Dialogprozess, Kirchenreformen und die Logik des Kreuzes

16. August 2012 in Interview


Der neue Augsburger Weihbischof Florian Wörner im KATH.NET-Interview: „Was menschlich betrachtet auf den ersten Blick plausibel erscheint, muss von Gott her betrachtet noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss sein.“ Von Petra Lorleberg


Augsburg (kath.net/pl) Es wäre „wenig hilfreich, würde man das Wohl und Wehe der Kirche in erster Linie von Strukturreformen oder gar von Lockerungen moralischer Prinzipien abhängig machen.“ Dies sagt Florian Wörner (Foto), der neue Augsburger Weihbischof, im kath.net-Interview. „Reformen haben wir dringend nötig, und zwar im Sinne einer inneren Erneuerung nach den Maßstäben des Evangeliums. Was das anbelangt, waren und sind die Heiligen große Reformer, die Bewegung hineinbringen in die Kirche. An ihnen sollten wir uns orientieren.“


kath.net: Exzellenz, was waren für Sie die inneren Höhepunkte Ihrer Bischofsweihe?

Weihbischof Florian Wörner: Die Liturgie insgesamt war für mich und viele, die mitfeierten und mir das zurückmeldeten, sehr ergreifend. Die Handauflegung und das Gebet des Bischofs waren natürlich entscheidende Momente.

Darüber hinaus hat mich das aufgeschlagene Evangeliar über meinem Kopf sehr bewegt. Gottes Wort behütet und umfängt meinen neuen Dienst als Weihbischof. Und andererseits gilt es, mich und mein Wirken ganz unter das Wort Gottes zu stellen und mich täglich hinzugeben an die Verkündigung des Evangeliums.

kath.net: Was verbinden Sie mit Ihrem Bischofsspruch?

Wörner: „Wir verkündigen Christus als den Gekreuzigten …Christus, Gottes Kraft und Gottes Weisheit“, so steht es an der Decke der Kirche St. Fridolin in Ustersbach geschrieben, in der ich in den letzten Jahren nebenamtlich tätig war. Dieser Vers ist ein Teil der Lesung, die am Fridolinstag verkündigt wird (1Kor 1,18-25).

Mich haben diese Worte immer sehr angesprochen. Mit dem Kreuz Christi wird alles auf den Kopf gestellt. In der Ohnmacht von Golgotha richtet Gott mit Kraft seine neue Herrschaft auf, die Herrschaft der Liebe, der Gerechtigkeit und des Friedens. Und seine Weisheit ist nicht von dieser Welt.

Was menschlich betrachtet auf den ersten Blick plausibel erscheint, muss von Gott her betrachtet noch lange nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Im Gegenteil: Das Evangelium verlangt von uns in vielen Bereichen ein Umdenken, ein Denken von Gott her. Und nur so können wir Salz der Erde sein und Licht ins Dunkel bringen.

kath.net: Sie übernehmen jetzt noch mehr Verantwortung in einer Kirche, die hierzulande nicht unbedingt als „blühend“ zu bezeichnen ist. Die öffentlichen Medien – und in deren Gefolge auch so mancher Kirchenmann und so manche Kirchenfrau – vertreten gern die Einschätzung, dass die Grundprobleme der katholischen Kirche in Deutschland aktuell im Reformstau lägen. Weniger Strenge in moralischen Fragen, mehr Demokratie statt Hierarchie, dann wären die Kirchen wieder voller. Teilen Sie diese Einschätzung?

Wörner: Reformen haben wir dringend nötig, und zwar im Sinne einer inneren Erneuerung nach den Maßstäben des Evangeliums.

Was das anbelangt, waren und sind die Heiligen große Reformer, die Bewegung hineinbringen in die Kirche. An ihnen sollten wir uns orientieren.

Es wäre meines Erachtens zu kurz gegriffen und wenig hilfreich, würde man das Wohl und Wehe der Kirche in erster Linie von Strukturreformen oder gar von Lockerungen moralischer Prinzipien abhängig machen. Der Blick in die Geschichte der Kirche lehrt uns etwas anderes.

kath.net: Das Bistum Augsburg baut derzeit ein „Institut für Neuevangelisierung und Gemeindepastoral“ auf, Sie sind dort weiterhin als Leiter vorgesehen. Um was geht es da?

Wörner: Mit dem „Institut für Neuevangelisierung und Gemeindepastoral“ wollen wir dem Auftrag Papst Benedikts XVI. nachkommen, „allen, die an Christus glauben, zu helfen, ihre Zustimmung zum Evangelium bewusster und stärker werden zu lassen, vor allem in einem Moment tiefgreifender Veränderungen, wie ihn die Menschheit gerade erlebt“. (Motu Proprio „Porta Fidei“ vom 11. Oktober 2011, Nr. 8).

Wir haben vor, Maßnahmen zur Neuevangelisierung zu entwickeln und zu koordinieren unter Weiterführung der Aufgabenfelder der beiden bisherigen Abteilungen „Pastoralseminar für ehrenamtliche Laiendienste“ und „Gemeindekatechese/Gemeindepastoral“, die in diesem Bereich schon viel aufgebaut und unternommen haben: Glaubenskurse, Glaubenstage, sog. Gemeinde- bzw. Stadtmission, Einkehrtage, die Schulung von ehrenamtlichen und hauptberuflichen pastoralen Mitarbeitern in diesen Bereichen und die Erstellung und Bereitstellung entsprechender Materialien. Darüber hinaus hat das Institut die Aufgabe, die Pfarreien und Pfarreiengemeinschaften bei der Gewinnung, Qualifizierung und Begleitung von Ehrenamtlichen im Bereich Liturgie, Diakonie, Verkündigung und Gremienarbeit zu unterstützen und die fruchtbare Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen zu fördern.

kath.net: Sie arbeiten schon seit Jahren in verschiedenen Bereichen der Jugendpastoral. Ist die Kirche jung, wie Papst Benedikt sagt? Auch in der Diözese Augsburg? Teilen Sie die Beobachtungen, dass die jüngeren Generationen wieder mehr nach einem dezidiert katholischem Profil suchen?

Wörner: Ich war und bin sehr gerne in der Jugendpastoral tätig und immer wieder erstaunt, was trotz aller Probleme, die ich nicht verdrängen möchte, Großartiges möglich ist.

Ich sehe die hohe Zahl von Ministranten und Ministrantinnen, die in unseren Pfarreien ihren Dienst tun, die verbandlich organisierten Jugendlichen und ihr großes Engagement, den Einsatz derer, die regelmäßig Gruppenstunden halten, Zeltlager, Fahrten und Wochenenden organisieren, den wertvollen Beitrag, den die neueren Jugendbewegungen einbringen, und die großen Treffen der Weltjugendtage.

Es ist viel da, und es gibt viel zu tun.

Liebe zum Glauben und zur Kirche muss vorgelebt und thematisiert werden.

Da haben wir Erwachsene eine wichtige Aufgabe. „Die Kirche ist jung“ auch in dem Sinn und in dem Maß, dass wir in Sachen Jugendpastoral alle gefordert sind; jeder an seinem Platz.

kath.net: „Den Glauben neu kommunizieren, „Ihre Meinung einbringen“, „Zuhören“, das haben Sie als Schwerpunkte Ihres künftigen Bischöflichen Dienstes formuliert. Das sind ja Möglichkeiten, sich auch in den Dialogprozess einzubringen. Wie erleben Sie diesen Prozess in Ihrer Diözese?

Wörner: Wir haben wie viele andere Diözesen in Deutschland große Herausforderungen und Umbrüche in der Pastoral zu bewältigen. Das geht nicht immer spannungsfrei und bringt Reibungsflächen mit sich.

Wichtig scheint mir, dass wir bei allem Ringen um den richtigen Weg den Dialog mit Gott führen.

Das gemeinsame Hinhören auf das, was er will, und die Auseinandersetzung damit, das ist Dialog im christlich verstandenen Sinn und damit mehr als bloßes Debattieren und Diskutieren.

Ich glaube, dass wir da in unserem Bistum mittlerweile auf einem guten Weg sind, wenngleich wir noch viel vor uns haben.

kathTube-Foto: Florian Wörner direkt nach seiner Bischofsweihe:


Foto Weihbischof Florian Wörner (oben): © Bistum Augsburg


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