Der Katechismus – sichere Norm für die Lehre des Glaubens

15. Oktober 2012 in Aktuelles


Mauro Kardinal Piacenza zur Bedeutung des Katechismus der Katholischen Kirche in Bezug auf das II. Vatikanische Konzil, seine Rezeption und die Verbindung zur Aufgabe der Neuevangelisierung


Rom (kath.net/as) Jahr des Glaubens: nicht nur dem II. Vatikanischen Konzil mit seinen Texten soll nach dem Willen Papst Benedikts XVI. besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden, sondern vor allem auch dem am 11. Oktober 1992 veröffentlichten „Katechismus der Katholischen Kirche“ als Grundstein einer Neuevangelisierung. Zu jenem Anlass hatte Papst Johannes Paul II. erklärt:

„Als vollständige und umfassende Darstellung der katholischen Wahrheit, der »doctrina tam de fide quam de moribus«, die immer und für alle gültig ist, ermöglicht es der Katechismus durch seine wesentlichen und grundlegenden Inhalte, all das, was die Kirche glaubt, feiert, lebt und betet, auf positive und sachliche Art und Weise zu erkennen und zu vertiefen.

Durch die unverfälschte und systematische Darlegung der katholischen Lehre führt der Katechismus, trotz seines zusammenfassenden Charakters (»non omnia sed totum«), jeden der Inhalte der Katechese zu seinem vitalen Mittelpunkt zurück, nämlich zu Christus, dem Herrn. Der breite Raum, der darin der Bibel, der westlichen und östlichen Kirchentradition, den heiligen Vätern, dem Lehramt und der Hagiographie gegeben wird; die gesicherte Zentralität des reichen Gehalts des christlichen Glaubens; die enge Verbindung der vier Teile, aus denen das Textgerüst besteht und die das enge Verhältnis zwischen »lex credendi, lex celebrandi, lex agendi, lex operandi« herausstellen: Das sind nur einige der Vorzüge dieses Werks, das uns aufs neue ermöglicht, über die Schönheit und den Reichtum der Botschaft Christi zu staunen“.

Im Mai 2012 fand in Rom anlässlich des Jubiläums der Veröffentlichung des Katechismus ein Kongress statt. Hauptredner war der Präfekt der Kongregation für den Klerus, Mauro Kardinal Piacenza, der sich in seiner „lectio magistralis“ mit dem Thema „Zwanzig Jahre Katechismus der Katholischen Kirche zugunsten einer Neuevangelisierung“ auseinandersetzte. Dabei ging der Kardinal auf die zwischen dem Katechismus der Katholischen Kirche und dem Zweiten Vatikanischen Konzil bestehende Beziehung, einige Perspektiven in Bezug auf die Rezeption des Katechismus und auf die enge Verbindung ein, die zwischen dem Katechismus und der Neuevangelisierung besteht.


Kath.net veröffentlicht die "lectio magistralis" des Präfekten der Kongregation für den Klerus, Mauro Kardinal Piacenza, zum Thema: „Zwanzig Jahre Katechismus der Katholischen Kirche zugunsten einer Neuevangelisierung“:

Hochwürdigste Mitbrüder im Bischofsamt,
geschätzter Herr Rektor,
verehrte Herren,
liebe Freunde,

es freut mich, mit diesem Vortrag zu einem Kongress beitragen zu dürfen, der in gewisser Weise das Jahr des Glaubens vorwegnimmt und uns Gelegenheit bietet, die Beweggründe zu vertiefen, die hinter einem der beiden Anlässe stehen, die zu dieser Feier des Glaubens geführt haben: Ich beziehe mich auf das zwanzigste Jahr der Veröffentlichung des Katechismus der Katholischen Kirche – ein Anlass, der aber in Wirklichkeit nicht von seinem Pendant, dem fünfzigsten Jahrestag der Einberufung des Zweiten Ökumenischen Vatikanischen Konzils, getrennt werden kann.

In meinem Beitrag werde ich auf drei Aspekte eingehen, die mir in Bezug auf das Thema, das mir zugewiesen wurde, wesentlich erscheinen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang: Die zwischen dem Katechismus der Katholischen Kirche und dem Zweiten Vatikanischen Konzil bestehende Beziehung, einige Perspektiven in Bezug auf die Rezeption des Katechismus und schließlich die enge Verbindung, die zwischen dem Katechismus und der Neuevangelisierung besteht.

Bevor ich die Thematik zu entfalten beginne, möchte ich vorausschicken, dass ich mir sehr wohl dessen bewusst bin, dass ein Dokument, ganz gleich welcher Art, nicht ausreicht, um radikale Veränderungen und Reformen im Sinne des Evangeliums herbeizuführen.

Schriftliche Dokumente spielen eine wesentliche Rolle und sind auf jedem echten Weg der Bekehrung – und somit auch der Reform – eine Hilfe, indem sie nämlich Argumente hierfür aufzeigen und wertvolle Hinweise geben, doch die Antriebsquelle für eine persönliche und kirchliche Erneuerung ist sicherlich immer, allein und vor allem die Heiligkeit! – Sowohl die objektive Heiligkeit der Kirche, insofern als sie der mystische Leib Christi ist, als auch die persönliche Heiligkeit von jedem einzelnen ihrer Mitglieder.

Wenn dem nicht so wäre, würde auch die schon seit einem Jahrzehnt andauernde Rede von der Neuevangelisierung – offiziell wird der Begriff seit dem Dokument Novo Millennio ineunte verwendet – Gefahr laufen, sich als Slogan zu entpuppen, den man propagandistisch immer wieder aufgreift, ohne dass jedoch eine echte Verbindung zur Wirklichkeit, zu den konkreten kulturellen, doktrinären und pastoralen Gegebenheiten, die in den christlichen Gemeinschaften und Teilkirchen herrschen, besteht.

1. Der Katechismus der Katholischen Kirche und das Zweite Vatikanischen Konzil

Ein grundlegender Aspekt, den man stets berücksichtigen muss, wenn man über den Katechismus der Katholischen Kirche spricht, ist dessen Verbindung mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Der Katechismus hat seine Grundlage im Konzil, vom Konzil her wächst und entfaltet er sich und schließlich ist er auch eine reife Frucht desselben.

Jede andersartige Sichtweise wäre verkürzend und könnte nicht erklären, warum die Kirche sich so viel Mühe gegeben hat, eine „Summe des Glaubens“ zu erarbeiten, die einen solch grundsätzlichen und universalen Charakter besitzt, wie es beim Katechismus der Fall ist!

Der selige Johannes Paul II. schrieb in der am 11. Oktober 1992 unterzeichneten Apostolischen Konstitution Fidei depositum: »Das Konzil hat nach seinem Abschluss nicht aufgehört, das Leben der Kirche anzuregen. […] In diesem Geist habe ich am 25. Januar 1985 eine außerordentliche Versammlung der Bischofssynode aus Anlass des 20. Jahrestages des Konzilsabschlusses einberufen. Ziel dieser Versammlung war es, die Gnaden und geistlichen Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils zu würdigen und seine Lehre zu vertiefen, um es noch besser zu befolgen sowie seine Kenntnis und Anwendung weiter zu fördern. Bei dieser Gelegenheit haben die Synodenväter festgestellt: ,,Sehr einmütig wird ein Katechismus bzw. ein Kompendium der ganzen katholischen Glaubens- und Sittenlehre gewünscht […].“ [D]ieser Katechismus [wird] einen sehr wichtigen Beitrag zum Werk der Erneuerung des gesamten kirchlichen Lebens leisten, wie es vom Zweiten Vatikanischen Konzil gewollt und eingeleitet wurde.«

Ausdrückliche Verweise auf das Zweite Vatikanische Konzil findet man auch im promulgierten Text selbst, und zwar in seiner ersten Ausgabe in französischer Sprache (1992) sowie in jener der Editio Typica latina (1997), – so als ob dadurch an den tiefen Impuls der Erneuerung erinnert werden solle, der vom Konzil auf die ganze Kirche ausgegangen ist.

Vom theologischen Standpunkt aus betrachtet ist zu bedenken, dass die Auferstehung eine neue Dimension des Lebens und der Wirklichkeit erschlossen hat, von der aus eine neue Welt ersteht, die ständig in unsere Welt hineinreicht, sie verwandelt und an sich zieht. All das geschieht ganz konkret im Leben und Zeugnis der Kirche; mehr noch, die Kirche ist selbst Erstlingsfrucht dieser Verwandlung, die nicht wir vollbringen, sondern die Gott vollbringt, und gerade darin besteht die wahre Erneuerung. Die Erstlingsfrucht dieser Erneuerung, dieser neuen Menschheit, die von der Auferstehung des Herrn verwandelt wurde, ist die Kirche. Die Gesellschaft erneuern, bedeutet für uns, die Verbreitung der Kirche zu fördern, und die Kirche erneuern bedeutet, jene „Neuheit“ treu umsetzen, die eine Charakteristik der Kirche selbst ist, und zwar kraft des Willens und des ungeschuldeten Geschenks, das Gott ständig gibt – im Heiligen Geist.

Insofern überrascht es nicht, dass bei jeder offiziellen Vorstellung des Katechismus der Katholischen Kirche ständig auf das Zweite Vatikanische Konzil verwiesen wird, denn Ersterer muss als tiefes und kirchlich vermitteltes Echo des Zweiten aufgefasst werden. Es kann auch gar nicht anders sein, denn allein das Konzil hat der Kirche die Kraft gegeben, den eigenen Glauben in gemeinschaftlicher Weise in einem neuen – im Sinne von erneuerten – Katechismus zum Ausdruck zu bringen.

Das ist alles wahr und es ist auch leicht anzunehmen – unter einer Bedingung: Dass man nämlich tatsächlich das Konzil kennen, lieben und seinen Anweisungen folgen will und nicht etwa der eigenen „Idee vom Konzil“. Bedingung ist also, dass man dem II. Vaticanum gehorchen will und nicht etwa jenem Ereignis, das nie stattgefunden hat und das nur dem Wunschdenken gewisser Leute entspricht.

Die Frage der korrekten Auslegung des Zweiten Vatikanischen Konzils hat auch seine Auswirkungen auf eine korrekte Interpretation der Beziehung zwischen dem Katechismus der Katholischen Kirche und dem Konzil. Diese Auslegung hat Papst Benedikt XVI. in der schon klassischen, am 22. Dezember 2005 gehaltenen Rede, umrissen, indem er sich für eine klare Option zugunsten einer Hermeneutik der Reform innerhalb der Kontinuität des gleichen Subjekts Kirche aussprach und offen darlegte, welch schwerwiegender Schaden entsteht, wenn nach einer so genannten „Hermeneutik des Bruchs“ vorgegangen wird.

Dies ist nicht der Ort, um sich in eine Debatte zu verwickeln, die so vielschichtig diskutiert wird und in der sich so unterschiedliche Stimmen zu Wort melden, dass unvermeidlich Spannungen entstehen.

Dennoch sehe ich es als meine Pflicht an, festzustellen, dass die „Gedankenregie“ des Heiligen Vaters (wie ich sie bezeichnen würde) langsam aber sicher ihre Früchte bringt. Bei immer mehr Anlässen spricht man vom Zweiten Vatikanischen Konzil, immer mehr Menschen, Studien und sogar Lehrstühle befassen sich mit ihm und wünschen dies auf die wissenschaftlichste Art und Weise zu tun. Vor allem aber möchte man dies frei von ideologischen Zwängen, die an kulturelle und soziale Umfelder gebunden sind, tun. Man will eine immer größere Übereinstimmung mit der Wirklichkeit, der Geschichte, den Texten und deren Aufnahme erzielen, was für eine korrekte Hermeneutik wesentlich ist.

Schon der selige Johannes Paul II. hat über den Katechismus gesagt, dass er »eine Darlegung des Glaubens der Kirche und der katholischen Lehre [ist], wie sie von der Heiligen Schrift, der apostolischen Überlieferung und vom Lehramt der Kirche bezeugt oder erleuchtet wird. Ich erkenne ihn als gültiges und legitimes Werkzeug im Dienst der kirchlichen Gemeinschaft an, ferner als sichere Norm für die Lehre des Glaubens. Ich bitte daher die Hirten der Kirche und die Gläubigen, diesen Katechismus im Geist der Gemeinschaft anzunehmen und ihn sorgfältig bei der Erfüllung ihrer Sendung zu benutzen, wenn sie das Evangelium verkünden und zu einem Leben nach dem Evangelium aufrufen.« (Apost. Konst. Fidei depositum).

2. Die Rezeption des Katechismus der Katholischen Kirche

Wir sind damit am zweiten Punkt dieses Vortrags angelangt. Hier möchte ich einige Pfade aufzeigen, die das Phänomen der Aufnahme des Katechismus auslegen und beschreiben.

Wie erwähnt wurde, kann man die Rezeption des Katechismus nicht völlig von der korrekten Rezeption des Zweiten Vatikanischen Konzils unterscheiden und noch heute herrscht ein „seltsamer Bruch“ in jenen vor, die vom Konzil schwärmen aber andererseits dem Katechismus ablehnend gegenüberstehen, eben weil sie darin einen regelrechten Verrat an der Lehre des Konzils zu erkennen glauben.

Zugegebenermaßen handelt es sich – auch wenn die Kommunikationsmittel ständig diese Stimmen hörbar machen – zahlenmäßig um kleine Minderheiten, die eher ihre Standpunkte häufig wiederholen, als dass sie kreativ wären. Oft sind sie unfähig, dort, wo sich die Kirche als ein Leib entwickelt, jene Kräfte zu entdecken, die der Geist auf verschiedene Arten und Weisen und zu verschiedenen Zeiten weckt.

In den weitaus meisten Fällen hingegen wurde der Katechismus in allen Teilkirchen der Welt als ein Geschenk für die Hirten und die Gläubigen aufgenommen, als sicherer Bezugspunkt für die Erarbeitung regionaler (nationaler und diözesaner) Katechismen – was er in Wirklichkeit auch ist –und als Beitrag, der den Schwerpunkt des Glaubens der Kirche definiert.

Wir dürfen nicht vergessen, dass vor zwanzig Jahren das Umfeld ein anderes war, als es heute der Fall ist. Aufgrund der Schnelligkeit des durch die Unmittelbarkeit der Kommunikation verursachten soziokulturellen Wandels stellen zwanzig Jahre einen ausreichende Zeitspanne dar, um sagen zu können, dass das kulturelle Klima sich gründlich gewandelt hat. In diesem Sinne ist die Veröffentlichung des Katechismus ein Beweis für die Stärke der Kirche und den Mut des seligen Johannes Pauls II.!

Ebenfalls sehr beachtlich war in diesen Jahren die Rezeption des päpstlichen Lehramtes, das unaufhörlich auf ihn verwiesen hat, – so wie es das auch in Bezug auf die Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils tat, wobei es diese Texte bisweilen mithilfe des Katechismus als einem sicheren Werkzeug der Auslegung erklärte. Ähnlich weitreichend fiel diese Rezeption in den lehramtlichen Dokumenten der Kurie sowie im ordentlichen Lehramt der Hirten aus.

Es bleibt jedoch noch viel zu tun, um zu einer korrekten Beziehung zwischen Theologie und Katechismus zu gelangen und in diesem Sinne Fortschritte zu machen. Wir sind uns dessen klar bewusst, dass es nicht Aufgabe der Theologie ist, die offenbarte Wahrheit einfach zu wiederholen. Sie soll vielmehr die Erkenntnis der offenbarten Wahrheit vertiefen. Im Bereich der Theologie scheint man sich jedoch nicht genug darum gekümmert zu haben, jenen kostbaren Dienst und Beitrag zur Unterstützung der Argumente zu leisten, welche die doktrinären Aussagen untermauern. Wahrscheinlich wäre die Theologie viel fruchtbarer, wenn sie in Bezug auf die wesentlichen Wahrheiten unseres Glaubens die eigenen Kräfte in einer weniger zentrifugalen und fast schmerzhaft marginalen Weise einsetzen würde.

Die von der Kongregation für die Glaubenslehre herausgegebene Instruktion über die kirchliche Berufung des Theologen, welche die Unterschrift des damaligen Präfekten, Kardinal Joseph Ratzinger, trägt (24.05.1990), erinnert in klarer Weise an die unersetzliche Rolle der Theologie in der Kirche und es wäre wirklich wünschenswert, dass, vor allem an den Theologischen Fakultäten, ausgesuchte Lehrstühle über den Katechismus der Katholischen Kirche, an denen man seine Entstehungsgeschichte, seine Rezeption, seine Entwicklung und vor allem seinen fruchtbaren Einsatz in der Pastoral studieren könnte, eingerichtet würden.

Wie Papst Benedikt vergangene Karwoche bei seiner Predigt im Rahmen der Chrisam-Messe gesagt hat: »All unsere Verkündigung muss Maß nehmen an dem Wort Jesu Christi: „Meine Lehre ist nicht meine Lehre“ (Joh 7,16). Wir verkündigen nicht private Theorien und Meinungen, sondern den Glauben der Kirche, deren Diener wir sind. Aber das darf natürlich nicht heißen, dass ich nicht mit meinem ganzen Ich hinter dieser Lehre und in ihr stehen würde.« Vor allem diese letzte Passage – der Papst meinte, es sei seine Pflicht, dies klar zu betonen – zeigt, welche Position jeder Christ in Bezug auf die Lehre, die im Katechismus der Katholischen Kirche dargeboten ist, einnehmen sollte – und a fortiori gilt das dann auch für jeden Priester, Theologen und Bischof.

Dass man Diener der kirchlichen Lehre ist und sich völlig in sie hineinversetzt hat, gehört zu jener christlichen und priesterlichen Identität, die letztendlich auch thematisch den Grundtenor und Kern des Priester-Jahres, das wir von 2009-2010 gefeiert haben, stellte.

Der Prozess der offiziellen Rezeption des Katechismus der Katholischen Kirche ist vielleicht langwieriger als jener der realen Rezeption, wie diese sich vor allem auf der Ebene der Gemeinschaften, religiösen Familien, Vereinigungen, Bewegungen usw. abzeichnet. Das Jahr des Glaubens, das aus Anlass der Jahrestage des Konzils und des Katechismus einberufen wurde, hat auch folgenden Zweck: Eine noch intensivere und breitgefächerte Rezeption des Katechismus in seiner Eigenschaft als Werkzeug sicherer Lehre und einer korrekten Auslegung des Zweiten Vatikanischen Konzils zu gewähren.

Es ist vielleicht an der Zeit, mit hinreichender Deutlichkeit zu sagen, dass diejenigen sich gründlich irren, die behaupten, »der Katechismus habe das Konzil verraten« oder »der Katechismus sei ein Schritt hinter das Konzil«. Hinter solchen Slogans verbirgt sich, nicht einmal allzu schwer erkennbar, ein Verständnismangel nicht nur für das Konzil selbst, sondern auch für das Wesen der ganzen Kirche als Leib Christi. Behauptungen dieser Art kommen vor allem aus Umfeldern, in denen man sich zu jener Hermeneutik der Diskontinuität und des Bruchs bekennt, die vom Heiligen Vater ganz klar als für schwere Verwirrung im Volk Gottes verantwortlich ausgewiesen worden ist.

Darüber hinaus meine ich, dass solche Haltungen extrem schädlich sind und dem Konzil einen Bärendienst erweisen, sei es, weil sie leider Gottes zu widersetzlichen Reaktionen führen, die auch das Risiko des Bruchs mit sich bringen, sei es weil sie hauptsächlich mit ideologischen Verbrämungen den nüchternen Zugang zu den Texten des Konzils verbauen und somit die vergleichende Gegenüberstellung mit der ständigen Tradition und der kirchlichen Lehre sowie die Rezeption der grundlegenden Konzilstexte im nachfolgenden Lehramt, wie sich dieses unter dem Diener Gottes Paul VI. und vor allem unter dem seligen Johannes Paul II. ergeben hat, aufhalten.

Es ist viel geleistet worden, doch bleibt noch viel zu tun, damit der Katechismus der Katholischen Kirche auf rechte Weise rezipiert wird. Je mehr wir uns für seine Rezeption einsetzen und verwenden, umso mehr hat unser Engagement letztlich mit der Neuevangelisierung zu tun.

3. Der Katechismus der Katholischen Kirche und die Neuevangelisierung

In der oben zitierten Predigt, die Benedikt XVI. während der Chrisam-Messe hielt, sagte er: »Das Jahr des Glaubens, das Gedenken an die Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils vor 50 Jahren soll uns ein Anlass sein, mit neuem Eifer und neuer Freude die Botschaft des Glaubens zu verkündigen. Die finden wir natürlich grundlegend und zuallererst in der Heiligen Schrift, die wir nicht genug lesen und bedenken können. Aber dabei machen wir alle die Erfahrung, dass wir Hilfe brauchen, um sie recht in die Gegenwart zu übertragen; dass sie uns wirklich ins Herz trifft. Diese Hilfe finden wir zuallererst im Wort der lehrenden Kirche: Die Texte des II. Vaticanums und der Katechismus der Katholischen Kirche sind die wesentlichen Instrumente, die uns unverfälscht zeigen, was die Kirche vom Wort Gottes her glaubt. Und natürlich gehört der ganze, noch längst nicht ausgeschöpfte Schatz der Dokumente dazu, die uns Papst Johannes Paul II. geschenkt hat.«

Der Papst selbst also erkennt die ununterbrochene Kontinuität des Lehramtes an, die zwischen den Texten des II. Vaticanums und dem Katechismus besteht und lädt die Kirche ein, den bei weitem noch nicht hinreichend ausgebeuteten Schatz an Dokumenten – ein mehr als zwanzigjähriger Bestand, den uns der selige Johannes Paul II. hinterlassen hat –, nutzbar zu machen.

Wenn man vom Zitat des Papstes ausgeht, kann man zwei Aspekte hervorheben, die sich auf die Beziehung zwischen Katechismus und Neuevangelisierung auswirken.
Den Ersten entnehmen wir den eigenen Worten Benedikts XVI., der feststellt: »[D]abei machen wir alle die Erfahrung, dass wir Hilfe brauchen, um sie recht in die Gegenwart zu übertragen; dass sie uns wirklich ins Herz trifft.«

Das Werk der Evangelisierung ist also nicht einfach ein menschliches „Tun“. Vielmehr bedarf es dabei in jedem Fall einer übernatürlichen Hilfe, die sich durch die Vermittlung von Zweitursachen ergibt (unter ihnen auch der Katechismus), die in die Lage versetzen, den rechten Glauben weiterzugeben. Jene Weitergabe muss „in der Gegenwart“ stattfinden, das heißt im Heute des täglichen Lebens und in diesem Sinne ist Evangelisierung stets neu, denn sie ist selbst eine stets neuerliche Verkündigung des Evangeliums in der Gegenwart. Zugleich erneuert sie, denn sie „macht denjenigen neu“, der die Verkündigung annimmt.

Außerdem meint der Heilige Vater mit gewisser prophetischer Vorahnung, dass all das notwendig ist, damit »sie uns wirklich ins Herz trifft«, und bestätigt dabei, dass der Christ gerade bei der Verkündigung des Evangeliums erlebt, wie sein Herz getroffen ist und er somit gemäß dem Prinzip der Übereinstimmung des eigenen Lebens mit der geglaubten Wahrheit, den Ruf zur Erneuerung verspürt.
Vor diesem Hintergrund dürfen wir hoffen, dass wir die Neuevangelisierung nicht entsprechend mehr oder weniger erfolgreichen menschlichen Strategien auszuführen haben oder dass sie nur ein Werk ist, das wir in zukünftigen Jahren vollbringen müssen. Ganz im Gegenteil! Sie wird in dem Maße verwirklicht, in dem der ganze Leib der Kirche den eigenen Glauben bekennt und durch dieses Glaubensbekenntnis von neuem selbst evangelisiert wird. Die Neuevangelisierung wird kein Werk sein, das von Hirten und Gläubigen bewerkstelligt wird. Vielmehr wird sie mit dem Werk der Verkündigung des Evangeliums selbst zusammenfallen, einer Verkündigung, die in dem Moment, in dem sie stattfindet, denjenigen, der sie vollbringt, erneuert. Und zugleich wird sie dabei Samenkorn der Hoffnung für denjenigen sein, der sie beachtet und aufnimmt.

Vergleichsweise könnte man sagen – erlauben Sie mir diesen Exkurs aufgrund meines Dienstes in der Kongregation für den Klerus –, dass die Neuevangelisierung ein wenig so aussieht, wie die Ausübung des Dienstes vonseiten der Priester: Dieser Dienst ist nicht von ihrer Person, von der ihnen eigenen Identität und Mission zu unterscheiden. Vielmehr fällt er damit zusammen und gerade in der Ausübung des Dienstes bekennen die Priester ihren Glauben, nehmen wahr, wie er sich erneuert und in eine Kraft verwandelt, die die Evangelisierung vorantreibt.

Der zweite Aspekt – und hier tritt nun ganz klar der Katechismus mit seinem ganzen doktrinären Gewicht in Erscheinung – ergibt sich aus der Beziehung zwischen der Verkündigung Christi, den man im eigenen Leben als Heiland und Erlöser anerkennt, und der Annahme dessen, was er uns über sich selbst, den Vater, die Kirche und den Menschen offenbart hat.

Mit anderen Worten ist es nicht möglich, Christus anzunehmen, ohne das anzunehmen, was er uns über Gott mitgeteilt hat. Eine Neuevangelisierung, die sich von den Glaubenswahrheiten und der Lehre trennt, ist nicht möglich, denn gerade diese sind ihr Inhalt und diese stellt sie ins Licht.

In diesem Sinne ist die Kenntnis des Katechismus der Katholischen Kirche, seine Verbreitung und fortschreitende Vermittlung im Netz des kirchlichen Geflechts schon ein Werk, das als Neuevangelisierung bezeichnet werden kann, denn so etwas wird unmöglich seine Wirkung auf die neu zu evangelisierende Zivilgesellschaft verfehlen, da die eigene innere Kraft immer eine ausstrahlende Wirkung hat.

Die Einteilung des Katechismus in vier Teile: Glaube im Bekenntnis, gefeierter Glaube, gelebter Glaube und Glaube im Gebet, übernimmt in treuer Weise die Einteilung des Römischen Katechismus ad parrocos, welcher nach dem Konzil von Trient erarbeitet worden war und bietet diese von neuem dar. Dieser Einteilung kann man vier fundamentale Leitlinien entlehnen, die man auch auf die Neuevangelisierung anzuwenden vermag.

Die vier oben genannten Bezugnahmen zum Glauben stellen also ebenso viele Pfade dar, deren Begehung für den Erfolg der Neuevangelisierung entscheidend ist. Wie es in den für das Jahr des Glaubens von der Kongregation für die Glaubenslehre gegebenen Hinweisen heißt, bedeutet eine Erneuerung des Glaubens, den man bekennt sicherlich auch Gelegenheiten zu finden, während derer man sich öffentlich zu diesem Glauben bekennt. Dabei soll natürlich die stets notwendige kulturelle Vertiefung, durch die das Denken fortschreitend erzogen wird, auch nicht vergessen werden. Durch die Lösung der Gedanken von der Verstrickung mit der Welt beginnt der Geist, die Vernunft fortschreitend im Sinne einer Glaubenshaltung einzusetzen und die wertvollen Hinweise des Lehrschreibens vom seligen Johannes Paul II., Fides et ratio, in konkrete Erfahrung umzusetzen.

Wie im zweiten Teil des Katechismus dargestellt, beinhaltet der gefeierte Glaube eine klare, an alle Gemeinschaften, die die Sakramente feiern, gerichtete Einladung, den Sinn für das Heilige wiederzuentdecken. Manche liturgische Feiern werden zu oberflächlich, ja bisweilen sogar auf banale Weise zelebriert, was zu einer inneren Abwendung vom Ritus geführt hat. Und mit dem Verlust der Mysteriendimension gingen auch zugleich der ureigene Sinn und die Bedeutung dieser Handlungen verloren. Man begeht einen eklatanten Fehler, wenn man meint, dass eine Kürzung der Dimension des Heiligen und der Anbetung die Riten besser verstehbar machen würde. Die Seele des Einzelnen, die Kraft des gefeierten Sakraments und die Gnade, die dieses schenkt, treten in einen geheimnisvollen Austausch, der durch den Heiligen Geist und sicher nicht durch unsere „besonders aktiv gestalteten“ Messfeiern zustande kommt. In dem Maße, in dem man in den Teilkirchen und den einzelnen Gemeinschaften sich wieder tiefer dessen bewusst wird, dass zur Feier des Glaubens die Anbetung gehört, wird auch die Neuevangelisierung einen kräftigen Impuls empfangen, denn wo der Glaube entsprechend den liturgischen Normen der Kirche und in Kontinuität mit ihrer ununterbrochenen Tradition gefeiert wird, kommt man mit dem in Berührung, was die größte Anziehungskraft besitzt und so gefeierter Glaube trägt in sich selbst evangelisierende Kraft.

Wir wissen sehr wohl, dass die Verkündigung der Wahrheit einhergehen muss mit der Kraft des Zeugnisses. Seit seinen Anfängen gehörte zum Christentum diese tiefe Einheit zwischen der verkündeten Wahrheit und der gelebten Liebe. In rechter Weise verstanden, stellt der dritte Teil des Katechismus eine große Stütze dar, um zu einer Verlebendigung des Glaubens aufzurufen. Gelebter Glaube trägt in sich eine große evangelisierende Kraft, denn ohne Worte übt er ein unbesiegbares Lehramt aus. Vergessen wir nicht, dass, um die Wahrheit zum Schweigen zu bringen, es in der Geschichte in nicht wenigen Fällen nötig war, nicht nur jene aus dem Verkehr zu ziehen, die die Wahrheit verkündeten, sondern auch jene, die sie lebten. Wie viele Märtyrer, die den Glauben bezeugt haben und bezeugen, hat es doch in nicht zu sehr entfernter Vergangenheit und in der Gegenwart gegeben! Die untrennbare Einheit zwischen dem Glauben, den man bekennt, feiert und lebt, wird also der vorrangigste dynamische Faktor der Neuevangelisierung sein. Wenn die Kirche in authentischerer und treuerer Weise glaubt, feiert und lebt, wird sie ihre Kraft zur Evangelisierung erneuern.

Hiermit komme ich nun zum Abschluss.

Schließlich ist, wie vom Katechismus der Katholischen Kirche vorgeschlagen, das Gebet Dreh- und Angelpunkt sowie Lebenssaft der Neuevangelisierung. Ganz gleich, wie sehr wir uns anstrengen, es wird nichts geschehen, wenn nicht alles vom Gebet ausgeht und zum Gebet zurückkehrt: dorthin, wo wir als Einzelne und als Gemeinschaft vor Gottes Angesicht stehen, aufmerksam auf sein Wort und auf seinen Willen hören, für Kirche und Welt.

Nur das Gebet birgt die authentische Kraft zur Reform. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass derjenige, der nicht betet, Charismen zur Reform empfängt. Vielmehr wird er sie sich selbst anmaßen. Inwieweit sich in der Kirche eine authentische Reform ergibt, hängt vom Geist des Gebets ab. Ebenso hängt es vom Gebet ab, inwieweit eine Neuevangelisierung stattfindet, von jenem Gebet, das jeder von uns in der eigenen Existenz entdeckt, im Hören auf die Stimme des Herrn, in geistlicher Verbundenheit mit Petrus und den Aposteln, im Obergemach versammelt mit Maria, der Mutter der Kirche!



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