr, die Stola der Unsterblichkeit wieder,
die ich verloren habe durch des Stammvaters Sünde
und mag ich auch als unwürdiger hintreten zu deinem heiligen Sakrament,
so möge ich doch das Himmelsglück erlangen.
3) Meßgewand:
Domine, qui dixisti: jugum meum suave est,
et onus meum leve:
fac, ut istud portare sic valeam,
quod consequar tuam gratiam.
Herr, du hast gesagt: Mein Joch ist mild
und meine Last ist leicht;
gib, daß ich sie so zu tragen vermöge,
daß ich deine Gnade erlange.
Jeder Christ kann seine Kleidung segnen und am Morgen und Abend die oben angegebenen beiden Gebete sprechen. Es soll der ganze Mensch mit Leib und Seele hinein genommen werden in das Heilige, so dass er geheiligt ist.
Ein Mensch, der wirklich den Weg der Vollkommenheit antreten will, muss mit Leib und Seele dabei sein. Gerade die Hilfsmittel der alten Mönchsväter betreffen den ganzen Menschen. Bereits in der Frühe soll der Mensch sein Denken auf Gott ausrichten. Erst wenn der Mensch versucht, alle Hilfsmittel des geistlichen Strebens zu benützen, wird er ans Ziel gelangen.
"Zieht den neuen Menschen an" (Eph 4,24). Ein Sprichwort sagt: Kleider machen Leute. Man zieht sich nicht nur einmal an und ist dann für immer angezogen, sondern täglich neu. Für einen geistlichen Menschen ist es eine täglich neue Aufgabe, den neuen Menschen anzuziehen, "der nach dem Bild Gottes geschaffen ist" (Eph 4,24). So lesen wir im ersten Kapitel der heiligen Schrift: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn" (Gn 1,27; siehe Predigt zum Hochfest: Heiligstes Herz Jesu; 17.Juni 2012). Das ist die tiefste Würde des Menschen, jedes Menschen. Aufgabe jedes einzelnen Menschen ist es, dieses Urbild Gottes wieder frei zu legen. Dieses Urbild ist bei jedem Menschen vorhanden, mag es auch noch so verschüttet sein. So bekennen wir im Tagesgebet: "Du bist unser Schöpfer und der Lenker unseres Lebens". Die Würde des Menschen ist: er ist "nach dem Bild Gottes geschaffen in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit" (Eph 4,24); dies muß im christlichen Leben aufleuchten. In Christus ist dieses Urbild, das in jedem Menschen aufgeleuchten soll. Wir sind Christen und deswegen soll Christus in uns aufleuchten. Gerade beim gemeinsamen Gottesdienst können wir uns auf diese unsere Aufgabe in der Welt einstimmen und bestärken lassen.
Ein ungewöhnliches Bild mit der richtigen Aussage: Ein Priester repräsentiert Christus
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